Inhalt
Der zehnjährige Ayoub lebt mit seiner Familie in einer bescheidenen Wohnung, die er von seinem Großvater geerbt hat. Als der Winter beginnt, fordert sein Onkel seinen Erbteil, doch das einzige Badezimmer der Wohnung befindet sich auf seiner Seite, was zu einem angespannten Familienkonflikt führt.
Kritik
Der Titel Madane El Ghazouanis desillusioniertem Debüt-Drama umschreibt das ökonomische Unwetter, das über den kindlichen Hauptcharakter hereinbricht. Finanzielle Instabilität machen den zehnjährigen Ayoub (Abdenbi Benniwi) und seine Eltern bedrückend abhängig von der wirtschaftlichen Witterung. Als diese sich für die kleine Familie abrupt verschlechtert, erodiert der materielle Mangel ihre Existenz in den essenziellsten und erniedrigten Aspekten. Der private Schutzraum des eigenen Heims erweist sich als beklemmend brüchig. Kein menschliches Grundbedürfnis und noch so intimer Aspekt des Gemeinschaftslebens ist sicher vor dem sozialstrukturellen Sturm.
Als Ayoubs Onkel eines Tages seinen Erbteil einfordert, sind seine Eltern gezwungen, die bescheidene Wohnung aufzuteilen. Die einzige Toilette im Haus ist ihnen nun nicht mehr zugänglich und eine neue Sanitär-Anlage einzubauen erweist sich als ebenso schwierig wie ein Umzug. Mit stiller Wachsamkeit beobachtet der junge Hauptcharakter, in dessen Erleben sich die eigene Kindheitsgeschichte des Regisseurs spiegelt, wie die erniedrigende Situation die familiären Bindungen immer mehr belastet. Für seine gesundheitlich geschwächte Mutter und den kranken Baby-Bruder wird die psychische Belastung zum körperlichen Risiko.
Gleichzeitig hindert die schambesetzte Problematik die Familie daran, offen über die Lage zu sprechen. Empathie ist in dem verarmten Viertel, in dem ihr nach der Aufteilung noch beengteres Heim steht, ebenso rar wie aktive Unterstützung. Die Nebenfigur eines geistig verwirrten Obdachlosen, mit dem Ayoub eine zaghafte Freundschaft schließt, verkörpert den völligen sozialen Kollaps, den er instinktiv fürchtet. Trügerisch selbstverständlicher Komfort offenbart sich als hart erkämpfter Luxus, mit dem Status, Selbstachtung und Sittlichkeit verlorengehen können. Unerbittlicher Realismus und soziologische Symbolik verschmelzen zu einer autobiografischen Allegorie von niederschmetternderen Aktualität und leiser Tragik.
Fazit
Verwaschene Farben, diesiges Naturlicht und formale Reduktion übersetzen die Notlage der kleinen Familie im Mittelpunkt Madane El Ghazouanis persönlichen Spielfilm-Debüts in eine abweisende Atmosphäre stiller Tristesse. Geringe Produktionsmittel nutzt die zurückgenommene Inszenierung als stimmungsvolle Stilmittel. Räumliche Enge wird zum pragmatischen Sinnbildern materieller Misere. Ein kleiner Cast fähiger Darstellender verdeutlicht strukturelle Isolation während statische Settings die gefühlte Ausweglosigkeit steigern. Der soziale Kontext von Wohnraumknappheit, Familienpflicht und Verarmung bleibt schemenhaft, doch die universelle Dimension des alltäglichen Ringens um Würde gibt der nachdenklichen Memoire unterschwellige Kraft.
Autor: Lida Bach