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Als eine Frau wegen Mordes verurteilt wird, glaubt einer der ausgewählten Geschworenen die Angeklagte, eine aufstrebende Schauspielerin, sei unschuldig und nimmt die Tat auf sich um den wahren Mörder zu fassen.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Ein äußerst interessanter Beitrag zur Vita des Master of Suspense, obwohl er in vielerlei Hinsicht – auch in Bezug auf den Begriff Suspense – total widersprüchlich ist. Mord – Sir John greift ein besitzt so viele kleine Geschichten am Rande und große Aspekte im Zentrum, das sprengt bald den Rahmen.

Einer der aus heutiger Sicht kuriosesten Fakten ist der internationale Doppeldreh, was sich damals als kurzlebiger, weil natürlich ziemlich unsinniger Trend so schnell verabschiedete wie er auftrat. Wie später z.B. auch bei Tod Browning’s Dracula drehte Hitchcock in unmittelbarem Anschluss auch eine deutsche Fassung des Films namens Mary, mit leichten, inhaltlichen Anpassungen zum Original. Heute undenkbar und schier absurd, damals eine echte Alternative um zwei Märkte parallel zu bedienen, als Synchronisation noch kein Thema war. Ohnehin macht hier der Ton im wahrsten Sinne des Wortes die Musik, denn in seinem zweiten Tonfilm nach Erpressung lotet Hitch die neuen Möglichkeiten mit Neugier und Experimentierfreude bis an die technischen Limits aus. Was in beinah größenwahnsinnigen Momenten resultiert, betrachtet man den Aufwand in Relation zum Effekt. In einer eher nebensächlichen und erzählerisch zudem überflüssigen bzw. ungeschickten Szene - da sie nur zwanghaft erklärt anstatt auf die Stummfilm-erprobten Fähigkeiten ihres Regisseurs zurückgreift - musste ein wahnwitziger Aufriss betrieben werden. Die Hauptfigur Sir John (Herbert Marshall, Die Fliege) hält einen inneren Monolog vor dem Spiegel, während klassische Musik im Hintergrund erklingt. Dafür musste der Text von Marshall aufgenommen und live ablaufen sowie ein 30-köpfiges Orchester gleichzeitig die Musik einspielen, da Nachvertonen in der Form noch nicht möglich war. Aberwitzig.

Technisch ist Mord – Sir John greift ein nicht nur deswegen enorm progressiv, es zeichnet sich in allen Bereichen der reinen Präsentation ab. In den 30er entwickelte sich das Kino mit Sieben-Meilen-Stiefeln fort und Hitchcock war derjenige, der ungebremst nach vorne preschte. In vielen Einstellungen hält die Moderne prächtig und beeindruckend Einzug, der Vergleich mit den eigenen Arbeiten nur wenige Monate zuvor, er erscheint genau genommen sinnlos. Auch optisch wird viel ausprobiert und tatsächlich nichts falsch gemacht, im Gegenteil. Mit hervorragenden Montagen, Perspektiven und Bewegungen definiert Hitchcock das britische Kino seiner Zeit praktisch neu und zeitgemäß. Eine exzellente Umsetzung, was das Handwerkliche angeht. Was inhaltlich nicht immer gehalten werden kann, obwohl auch da echte, markante Schwerpunkte gesetzt werden.

Alles beginnt mit einem Schrei, der eine gesamte Straße in ihrer Nachtruhe stört. Ein Mord ist geschehen. Schnell sind alle vor Ort und finden das Opfer wie die potenzielle Täterin vor. Die Schauspielerin Diana hat vermeidlich ihre Kollegin mit einem Schürhaken erschlagen. Die bald katatonische aufgefundene Frau bestreit die Tat später nicht mal, gibt lediglich vor, sich an nichts erinnern zu können. Als Motiv steht schnell Eifersucht und Ehebruch im Raum, denn der Gatte des Opfers hatte sich wohl in Diana verguckt. Auch vor Gericht ist der Fall nur eine Pflichtübung, aber ein Mitglied der Jury hegt berechtigte Zweifel. Trotzdem lässt sich der zum Helden avancierende Theaterschauspieler Sir John – quasi die Nummer 8 aus dem später folgenden Klassiker Die zwölf Geschworenen – im Gegensatz zu seinem filmischen Äquivalent Henry Fonda von dem Druck seiner Mitstreiter beugen, was er hinterher zu Tiefst bereut. Um moralische Buße zu tun übernimmt er selbst die Nachermittlung, welche von der eigentlichen Justiz wohl kaum mit der entsprechenden Sorgfalt stattfand. Ein sehr beliebtes und immer wiederkehrendes Hitchcock-Thema, bei dem er insbesondere die eigene, traumatische Furcht vor der Polizei anreißt („Der sagt es deinem Vater. Der nimmt dich mit auf’s auf Revier!“ Etwas, was ihm als 5jähriger wirklich passierte und sich wie ein roter Faden durch seine Inhalte zieht).

Teils beeindruckend und fortschrittlich inszeniert verheddert sich Hitch leider manchmal unnötig im Narrativen wie formellen Details, die aber insgesamt schon den Unterschied zu späteren, vielleicht nicht so mutigen, aber einfach souveräner ausgearbeiteten Werken ausmachen. Ein Aspekt mag das von ihm persönlich (generell) als „langweilig“ bezeichnete Whodunnit-Prinzip sein, was er danach in dieser reinen Form (Die rote Lola) nur einmal wieder verwendete. Und es stimmt insofern, als das Hitchcock in dem Spiel mit dem gezielten Informationsvorsprung des Zuschauers deutlich besser war, dort sein Talent effektiver ausspielen konnte. Dabei ist Mord – Sir John greift ein ein ordentlicher Whodunnit geworden, der neben einiger guter Ideen (den Theater-Backround als entlarvenden Trick zu verwenden) und seiner inszenatorischen Finesse sogar inhaltlich sich weit aus der Komfortzone wagt. Dabei schon in seinem dissoziativen, persönlichkeitsgestörten Inhalt Brücken zu späteren Hitch-Arbeiten schlägt (Spellbound, Psycho), aber im zeitlich bedingten Kontext heute fast schon befremdlich dämonisierend wirkt. Wie es verwendet wird, das liegt allerdings wirklich an der Zeit und allein dieses Fass generell aufzumachen hat nichts mit Rassismus, Diskriminierung oder Dergleichen zu tun, es ist sogar ein Schritt in die richtige Richtung, damalige Tabuthemen überhaupt zu verwenden. Dafür wirken hier die oft so treffsicher verwendeten Humor-Einschübe manchmal deplatziert oder zu überdreht. Kommt bei Hitch vergleichsweise sehr selten vor. Licht und Schatten, erstaunlich nah beieinander. 

Fazit

Alles an „Mord – Sir John greift ein“ schwankt zwischen hervorragend und etwas unglücklich, was ihn letztlich nur im oberen Bereich von „nicht zwingend zu sehen“ platziert. Immer eine undankbare, aber niemals uninteressante Position, die wenigstens die Neugier kitzeln sollte. Und das hat sich dieser formell starke, inhaltlich mutige, aber etwas holperige Hitchcock absolut verdient. Mit dem entsprechenden Feintuning sogar locker ein Kandidat für die erste Garnitur.

Kritik: Jacko Kunze

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