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Quelle: themoviedb.org

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Westberlin, 1978: Ein internationaler Computerkonzern manipuliert eine ahnungslose Gruppe von Möchtegern-Terroristen. Durch deren terroristische Aktivität, die ohne jegliche politische Motivation ist, verspricht sich der Konzern höhere Absatzzahlen, denn der Staat soll sich dadurch gezwungen sehen, neue Fahndungscomputer anzuschaffen.

Kritik

Die Wahrheit, die am meisten schmerzt, ist die Wahrheit, die man am dringendsten hören muss. Rainer Werner Fassbinder (Lola) hat der deutschen Kunst- und Kulturszene eine schmerzhafte Wahrheit nach der nächsten geliefert. In seinen Filmen, in seinen Interviews, in der radikalen Herangehensweise an seine Filme, Themen, Schauspieler. Er hat aus seinem Leben und seinen Mitmenschen ein Kunstwerk gestaltet, damit sein Leben unzertrennlich mit seinem Oeuvre werden konnte. Oft war er dabei die fuchsteufelswilde Opposition. Meistens hat er auf Missstände reagiert. Hier, in Die dritte Generation, hat er sie quasi gleichzeitig vorausgesagt. Es ist ein politisches und forderndes Werk, das, nachdem erst einmal bekannt wurde, worum es ging, keine finanzielle Unterstützung von den Förderungen oder Rundfunkanstalten bekommen hat. Fassbinder hat sich selbst verschuldet, um diesen Film machen zu können und prägte diese Phase mit seinem Zitat „Ich werfe keine Bomben, ich mache Filme“.

Die dritte Generation benennt die zweite Folgschaft der Roten Armee Fraktion. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Films gab es zwar die zweite, noch aber keine dritte Generation - diese schlug erst eine Handvoll Jahre nach Fassbinders Film auf den Plan. In der Hinsicht hat er also der deutschen Geschichte etwas vorweggenommen. Es muss eine unheimlich angespannte politische Zeit in Deutschland gewesen sein. Damals, kurz nachdem sich die zahlreichen Regisseure des Neuen deutschen Films für Deutschland im Herbst zusammengeschlossen haben, als das Land mit so seltener Waffengewalt gebeutelt ward. Fassbinder hat dabei dem deutschen Volke und der deutschen Politikerriege etwas zu sagen. Er hat eine Meinung zu geigen, in Form eines knapp zweistündigen multi-orchestralen und kakophonischen Konzertes. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt wird gleich zu Beginn zitiert, als er lakonisch der Justiz dankte, die Befreiungsaktion in Mogadischu niemals verfassungsrechtlich untersucht zu haben. Man kann Fassbinder quasi dampfen hören.

Und nein, damit ist nicht „vapen“ gemeint. Fassbinder ist mächtig sauer und stellt den Bundeskanzler gewissermaßen mit den anderen direkten Zitaten seines Films gleich, die jeweils die sechs Teile des Films betiteln: Sie alle stammen aus öffentlichen Toiletten Berlins, wie zum Beispiel der „linken Pissrinne“. Sechs Teile eines Films um (Achtung, Zitat) „Gesellschaftsspiele voll Spannung, Erregung und Logik, Grausamkeit und Wahnsinn, ähnlich den Märchen, die man Kindern erzählt, ihr Leben zum Tod ertragen zu helfen“. Diesen Text integriert Rainer Werner Fassbinder in einer grandiosen Titelsequenz, die eine äußerst träge Kamera mit atemlos pulsierender Schrift verbindet. Bereits hier schafft Fassbinder das Fundament des restlichen Films: Tatsachen, Poesie und politische Anprangerung. Ebenfalls wird auch so deutlich, wer Fassbinders direkte Vorbilder sind. Martin Scorsese, speziell Taxi Driver und Jean-Luc Godard, speziell Alphaville, Weekend, Außer Atem.

Die dritte Generation verfolgt dabei keinem chirurgisch präzisen Plot, sondern zeigt ein zu Beginn gar verwirrend großes Figurenarsenal, dessen Herkunft und Ziel sich erst nach und nach erschließen werden. Durch die Bank weg sind es unsympathische Figuren, die als kleine Terrorzelle die Revolution auslösen und eine bessere Zukunft schaffen wollen. Worin diese bessere Zukunft besteht, weiß keiner so genau. Egal, Hauptsache ist doch, dass erst einmal alles brennt, was brennen kann. Die Figuren brabbeln immer durcheinander, immer haben wir (Bonjour, Monsieur Godard) mehrere Klangquellen in einem Raum. Es sind Menschen, die Aufruhr schaffen wollen, um all den Pessimisten und Gemütlichkeitsbürgern mal wieder zu zeigen, wozu der Mensch im Stande ist, wenn erst einmal Krieg herrscht. In jedem Leben muss mal Krieg sein, sonst kommen alle Werte der Menschheit vor den Hund. Gescheiterte Existenzen, die sich gegenseitig terrorisieren und vergewaltigen, weil sie nichts gebacken bekommen.

Fazit

Mit „Die dritte Generation“ hat Rainer Werner Fassbinder einen wahnsinnig lauten, wilden und teilweise recht brutalen Film geschaffen. Er wollte mit seiner grotesken Komödie wohl die Zuschauer wachprügeln und ihnen die politische Realität einbläuen. Als Komödie vermarktet verpufft viel von dem damalig pechschwarzen Humor. Was uns aber bleibt ist die clevere Spiegelung der Gesellschaft. Fassbinder zeigt, auch durch die Zitate von der volksnahen „Pissrinne“, was dem anonymen Alltagsmenschen so durch den Kopf geistert. Er zeigt ein Volk, das nichts gelernt hat, nicht nach Hitler, nicht während der Teilung und nicht nach der ersten Phase des RAF-Terrors. Er entwirft ein Bild einer hemmungslos blöden Gesellschaft, die nicht in Frieden leben könnte, wenn sie es wollte. Eine Kriminalgroteske, die damals im Ausland gefeiert, von Deutschen nicht mal mit der Kneifzange angefasst wurde. Die dringlichste Wahrheit rutscht immer in den falschen Hals.

Kritik: Levin Günther

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