MB-Kritik

I Swear 2025

Drama, History, Biography

Inhalt

John Davidson: Bei ihm wurde in jungen Jahren das Tourette-Syndrom diagnostiziert, was ihn von Gleichaltrigen entfremdete; er kämpfte mit einer Krankheit, die nur wenige Menschen je gesehen hatten.

Kritik

Als der echte John Davidson, dessen Leben  (Everybody‘s Fine) sein tragikomisches Historiendrama lose basiert, im Alter des 25-jährigen Protagonisten (Robert Aramayo) war, gab es bereist eine bahnbrechende BBC-Doku und eine ganze Serie von Kurz-Dokus über seine Geschichte. Die ist geprägt vom Tourette-Syndrome und dem unermüdlichen Einsatz für öffentliches Bewusstsein und medizinische Anerkennung der Kondition. Jene war praktisch unbekannt im Schottischen Galashiels der 80er und 90er. Dort begegnet der Prolog dem aufgeweckten Hauptcharakter als Jugendlichen (Scott Ellis Watson) kurz vor einem entscheidenden Wendepunkt.

Für John, der mit seiner Eltern und drei Geschwistern in einem Mittelstandshaushalt aufwächst, soll das der Wechsel auf die Oberschule Werden und noch mehr der Besuch eines Fussball-Trainers auf Talent-Suche. Doch die Hoffnungen zerschlagen sich mit der Manifestation unkontrollierbarer Tics, Schimpfworte und Zwänge. Sein Umfeld betrachtet die Auffälligkeiten als Absicht eines verhaltensgestörten Delinquenten. Jahre später lebt John ohne Perspektive und Sozialleben bei seiner Mutter (exzellent: Shirley Henderson, Dept. Q). Die Begegnung mit psychotherapeutischen Krankenschwester Dottie (Maxine Peake, Say Nothing), der Mutter eines Kindheitsfreundes, ändert das radikal. 

“Es ist absolut okay, zu lachen”, versuchter der Regisseur in einem Video-Vorwort dem Publikum des Black gibt’s Film Festivals, auf dem I Swear nach seiner Premiere in Toronto läuft. Der sarkastische Humor dient als Gegengewicht zu den rührseligen Momenten familiärer Bindung, durch die Dottie, ihr Mann und Sohn für John zur Ersatzfamilie werden. Die Pointe ist immer die gleiche, die bereits in der Eröffnungsszene angewandt wird. Bei einem ernsten Anlass löst sich plötzlich ein Schimpfwort  oder Tic. Dem gleichen repetitiven Muster folgt die Handlung nach bewährtem Schema. 

Von einem beeindruckenden Moment im Leben des älteren John wird sein fordernder und wechselhafter Weg dorthin in einer ausführlichen Rückblende beschrieben. Auf diesem Weg geht es immer zwei Schritte vor und einen zurück. Immer wieder rappelt John sich auf, dank Dotties mütterlicher Liebe und verständnisvoller Freunde. Die überzeugenden Darstellungen machen dieses altbekannte Konzept trotz einiger Längen, zuckeriger Szenen und übermäßiger Dramatisierungen unterhaltsam. Die schockierende Ignoranz und Aggression gegenüber einem Handicap ist ein Stück harscher Realismus in einem Plot, dessen Optimismus hart erkämpft wirkt.

Fazit

Nach einem Arsenal dokumentarischer Episoden schien ein Spielfilm über das Leben des schottischen Aktivisten John Davidson überfällig. Mit hervorragendem Cast, allen voran Maxine Peake und Shirley Henderson als gegensätzliche Mutterfiguren, und zügigem Erzähl-Fluss liefert Kirk Jones das passende Standardwerk. Jenes hält sich an etablierte Muster, sowohl was Stilistik, Soundtrack und Struktur betrifft. James Blanns Kamera findet authentischen Zeitkolorit, der sich im Gegensatz zu dem eher plakativen Soundtrack mit Retro-Fair zurückhält. Dass gesellschaftliche Akzeptanz hier wie etwas wirkt, dass sich erarbeiten lässt, hinterlässt indes einen bitteren Beigeschmack. 

Autor: Lida Bach
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