Inhalt
Bei einem Besuch im US-Konsulat in Frankfurt verschwindet der Sohn der ehemaligen Elitesoldatin Sara spurlos – und niemand scheint ihn je gesehen zu haben. Weil die deutschen Behörden machtlos sind, beginnt Sara auf eigene Faust im Konsulat zu ermitteln – und gerät dabei in eine bedrohliche Verschwörung.
Kritik
Das deutsche Genrekino ist seit jeher ein schwieriges Terrain. Während Komödien und Dramen regelmäßig auf den Kinoleinwänden des Landes vertreten sind, sucht man actionreiche Stoffe oder spannungsgeladene Thriller oft vergeblich – zumindest im klassischen Kinoprogramm. Streamingdienste wie Netflix oder Prime Video schaffen seit einigen Jahren Abhilfe und bieten talentierten Filmschaffenden eine Bühne, die sie im regulären Kino kaum bekommen. Mit Produktionen wie dem temporeichen 60 Minuten (Netflix, 2024) oder dem intensiven Thriller Trunk – Locked In (Prime Video) hat sich das deutsche Genrekino zuletzt leise, aber bestimmt zurückgemeldet. Jetzt legt Netflix mit Exterritorial nach – einem spannenden Mix aus Action, Thriller und Drama, der nicht nur mit harten Fights, sondern auch mit emotionaler Tiefe punktet.
Im Mittelpunkt steht Sara, eine ehemalige Soldatin einer deutschen Spezialeinheit, die nach einem traumatischen Afghanistan-Einsatz mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zurückkehrt – und mit einem ungeplanten Kind. Einige Jahre später will sie gemeinsam mit ihrem Sohn Josh in den USA neu anfangen. Für ein Arbeitsvisum geht sie zum amerikanischen Konsulat in Frankfurt. Was als formaler Behördengang beginnt, entwickelt sich schnell zum Albtraum: Josh verschwindet spurlos innerhalb des Konsulatsgeländes. Die Behörden wiegeln ab, niemand scheint Sara glauben zu wollen. Da die deutsche Polizei auf dem exterritorialen Gelände keine Handhabe hat, nimmt Sara – ausgebildet in Nahkampf und Überlebenstaktiken – die Sache selbst in die Hand. Ein Schritt, der nicht nur sie, sondern auch die Verantwortlichen auf der anderen Seite der Grenze in höchste Alarmbereitschaft versetzt.
Was sich auf dem Papier wie eine Mischung aus 96 Hours und Stirb Langsam liest, entwickelt sich auf dem Screen zu einem überraschend eigenständigen Film, der sich nicht mit bloßem Genre-Einmaleins begnügt. Exterritorial legt den Fokus nicht nur auf knackige Action – obwohl genau die ein echtes Highlight darstellt –, sondern arbeitet auch auf psychologischer Ebene. Jeanne Goursaud (Para – Wir sind King), bislang vor allem durch Serienrollen und Fernsehfilme bekannt, liefert hier eine eindrucksvolle Performance ab. Sie vereint physische Präsenz mit emotionaler Verletzlichkeit und verleiht ihrer Figur dadurch eine Glaubwürdigkeit, die in vielen vergleichbaren Filmen oft auf der Strecke bleibt. Ihre Kampfszenen wirken dabei nie überzogen oder choreografisch steril, sondern roh, direkt und durchdacht. Kein Wunder: Mit Thomas Hacikoglu stand ein absoluter Könner seines Fachs als Action-Director hinter der Kamera. Hacikoglu, der bereits bei 60 Minuten für die dynamischen Fights verantwortlich war und als Stuntman in John Wick: Kapitel 4 oder Mission: Impossible – Dead Reckoning mitwirkte, bringt internationales Know-how in den Film und sorgt für einige der wohl stärksten Action-Momente, die es in einer deutschen Produktion je zu sehen gab.
Doch Exterritorial beschränkt sich nicht auf Kicks und Fäuste. Themen wie Verlust, Gaslighting, Mutterliebe und Selbstermächtigung sind fester Bestandteil der Geschichte. Regisseur und Autor Christian Zübert schafft es, diese Themen sensibel und ohne Pathos einzubetten. Die Mischung aus persönlichem Drama und politischem Thriller wirkt in weiten Teilen stimmig. Auch die Entscheidung, auf eine authentische Sprachmischung aus Deutsch und Englisch zu setzen, erweist sich als Glücksgriff. Wo andere Produktionen mit künstlichem Dubbing die Immersion brechen, bleibt Exterritorial nah an der Realität und vermittelt ein glaubhaft internationales Setting.
Unterstützt wird Goursaud von einem solide aufspielenden Cast. Besonders Dougray Scott (Mission: Impossible 2) als zwielichtiger Konsulatsmitarbeiter überzeugt mit ambivalenter Ausstrahlung und einer subtilen Bedrohlichkeit. Die Dialoge bleiben angenehm geerdet und vermeiden es, ins Überpathetische abzudriften. Natürlich ist auch Exterritorial nicht frei von Schwächen. Das Drehbuch greift an manchen Stellen zu stark in die Klischeekiste, um die Handlung voranzutreiben. Einige Nebenfiguren bleiben blass, bestimmte Entwicklungen wirken arg konstruiert. Vor allem gegen Ende verliert der Film etwas an Tempo – das große Finale hätte gern noch etwas mehr Druck vertragen können.
Trotzdem bleibt unterm Strich ein rundum gelungener Genrebeitrag, der nicht nur unterhält, sondern auch Mut macht. Mut, dass deutsches Actionkino mehr kann als sein Ruf vermuten lässt. Und Mut, endlich mehr weibliche Hauptfiguren wie Jeanne Goursaud auf diese Bühne zu stellen. Exterritorial ist ein weiterer kleiner, aber bedeutender Schritt in die richtige Richtung – und hoffentlich kein Einzelfall.
Fazit
"Exterritorial" ist genau die Art von deutschem Actionkino, die man sich häufiger wünschen würde: hart, souverän inszeniert und getragen von einer Hauptdarstellerin, die sowohl in den packenden Kampfszenen als auch in den stillen Momenten überzeugt. Für Genrefans ganz klar eine Empfehlung.
Autor: Mike Kaminski