Inhalt
Nach 20 Jahren Abwesenheit wird Odysseus ausgezehrt und unkenntlich an die Küste von Ithaka gespült. Der König ist aus dem Trojanischen Krieg zurückgekehrt, doch in seinem Königreich hat sich viel verändert. Seine geliebte Frau Penelope ist eine Gefangene in ihrem eigenen Haus, verfolgt von Freiern, die um den Thron wetteifern. Ihrem Sohn Telemachos droht der Tod durch die Hände dieser Freier, die ihn lediglich als Hindernis für ihr Streben nach dem Königreich betrachten. Auch Odysseus hat sich verändert – gezeichnet von der Erfahrung des Trojanischen Krieges ist er nicht mehr der mächtige Krieger vergangener Jahre –, aber er muss seine Stärke wiederentdecken, um alles zurückzugewinnen, was er verloren hat.
Kritik
Bereits jetzt ist der Hype um Die Odyssee, das für Sommer 2026 angekündigte Epos von Star-Regisseur Christopher Nolan (Oppenheimer), schier grenzenlos. Erste Vorführungen waren unlängst nach Ankündigung ausverkauft und das weit ein Jahr vor dem offiziellen Kinostart. Daher könnte jetzt ein vermutlich sehr gutes Zeitfenster für Rückkehr nach Ithaka bestehen, der bereits im Dezember 2024 in den US-Kinos lief und nach diversen Festivalauftritten nun auch den Weg auf die deutschen Leinwände findet. Der Film des italienischstämmigen, aber seit seiner Jugend im UK lebenden und tätigen Regisseur, Autor und Produzent Uberto Pasolini (Nowhere Special) umfasst zwar nicht wie vermutlich beim kommenden Nolan-Blockbuster die gesamte Erzählung von Homer, sondern konzentriert sich – wie der Name schon sagt – auf die letzten Passagen der Odysseus-Saga, die mit seiner Rückkehr auf seine Heimatinsel Ithaka beginnt.
Mit einem Budget von rund 20 Millionen $ spielt diese Produktion natürlich nicht annährend in der Liga von Christopher Nolan, was man aber selbstverständlich auch gar nicht versucht. Der überwiegend auf Korfu und auf der Peleponnes gedrehte Film verzichtet beispielsweise gänzlich auf jedweden Fantasy-Aspekt der Vorlage und wird von Pasolini als bodenständiges Psychodrama erzählt, das aufgrund seiner begrenzten Handlungsorte und den wenigen, wirklich relevanten Figuren manchmal schon wie ein Kammerspiel anmutet. Bei der verwendeten Handlung hält man sich jedoch eng an die fast 3000 Jahre alte Vorlage. Während Königin Penelope (Juliette Binoche, Chocolat) auch nach 20 Jahren noch auf die Heimkehr ihres Gatten Odysseus (Ralph Fiennes, 28 Years Later) hofft, ist Ithaka inzwischen völlig heruntergekommen und sie wird in ihrem Palast belagert von aufdringlichen und skrupellosen Freiern, die die vermeidliche Witwe ehelichen und somit die Herrschaft an sich reißen wollen. Als sie kurz davorsteht, sich dem Druck endlich zu beugen – auch um das Leben ihres Sohns Telemachus (Charlie Plummer, The Long Walk – Todesmarsch) zu schützen -, wird Odysseus nach einer strapaziösen Reise tatsächlich an der heimischen Bucht angespült, ist jedoch nicht mehr der, der einst in die Schlacht um Troja zog. Aus ihm ist ein alter, gebrochener und kriegsmüder Mann geworden, der kaum noch wiederzuerkennen ist und deshalb auch von der Bevölkerung – wie seiner Familie – zunächst nur als ein verwahrloster Bettler betrachtet wird. Lediglich sein getreuer Jagdhund erkennt ihn unmittelbar vor dessen Tod wieder. Selbst vor seiner Frau und seinem Sohn hält Odysseus seine Identität geheim, unfähig die alte Rolle wieder ausfüllen zu können.
Fast 30 Jahre nach dem einst neunfach Oscar-prämierten (und dennoch furchtbaren) Der englische Patient sind Juliette Binoche und Ralph Fiennes als tragisches Liebespaar wieder vor der Kamera vereint und die beiden Stars sind mit ihren engagierten, manchmal fast aufopferungsvollen Performances das unbestrittene Highlight des Films. Binoche spielt nuanciert-zurückhaltend, kann die innere Verzweiflung ihrer Figur aber auch ohne theatralischen Gestus hervorragend transportieren, während Ralph Fiennes auch durch seine physische Form beeindruckt. Der Körper des fast 63jährigen wirkt enorm drahtig und trainiert, aber nicht wie ein Bodybuilder, sondern tatsächlich wie der eines geschundenen, vernarbten Kriegers am Ende seiner Kräfte. Dazu spielt auch er enorm intensiv und fokussiert darauf, die ebenso vernarbte Psyche seines Odysseus Ausdruck zu verleihen. Das gelingt überwiegend ziemlich gut, weniger gut funktioniert dabei leider die Inszenierung von Uberto Pasolini. Statt sich auf die Qualität seiner Darstellenden zu verlassen, untermauert er jede Szene möglichst prätentiös in ihrer angepeilten Wirkung. Die Musik seiner Ehefrau und Oscarpreisträgerin Rachel Portman (Janes Austens Emma) versucht einem die zutiefst schwermütige Stimmung durchgehend fast wie mit einem Vorschlaghammer einzuprügeln. Dazu hätten sowohl Binoche und Fiennes, vor allem in ihren gemeinsamen Szenen, eigentlich gar keine Unterstützung nötig.
Darüber hinaus wirkt der Film optisch oftmals wie eine bessere TV-Produktion, die mit den immer gleichen, wenig eindrucksvollen Sets noch viel kleiner und bescheidener wirkt, als sie eigentlich ist. Das soll bewusst schlicht, reduziert und unspektakulär sein, erscheint nach einiger Zeit aber eher monoton, fade und fast schon bieder. Diese wenig einladende Präsentation, gepaart mit einem sicherlich halbwegs werkgetreuen, unter den Aspekten eines modernen Narrativs jedoch mit der Zeit auch ermüdenden-qualvollen Trauerkloß-Plots mit einseitigen Nebenfiguren und dauerhaft vor sich hingemurmelten Selbstmitleids, erschwert auch dem aufgeschlossenen Zuschauenden den Filmgenuss erheblich.
Fazit
Von seinen Stars hingebungsvoll gespielt, in seiner Narration aber schwerfällig, gequält und in seiner fast schon zu demütigen Inszenierung schlichtweg leichenblass. Das ist definitiv ein Stückweit auch gewollt, dürfte damit aber nicht nur an der breiten Masse eindeutig vorbeigehen (was das bisherige Einspielergebnis seit dem US-Start vor einem Jahr auch unmissverständlich verdeutlicht), sondern erschwert auch dem vermeidlichen Zielpublikum den Zugang erheblich.
Autor: Jacko Kunze