6.5

MB-Kritik

Die Kinder der Verdammten 1964

Mystery, Sci-Fi, Horror, Drama, Thriller

6.5

Ian Hendry
Alan Badel
Barbara Ferris
Alfred Burke
Sheila Allen
Ralph Michael
Patrick Wymark
Martin Miller
Harold Goldblatt
Patrick White
André Mikhelson
Bessie Love
Clive Powell
Yoke-Moon Lee
Roberta Rex
Gerald Delsol

Inhalt

Ein Forschungsteam der UNESCO stellt bei sechs Kindern aus sechs verschiedenen Ländern eine unnatürlich gesteigerte Intelligenz fest. Als diese in London zusammengeführt werden, flüchten sie und verbarrikadieren sich in einer verlassenen Kirche. Offensichtlich handelt es sich bei ihnen um nicht menschliche Wesen, die eine Bedrohung für die Welt darstellen. 

Kritik

Vier Jahre nach der kontroversen, aber erfolgreichen Romanadaption Das Dorf der Verdammten folgte mit Die Kinder der Verdammten ein Sequel, welches aber aus heutiger Sicht auch als eine Art Reboot oder Neuinterpretation verstanden werden könnte. Die Ereignisse aus dem Erstling werden nie erwähnt und die Prämisse ist an sich dieselbe, diesmal jedoch in einem anderen Setting und unter anderen Voraussetzungen. Die (seeehr gut) befreundeten Verhaltensforscher Tom (Ian Hendry, Jack rechnet ab) und David (Alan Badel, Der Schrecken der Medusa) entdecken in dem kleinen Paul ein augenscheinliches Wunderkind, dass selbst für Erwachsene komplexe Aufgaben in Windeseile lösen kann. Als sie dessen Mutter aufsuchen, treffen sie auf eine Alleinerziehende, die sich vor ihrem Kind mehr zu fürchten scheint und keine Informationen über den Vater preisgeben möchte. Als sie kurz darauf bei einem Unfall beinah ums Leben kommt, offenbart sie ihnen ihr Geheimnis: sie hatte noch nie Geschlechtsverkehr und Paul ist das Ergebnis einer rätselhaften, unbefleckten Empfängnis. Tom und David finden heraus, dass es auch in sechs anderen Ländern exakt gleichaltrige Kinder mit den gleichen Voraussetzungen existieren und sorgen für eine Zusammenkunft. Die Ereignisse überschlagen sich dadurch jedoch und sorgen für eine Konstellation, die einen weltbedrohenden Konflikt auslöst.

Der Film des davor und danach ausschließlich im TV-Serien Bereich tätigen Regisseurs Anton Leader verlegt die Geschichte aus einem abgelegenen Dorf mitten nach London und spart sich auch den mysteriösen „Zeugungsprozess“ der Kuckuckskinder aus, was ihm gleich zwei großen Stärken des Vorgängers nimmt. So gerät die erste Hälfte zu einer eher redseligen, etwas trockenen Exposition, die für Kenner des Erstlings nichts Neues parat hält und eventuellen Neueinsteigern sogar einiges vorenthält. Wirklich interessant und aufgrund des leicht ernüchternden Einstiegs sogar erstaunlich eigenständig wird es eigentlich erst, als sich die Wunderkinder der Welt vereinen und es nun sogar fast apokalyptische Züge annimmt. Da pendelt der Plot manchmal zwischen etwas zu prätentiös und beinah mal cheesy, bis hin zu zeitaktuell äußert relevant, insbesondere im Bezug auf das Kalte Kriegs-Szenario und die allgemeine Furcht vor einer atomaren Katastrophe. Etwas sehr Ähnliches geschah wenige Jahre später bei einer noch prominenteren Filmreihe, als bei Rückkehr zum Planet der Affen ein hervorragendes Original mit einer eben so leicht kruden wirkenden Mixtur aus den exakt selben Zutaten fortgesetzt wurde, wobei Die Kinder der Verdammten dieser Spagat wesentlich besser gelingt. 

Atmosphärisch kann er schon wegen dem weitläufigeren, weniger intimen und irgendwie anonymeren Settingswechsel nicht mit dem Original mithalten, inszenatorisch nehmen sich beide Filme aber erstaunlich wenig, speziell in den Schlüsselmomenten. Die starke Bildsprache, der tolle Score und das erschreckend gute Kinder-Casting ist auf ähnlichem Niveau, trotz eher bescheidener Mittel. Für ein britisches B-Genre-Movie der frühen 60er ist das handwerklich nicht nur absolut erstklassig, auch narrativ und vor allem in seinem Subtext zieht der Film mit fortlaufender Zeit immer weiter an. Der Film spielt sehr mit dem aktuellen Zeitgeist und verwendet den Invasion-Gedanken etwas anders, fast schon prophetisch und nimmt Züge eines Jüngsten Gerichts an, was sich sehr deutlich an die immer akutere Furcht nach der Schweinebucht-Krise vor einem vernichtenden Erstschlag orientiert. Dafür muss man allerdings entweder diese Zeit miterlebt oder das entsprechende Backround-Wissen besitzen, zumindest um die angepeilte, extrem brisante Bedrohung so mitzunehmen und zu fühlen. 

Das Dorf der Verdammten hatte auch seine klaren Zeitkontext-Bezüge, funktioniert aber auch losgelöst von ihnen hervorragend, was Die Kinder der Verdammten nicht ganz gelingt. Er ist in seinem Anliegen und der Thematik zu sehr in seinem zeitlichen Korsett verankert, als das er wirklich als zeitloser Klassiker unumstritten funktionieren könnte. Unabhängig davon erzeugt er immer noch eine beklemmende Wirkung, ist nur nicht so unstrittig qualitativ autark wie der Vorgänger. Sehr interessant ist allerdings die Figurenkonstellation vom Tom und David, die im Film immer als Kollegen und Best Buddys dargestellt werden, viel mehr aber wirken wie ein echtes Couple. Da werden praktisch On-Screen wahre Beziehungsstreitigkeiten ausgefochten, die beiden wohnen offensichtlich auch zusammen und als Tom immer mehr die Vaterfigur für die Kinder einnimmt, kommt es zu zusätzlichen Spannungen im Miteinander. Das alles schreit nach einem versteckt-queeren Kontext, was damals natürlich völlig undenkbar war und nicht mal aus Versehen hätte erwähnt werden dürfen. Irgendwie scheint es der Film aber bewusst unterbringen zu wollen und es gelingt ihm so geschickt, dass es nie der Zensur zum Opfer fiel und bis heute eigentlich nie ernsthaft erwähnt wird, aber mal ganz ehrlich: wenn das keine Absicht ist, dürfte es eines der größten, versehentlichen Kuckuckseier (wie passend) der Filmgeschichte sein.

Fazit

Eine nicht unbedingt notwendige, anfangs auch etwas erzwungen wirkende, aber speziell zum Ende hin immer besser werdende Mixtur aus Sequel und Reboot. Nicht alle Qualitäten des Vorgängers können nahtlos übertragen werden, manchmal schießt man auch etwas über das Ziel hinaus und ist zu sehr in seinem zeitaktuellen Kontext gefangen, aber alles in allem immer noch ein wirkungsvolles Genre-Schauerstück, dessen Stärken unübersehbar sind und noch besser funktionieren, wenn man sich mehr mit seinem Entstehungszeitraum auseinandersetzt. 

Autor: Jacko Kunze
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