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Am 22. Juli 2011 wurden 77 Menschen in Oslo durch eine Autobombe und das anschließende Massaker in einem Feriencamp einer Jugendorganisation von dem rechtsextremen Norweger Anders Breivik getötet. Anhand der emotionalen und körperlichen Odyssee einer Überlebenden porträtiert 22. Juli den Kampf des Landes um Heilung und Versöhnung.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Mit Utøya 22. Juli, der Ende letzten Monats auch in den deutschen Kinos startete, entbrannte im Zuge seiner Premiere auf der diesjährigen Berlinale zeitweise eine altbekannte Diskussion darüber, was das Medium Film darf und was nicht. Wo liegen die Grenzen des Erzählbaren? Des Abbildungsmöglichen? Regisseur Erik Poppe, der das Attentat des ultrarechten Anders Breivik aus dem Jahre 2011 in Form einer 70-minütigen Plansequenz abbildete, dem Attentäter selbst dabei nie aber auch nur den Ansatz einer Möglichkeit einräumte, seinem Gewaltakt und der dahinstehenden Propaganda eine Plattform zu verleihen, hat vor allem den Opfern, den Zeugen, den Traumatisierten ein Denkmal errichtet, ohne sich jemals dahingehend erdreisten zu wollen, den Horror von Utoya begreifbar zu machen. Kein Spielfilm der Welt wäre dazu in der Lage.

Wo sich die Vorwürfe, Poppe würde die reale Tragödie zugunsten einer immersiven Terror-Mechanik ausschlachten, allein schon aufgrund der in jeder Sekunde spürbaren Fassungslosigkeit des Filmemachers als haltlos erwiesen, nimmt nun Paul Greengrass (Das Bourne Ultimatum) die Gegenposition ein. Obwohl der bereits mehrfach Oscar-nominiert Engländer gerade mit den grandiosen Werken Flug 93 und Captain Phillips unter Beweis stellen konnte, dass er das Polit- auch immer mit dem Spannungskino in einen Einklang bringen konnte, ohne die Effekte über den Kontext hinauswachsen zu lassen, ist 22. Juli, zu dem Greengrass auch das Drehbuch ablieferte, wohl seine mit Abstand schwächste und fragwürdigste Arbeit geworden. Dabei ist auch seine Auseinandersetzung mit dem Breivik-Amoklauf sowie dessen Folgen für das Private wie Nationale ebenfalls nah am vorherigen Output des Künstlers gelegen.

Denn was Flug 93 und Captain Phillips so wirkungsvoll gemacht hat, war seine durchdachte erzählerische Kompetenz, den Fokus immer strikt auf dem menschlichen Schicksal zu belassen: Ob Passagier oder Terrorist, ob Schiffskapitän oder somalischer Pirat, Greengrass hat sich immerzu beiden Seiten angenommen, und auch wenn er sich im vollem Bewusstsein darüber gewesen ist, dass er kein Verständnis für Massenmörder aufbringen kann, so war er doch dennoch daran interessiert, Motive wertfrei zu veranschaulichen. In 22. Juli ist das nun anders, sicherlich auch aus dem Grund, weil der Vorfall, auf den alle narrativen Fluchtlinien hinzulaufen, noch nicht einmal zehn Jahre in der Vergangenheit zurückliegt, primär aber, weil Greengrass einem Menschen die große Bühne aufbereitet, dessen Ideologie, Ideen, Gedanken keine filmische Aufbereitung erfahren dürfen. Nicht in dieser ausgiebigen Art und Weise.

Irritierend ist im Nachgang allein der Umstand, dass 22. Juli sowohl mit Anders Breivik (Anders Danielsen Lie, Oslo, 31. August) beginnt und mit ihm abschließt. Dieser Film gehört Anders Breivik. Und wenn man es ganz bitter formulieren möchte, dann ist dieser Film auch Anders Breivik gewidmet. Von seinen Vorbereitungen, seinem Angriff, seiner Weltanschauung. Paul Greengrass spart nichts aus, was seinen Kameramann Pal Ulvik Rokseth simultan dazu verleitet, winzigen Gefühlsregungen im Gesicht des Mörders minutiös nachzuspüren. Ist da vielleicht doch etwas Reue? Etwas Scham? Die Aussicht auf ein baldiges Erwachen des Besserungswillen? Im Gegenschnitt lernen wir den Jugendlichen Viljar (Jonas Strand Gravli) nach und nach kennen, der zusammen mit Anders Breivik die Hauptrolle von 22. Juli übernimmt und sich bei seinem Angriff fünf Kugeln eingefangen hat.

Dadurch wird er zwar für die Handlung relevant, denn somit kann sich Paul Greengrass wieder auf Dialektik von Täter und Opfer stürzen, die Aufmerksamkeit für das Dasein Viljars allerdings lässt frühzeitig merklich nach. Er wird nur dann für den Film gebraucht, wenn Greengrass schnelle, exakt portionierte Emotionen braucht: Weinende Eltern, die am Bett ihres Sohnes knien. Die schmerzhafte Genesung, die hier als Kampf zurück ins Leben beschrieben wird und Parallel zum Gerichtsprozess läuft, in dem Breivik auf der Anklagebank sitzt – und die ganze Welt sieht ihm zu, hört ihm zu. Von den Verletzungen eines Landes, das sich bis heute nicht von dem Anschlag erholt hat, möchte Greengrass nichts wissen. Stattdessen labt er sich regelrecht daran, Breivik in Szene zu setzen. Erst als Todesschützen, dann als überzeugten Kommandanten des Templerordens, so wie er sich selber beschreibt.

Und vermutlich wäre 22. Juli auch ein Werk, welches Anders Breivik zufriedenstellt: Er zeigt das Leid der Anderen, aber noch vielmehr zeigt er die Standhaftigkeit des Attentäters, die Darsteller Anders Danielsen Lie immerzu mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen quittiert. Von Seiten Greengrass' folgt dort keine Bestürzung, keine Einordnung innerhalb eines psychologischen Querschnitts durch eine sich in Schockstarre befindende Nation. Nein, 22. Juli ist reinrassige Manipulation, die fortwährend das Maximum in Sachen (emotionaler) Action sucht: Die sich an Einschusswunden genauso weidet, wie an den Worten Breiviks. Wenn Viljar am Ende noch seinen großen, pathetischen Monolog halten darf und sich die Miene von Breivik dabei versteinert, dann wirkt es beinahe so, als wolle Greengrass aufzeigen: Schaut doch endlich her, der Mann denkt nach. Er reflektiert. Natürlich tut er das nicht, aber egal. Hauptsache die Schauwerte stimmen.

Fazit

Eine geschmacklose, reißerische Zurschaustellung von Leid und Diabolik. Paul Greengrass, der sich in seinen vorherigen Werken eigentlich immer als ein Meister darin verstand, verschiedenen Seiten eines Konflikts mit der nötigen nüchternen Distanz Aufmerksamkeit zu verleihen, schenkt dem Amokläufer Anders Breivik mit "22. Juli" ein Podest: Hier darf er noch einmal seine Standhaftigkeit unter Beweis stellen, seine Parolen grölen, seine Weltanschauung verkünden, während Greengrass dabei niemals ernsthaftes Interesse für das große Ganze aufbringt, sondern sich allein an grellen, manipulativen Schauwerten ergötzt.

Kritik: Pascal Reis

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