7.6

MB-Kritik

Islands 2025

Drama, Thriller

7.6

Jack Farthing
Stacy Martin
Sam Riley
Agnes Lindström Bolmgren
Bruna Cusí
Pep Ambròs
Fatima Adoum
Dylan Torrell
Ahmed Boulane
Maya Unger
Fernando Navas

Inhalt

Tom arbeitet als Tennistrainer in einem All-Inclusive-Hotel auf Fuerteventura. Was auf den ersten Blick wie der Traum vom endlosen Sommer wirkt, ist für den ehemaligen Profi längst monotone Routine geworden. Während die Touristen in einem nicht endenden Strom kommen und gehen, spielt er Woche für Woche hunderte Bälle übers Netz und füllt die Leere mit flüchtigen Affären und Alkohol. Doch dann taucht die geheimnisvolle Anne (Stacy Martin) im Hotel auf. Sie, ihr Mann Dave und ihr siebenjähriger Sohn Anton entsprechen nicht dem Bild der üblichen Pauschaltouristen. Schnell kommt Tom der Familie näher: Er gibt Anton Tennisstunden und lädt sie zu einem Ausflug ein, um ihnen die raue Schönheit der Insel zu zeigen. Am nächsten Tag ist Dave spurlos verschwunden. Ebenso mysteriös wie Daves Verschwinden ist Annes Verhalten, das Tom vor Rätsel stellt. Ein Verdacht keimt in ihm auf…

Kritik

Islands ist erst der dritte Film von , doch längst lässt sich ein thematischer roter Faden in seinem Schaffen erkennen. Sein gefeiertes Debüt Oh Boy (2012) begleitete einen jungen Mann durch ein zielloses Berlin, gefangen in einer Mischung aus ironischer Distanz und existenzieller Schwere – festgehalten in stilbewussten Schwarz-Weiß-Bildern. Sieben Jahre später folgte Lara (2019), das subtile Porträt einer Frau, die an ihrem Perfektionismus scheitert und an ihrem Geburtstag mit den Versäumnissen ihres Lebens konfrontiert wird. Beide Werke eint eine minimalistische Erzählweise, geprägt von präziser Komposition und einer Melancholie, die stets von feinem Humor durchzogen ist.

Mit Islands verlässt Gerster das urbane Setting und verlegt die Handlung auf die raue, sonnenverbrannte Landschaft Fuerteventuras. Dort arbeitet Tennislehrer Tom in einem Hotel und erfreut sich einer gewissen Popularität – nicht zuletzt, weil er behauptet, einst Rafael Nadal in einem Trainingsmatch besiegt zu haben. Sein Alltag verläuft in geordneten Bahnen: Trainingseinheiten mit Touristen, abendliche Drinks, lose Bekanntschaften. Beständigkeit findet er nur in Alkohol und der Gesellschaft der Besitzer einer Kamel-Farm, die ihm eine Art Zuflucht bieten. Doch als Anne (, Der Brutalist), Dave (, Poldark) und ihr Sohn Anton (Dylan Torrell) für ihren Urlaub anreisen, gerät etwas ins Wanken.

Auch hier steht, wie in Oh Boy und Lara, die innere Verfassung der Hauptfigur im Mittelpunkt. Doch diesmal integriert Gerster eine kriminalistische Dimension. Als Dave spurlos verschwindet, beginnt eine Suche, die Tom und Anne einander näherbringt. Mehr noch als die Frage nach Daves Verbleib beschäftigt jedoch die Möglichkeit, dass zwischen Tom und Anne eine vergessene Verbindung existiert. Immer wieder scheint sich in Andeutungen etwas zu offenbaren, das über den Zufall hinausweist. Doch dieses narrative Element bleibt letztlich eine Randnotiz. Viel bedeutender ist die Beobachtung eines Mannes, der plötzlich erkennt, dass er mehr sein könnte als nur eine zufällige Urlaubsbekanntschaft. In der Rolle desjenigen, der gebraucht wird, findet Tom einen neuen Antrieb – doch gerade diese neue Bedeutung lässt ihn die Realität aus dem Blick verlieren.

Gerster nimmt sich Zeit, diese Entwicklung spürbar werden zu lassen. Getragen wird der Film dabei vor allem von (Maleficent - Die dunkle Fee), der Tom mit einer faszinierenden Mischung aus Trägheit und latenter Rastlosigkeit verkörpert. Sein Spiel vermittelt das Bild eines Mannes, der von sich selbst gelangweilt scheint, eines Menschen, der sein Leben auf ein Minimum an Variablen reduziert hat, um Unwägbarkeiten zu vermeiden. Im Kontrast zur Kulisse eines sonnendurchfluteten Ferienparadieses entfaltet Islands eine Atmosphäre der Entfremdung. Ähnlich wie in Eden, der nur wenige Wochen zuvor in den deutschen Kinos startete, entlarvt Gerster das vermeintliche Idyll als trügerisch. Das Licht, es brennt mehr, als dass es scheint.

Dabei verliert sich Islands stellenweise in seiner Konstruktion. Die angedeutete Vergangenheit von Tom und Anne wird mit einer Vehemenz ins Spiel gebracht, die letztlich zu einer narrativen Engführung führt. Während Lara sein Publikum mit offenen Möglichkeiten konfrontierte, scheint Islands am Ende nicht dieselbe Weite zu erreichen. Dennoch bleibt der Film ein Porträt – eines, das mit kräftigeren Pinselstrichen skizziert wurde, aber dennoch Raum für Deutung lässt. Faszination und Subtilität schließen sich hier nicht aus, sondern verweben sich zu einem Werk, das vor allem durch seine Stimmung nachwirkt. Sollte Gerster sich für seinen nächsten Film auf neue Wege begeben, könnte Islands als gelungener Abschluss einer inoffiziellen Trilogie gelten – eine lose verbundene Reihe über existenzielle Schwebezustände und Menschen, die vom Trott der Einsamkeit verschluckt wurden.

Fazit

Atmosphärisch dicht wird hier mit Präzision von innerer Leere und Sehnsucht erzählt. Die vermeintliche Idylle erweist sich als trügerisch, während unter der Oberfläche das Gefühl des Verlorenseins stetig wächst. Was als sommerliche Trägheit beginnt, entwickelt sich zu einer melancholische Studie über Selbsttäuschung und die verzweifelte Suche nach Bedeutung. Am Ende bleibt weniger die Handlung im Gedächtnis als vielmehr ein Nachhall – ein Film, der brennt, statt zu leuchten.

Autor: Sebastian Groß
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