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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Nachdem die Musterschülerin Sonja einen internationalen Aufsatzwettbewerb gewinnt und dafür in ihrer bayerischen Heimatstadt Pfitzing viel Lob erhält, wagt sie sich an ein neues Thema. Sie nimmt am Aufsatzwettbewerb "Meine Stadt im dritten Reich" teil und beginnt dazu in ihrem Heimatort zu recherchieren. Doch sie stößt vor allem auf Ablehnung, nicht nur die Bewohner der Stadt sind alles andere als hilfreich, sondern auch Ämter verweigern ihr jegliche Auskunft. Nach und nach wandelt sich die Ablehnung in einen deutlichen Widerstand gegen ihre Recherche um und NS-Verbrechen, die in ihrer Stadt während des Krieges stattfanden, werden bewusst verschleiert. Sie gibt schließlich auf, doch das Thema lässt sie nicht los -Jahre später beginnt sie erneut mit ihren Recherchen…

Kritik

Nach den beiden Filmen Mutters Courage und nun auch Das schreckliche Mädchen findet man sich in einer Situation wieder, wo man kurz davor ist, Michael Verhoeven zu der Riege der großen deutschen Filmemacher zu zählen. Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog, Michael Verhoeven. Dabei ist diese Ehre keine Selbstverständlichkeit; Verhoevens Filme schreien nicht förmlich danach, Meisterwerk genannt zu werden. Irgendwie schauen seine Werke altmodisch aus, obwohl sie aus den 90er Jahren stammen. Aber irgendwie schafft er es, nach heutigen Sehgewohnheiten ausgelutschte Thematiken so zu verpacken, dass sie nicht nur immens neuartig wirken, sondern auch so manchen Miesepeter umstimmen könnten. Deutscher Film und deutsche Geschichte funktioniert manchmal eben doch richtig gut.

Der Film beginnt mit einer persönlichen Schilderung und Widmung des Regisseurs. Er sagt, dass sein Werk Das schreckliche Mädchen als Parabel zu verstehen sei und für jede Stadt Deutschlands Gültigkeit besäße. Dass der Film nun in Bayern spielt hängt nur mit der Vergangenheit des Regisseurs zusammen. Die Titelsequenz des Films ist dann schon wieder ganz anders - die Widmung war weiße Schrift auf schwarzem Grund, die Namen der Mitwirkenden jedoch werden über ein tatsächliches Bild projiziert. An eine Wand wurde ein Graffiti geschmiert: „Wo wart ihr zwischen `39 und `45? Wo seid ihr jetzt?“ steht da. Das ewige Problem der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Auf einmal war niemand mehr Nazi, niemand hat Hitler wirklich für voll genommen. Auschwitz? Nie gehört. Es gehört schon einiges an Charakterschwäche dazu, um seine eigene Schuld nicht einzugestehen. Und einiges an Dummheit und Ignoranz, um die gleichen Fehler von damals heute zu wiederholen. Zu viele deutsche Filme beschäftigen sich mit dem Dritten Reich, sagen viele. Wenn man sich das politische Weltgeschehen und Reaktionen in Deutschland anguckt, scheint es eher so, als täten dies nicht genug.

Das titelgebende schreckliche Mädchen heißt Sonja und wird von Lena Stolze gespielt. Sonja berichtet von der Geschichte ihrer Familie, die auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit ist. Ihr eigenes Leben beginnt dabei mit Ausgrenzung und Ignoranz; ihre schwangere Mutter wird ihren Job aufgeben müssen, weil der Anblick der Schwangeren die anderen nervt. Du bist anders, weg mit dir. Nicht die Verbrämtheit der anderen ist ein Problem, sondern du. Von Beginn an bricht Sonja dabei die Vierte Wand, es ist sozusagen ihr charakteristisches Stilmittel. Verhoeven etabliert sie als klassische Erzählerin eines Theaterstücks und zeigt damit Sonjas Charakter auf. Sie ist weltoffen, ehrlich, selbstbewusst. Verhoeven springt immer wieder zwischen der Ebene der retrospektiven Erzählung und dem tatsächlichen Zeigen des Berichteten. Dabei gelingt ihm ein durchaus angenehmer Mix aus Lebensbericht, Theaterstück und Komödie, auch wenn das letzte Teil, das das Puzzle vervollständigen würde, leider nie gelegt wird.

Denn auch wenn der Film ein ernstes Thema mit überaus angenehmen Humor garniert („Wenn ich gewusst hätte, dass Sie berühmt werden, dann hätte ich Ihren Blinddarm in Spiritus gelegt.“), wirkt das Geschehen zeitweise zu strategisch. Es ist, als folge man einem Pfad, dessen nächste fünf Meter immer schon mit dem Licht der vorausschauenden Taschenlampe beleuchtet werden. Und dennoch nutzt Verhoeven seinen Stil überaus intelligent; Hintergründe der Büros sind dann keine kahlen Wände, sondern Gebäude der Stadt. Die abschmetternden Reaktionen der Behörden, die Sonja die Aufarbeitung der Nazigeschichte der Stadt erschweren, werden damit nicht nur zu einem Spiel, sie bekommen eine direkte Verbindung zu hohen Instanzen der Stadt, zu jeder Seele vor Ort. Diese Idee verfolgt Verhoeven mehrmals, manchmal mit seltener Genialität. Als die ersten Drohungen gegen Sonja per Telefon eintrudeln, sieht man die Familie auf Sofas um einen Tisch herumsitzen, auf dem der Anrufbeantworter steht. Die Drohungen dröhnen, das Mobiliar beginnt sich zu bewegen, die vertrauten vier Wände verschwinden und das Wohnzimmer bewegt sich über den Marktplatz der Stadt.

Fazit

Niemand war’s gewesen. Niemand hat’s gehört oder gesehen oder gesagt. Es ist das große Problem, das zwar immer weiter in die Vergangenheit rückt, aber nicht lösbarer oder irrelevanter wird; was mit der Gesellschaft tun, die auf einmal nicht mehr nationalsozialistisch sein durfte? Was mit dem geschulten Personal? Was mit einer Gesellschaft tun, der die Geschichte der Großväter zum Halse heraushängt? Verschonen sollte man sie nicht, aufhören zu lehren sollte man nie, aufhören, sensibel für aufkeimende Brände zu sein auch nicht. Zu viele deutsche Geschichtsfilme? Na dann zeigt, was ihr gelernt habt. Und dann lernt weiter, zum Beispiel dank Michael Verhoevens „Das schreckliche Mädchen“.

Kritik: Levin Günther

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