Inhalt
Bati und Lazer sind glücklich verheiratete Mitglieder der ultraorthodoxen Gemeinschaft Jerusalems. Doch dann tauchen Erpresser-Fotos auf, auf denen Lazer einen anderen Mann küsst. Bati hilft ihrem Mann und tut alles, damit der Vorfall in der Gemeinschaft nicht öffentlich wird. Doch gleichzeitig entdeckt sie in sich selbst eine unerfüllte Sehnsucht nach sexueller Befreiung.
Kritik
Gesehen beim 31. Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg
Religion kann Menschen nicht nur Hoffnung, sondern auch einen Sinn in ihrem Leben geben. In gewisser Weise ist es beruhigend, dass man beten und glauben kann, dass die Gebete erhört werden und, dass alles doch eines Tages gut werden wird. Doch was geschieht, wenn die Religion einem nicht nur Vorteile bringt, sondern ihre Anhänger in ein enges Korsett aus Regeln steckt, sodass sie kaum mehr frei atmen können? Spätestens dann wird die Religion zum Problem, auch wenn die streng Gläubigen es sich meistens nicht eingestehen können oder dürfen. Pink Lady erzählt die Geschichte streng religiöser ultraorthodoxer Juden und offenbart die ganzen Gebote und Verbote, an die sich die Gläubigen halten müssen. Wer glaubt, dass er als Christ streng gläubig ist, weil er jeden Sonntag in die Kirche geht, der hat sich noch nie mit der Gemeinschaft ultraorthodoxer Juden befasst, denn die Regeln, die in diesem Film problematisiert werden, lassen einem die Haare zu Berge stehen.
Zum einen darf man natürlich auf keinen Fall homosexuell sein, sonst muss man zu einem Rabbi, damit man von seiner „Krankheit“ geheilt wird. Sicherlich gibt es heutzutage einige Religionen, die das genauso vertreten, nur können die Betroffenen in der westlichen Welt offenbar viel besser damit umgehen und diesen religiösen Absurditäten besser aus dem Weg gehen. Das können die Mitglieder einer streng gläubigen ultraorthodoxen Gemeinschaft nicht, weil ihr ganzes Leben sich um ihre Religion dreht und wenn ihre Religion sagt, dass sie Hetero sein müssen, dann sind sie "Hetero" und sie beten zu Gott, damit er sie von ihrer Krankheit befreit. Wenn sie ihr nämlich nachgeben würden, dann hätte diese Entscheidung direkte körperliche Auswirkungen auf sie. Lazer (Uri Blufarb ) ist mit Bati (Nur Fibak, Aheds Knie) verheiratet und trifft sich heimlich mit einem Mann. Als seine Gemeinde das herausfindet, wird er um tausende von Schekeln erpresst und wiederholt zusammengeschlagen, bis er zahlt, damit niemand von seiner Schande erfährt.
Das Krasse an der ganzen Sache ist, dass der Film keinesfalls die Vergangenheit zeigt, sondern das Leben widerspiegelt, dass viele Juden im Jahre 2025 immer noch führen. Beispielsweise müssen streng gläubige verheiratete Frauen jedes Mal nach ihrer Menstruation zur Mikwe. Das ist ein öffentliches Ritualbad bei dem sie in Regenwasser eintauchen. Nur wenn sie bei der Mikwe waren, dürfen sie mit ihrem Ehemann schlafen. Das wird bei Pink Lady ausführlich problematisiert und man fragt sich unwillkürlich, wie ist so etwas in der Gegenwart eigentlich noch möglich? Diese Aspekte des Films sind äußerst informativ und interessant, besonders, wenn man sich für verschiedene Religionen und Bräuche interessiert. Ansonsten behandelt der Film ein Problem, dass es eigentlich gar nicht geben dürfte, denn wenn man dem Motto „Love is Love“ folgt, dann hätte Lazer gar keine Frau heiraten müssen und würde mit einem Menschen zusammenleben, zu dem er sich körperlich hingezogen fühlt. Er sagt liebevoll zu seiner Frau, dass er sich zu ihrer Seele hingezogen fühlt. Es mag sein, dass eine derartige Einstellung bei asexuellen Menschen gut funktioniert hätte, nur nicht bei einem homosexuellen Mann und seiner heterosexuellen Ehefrau, weil beide sich nach etwas sehnen, dass sie einander nicht geben können.
Pink Lady zeigt die gesamte Bandbreite von Lazers Leidens, weil er während seiner "Heilung" sich mit einem Gummibändchen am Arm bestrafen soll, ein lautes Horngeräusch hören soll und regelmäßig seine ehelichen Pflichten erfüllen muss, weil seine Frau, es kaum abwarten kann, mit ihm zu schlafen. Um ihn auf Touren zu bringen, kauft sich Bati eine pinke Perücke und macht ein wenig Lapdance. Das soll ja bekanntlich „gut helfen“, wenn man einen schwulen Mann bekehren will. Die Frage ist nur, warum heißt dieser Film eigentlich Pink Lady? Nur weil sie einmal eine Perücke trägt und sich nur zaghaft mit ihrer eigenen Sexualität auseinandersetzt? Vermutlich sorgt dieser Film unter den ultraorthodoxen Juden für einen Skandal, doch in der westeuropäischen Welt, sorgt er eher für ein müdes Lächeln. Pink Lady problematisiert zutreffend das Leiden von beiden Ehepartnern, hält sich aber mit radikalen Entscheidungen zurück. Die Figuren haben es beide schwer und die Hauptdarsteller spielen beide hervorragend, nur fragt man sich, wo das Ganze hinführen soll? Selbst am Ende ist man sich nicht sicher, was Pink Lady aussagen will. Erstaunlicherweise konzentriert sich der Film mit seiner Botschaft eher darauf, dass die Ehefrau endlich glücklich sein soll und sich endlich wieder begehrt fühlen soll. Lazer bleibt wohl nichts anderes übrig, als sich von seiner Homosexualität heilen zu lassen. Ohne spoilern zu wollen, kann man dennoch ganz klar feststellen, dass Pink Lady nicht mutig genug ist.
Der Film zeigt ein großes Problem der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde, doch liefert keine Lösung, sondern lässt seine Hauptfigur Lazer mit seinem sogenannten Problem allein. Es gibt keine Bekenntnisse, die aussagen: „Sei, wie du bist und sei glücklich.“ Nur Bati wird für ihren Entschluss gefeiert, bereit zu sein, jemanden zu finden, der sie regelmäßig besteigt. Da kann Lazer sich noch so sehr für ihre Seele interessieren, wenn er seine ehelichen Pflichten nicht erfüllt, dann ist es ein Problem der ganzen ultraorthodoxen Gemeinde. Teilweise hat der Film auch lustige Momente, in denen er sich über solche Dinge lustig macht, doch insgesamt entsteht der Eindruck, dass man sowieso schon Angst hat, mit diesem Film jemandem auf die Füße zu treten, deswegen wollte man offensichtlich nicht zu weit mit seiner Kritik gehen.
Fazit
Mit "Pink Lady" wird Kritik an der ultraorthodoxen Gemeinschaft und der Absurdität ihrer Regeln geübt. Nur geht diese Kritik leider nicht weit genug. Insbesondere im Hinblick auf die Homosexualität zeigt der Film zwar authentisch das Leiden eines heimlich homosexuellen orthodoxen Juden, belässt es aber dabei. Nach der „Love is Love“ Botschaft sucht man hier vergebens. Dafür zeigt "Pink Lady" deutlich viel mehr Mitgefühl mit der Ehefrau, die es verdient hat, sich wieder begehrt zu fühlen. Im Grunde findet sie den Weg sich zu emanzipieren, während ihr homosexueller Mann im Endeffekt mit seinem „Problem“ allein gelassen wird.
Autor: Yuliya Mieland