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"Mindhunter" - Staffel 1 - Kritik

Souli

Von Souli in "Mindhunter" - Staffel 1 - Kritik

"Mindhunter" - Staffel 1 - Kritik Bildnachweis: © Netflix

Kritik

Im 1980er Jahre Klassiker Wall Street heißt es am Ende, dass ein Mensch seinen wahren Charakter in dem Moment erkennt, wenn er in den Abgrund blickt. Ein wohlklingendes Bonmot, welches nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern sich nun auch auf das neue Netflix-Format Mindhunter übertragen lässt und dort quasi in sein Gegenteil verkehrt wird. Hauptakteur Special Agent Holden Ford (Jonathan Groff, American Sniper) wagt sich etwas zu tief in den Abgrund hervor – und verliert sich selbst beinahe vollständig aus den Augen. Mindhunter, produziert vom großen David Fincher (The Social Network), der ebenfalls die Pilotepisode inszeniert hat, behandelt nämlich vor allem eine Sache: Die Faszination für das Morbide. Also David Finchers Hoheitsgebiet, welches er mit Filmen wie Sieben, Zodiac – Die Spur des Killers und Verblendung meisterlich erschlossen hat.

Basierend auf dem von John Douglas und Mark Olshaker verfassten kriminologischen Referenzwerk Mind Hunter: Inside the FBI's Elite Serial Crime Unit richten David Fincher und sein hochbegabtes Autorengespann, Joe Penhall und Jennifer Haley, den Blick auf den Ursprung des Profiling, also die Erstellung eines Täterprofils durch einen Fallanalytiker, eines Verhaltensforschers. Und hierbei speist sich das Geschehen aus den Erfahrungen von John Douglas, der nicht nur jahrelang als Profiler gearbeitet hat, sondern auch für unzählige Kunstfiguren Pate stand (so zum Beispiel auch Will für Graham aus den Thomas-Harris-Romanen). Mindhunter ist, wenn man so möchte, die Antithese zur konventionalisierten Crime-Serie, die sich Episode für Episode einen kniffligen Fall (der natürlich möglich reißerisch anmutet) vornehmen, diesen in letzter Sekunde lösen, um danach nie wieder darauf zusprechen zu kommen.

Mindhunter hingegen sperrt all den dem Genre inhärent erscheinenden Sensationalismus aus und gleicht einer Versachlichung des True-Crime-Sujets. Der erzählerische Fokus ist streng, so streng, dass er, wäre Mindhunter nicht so akribisch durchdacht respektive durchkomponiert, die serielle Taktung geradewegs in die Bewegungslosigkeit führen würde. Man merkt dem neuen Netflix-Output an, dass hier Menschen zu Werke geschritten sind, die genaue Vorstellungen davon hatten, wie und wohin sich Mindhunter über seine 10 Episoden entwickeln soll. Außerhalb des obligatorischen, schon lange abgestandenen Fahrwassers, werden wir anhand von Holden Ford in die Untiefen moralischen Dilemmata der kriminalistischen Verhaltensforschung geführt. Zusammen mit mit Bill Tech (Holt McCallany, Sully) und der Psychologin Dr. Wendy Carr (Anna Torv, Fringe) gründet er eine Spezialeinheit, die sich in die Köpfe von Serienkillern versetzt.

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5 Jahre nach dem Tod von J. Edgar Hoover scheint das FBI immer noch unter seinem übergroßen Schatten zu leiden: Anstatt sich an moderne Ermittlungsmethoden heranzuwagen, scheint der Behördenbetrieb immer noch von einer geradezu bürokratischen Verschlossenheit diktiert. Warum mit einem Mörder in einen Dialog treten? Warum ihm Gehör schenken? Warum nach einer gemeinsamen Basis suchen? Holden Ford, der zu Anfang noch mit einer rechtschaffenen Pfadfinder-Mentalität auftritt, sieht im Zuge seiner wissenschaftlich-akkuraten Weltanschauung zuerst einmal den Menschen hinter der Tat und versucht diesen zu verstehen, um zukünftige Verbrechen vereiteln zu können. Sein Standpunkt allerdings ist manipulierbar, vor allem dann, wenn wir wieder auf die Faszination für das Morbide zu sprechen kommen. Und in den Gesprächen mit einigen Tätern wird diese frostige Faszination für den Zuschauer spürbar gemacht.

Mit Mindhunter zeigt sich der marktführende Streamingdienst für ein Format verantwortlich, welches sich in erster Linie durch eine Sache auszeichnet: Konzentration. Nie kommt es in dieser kongenialen ersten Staffel zu überflüssigen Augenblicken, nie wird ein Wort zu viel verloren oder eine Kameraeinstellung zu weit hinausgezögert. Mindhunter gewinnt seine Authentizität aus seiner allgegenwärtigen Nüchternheit. Diese auf allen Ebenen anzutreffende Sorgfalt wird vielen Zuschauern sicher vor den Kopf stoßen, eben weil sie den herkömmlichen Prinzipien einer geläufigen Spannungsdramaturgie widerstrebt, doch der akademisch Anspruch, mit dem Mindhunter auftritt, ist verpflichtend und substantiell, um eine derart klares, psychopathologisch ausgereiftes Klima zu erzeugen. Der moralische Konflikt, der sich in den Hauptfiguren abspielt, wird nur dann deutlich, wenn man die Basis ihrer Arbeitsmethoden detailliert erfahren hat. Und wenn man sich auf Mindhunter und seinen ungewöhnlichen Rhythmus einlässt, wird man Zeuge von etwas Großem.

Fazit

Mit "Mindhunter" belegt Netflix um ein weiteres Mal, warum sich ein Abonnement wahrlich lohnt: Das von David Fincher produzierte Format ist eines der klaren Highlight im Sortiment des Streamingdienstes. Psychologisch ausgereift, frei von reißerischen Anklängen, tadellos inszeniert und packend erzählt. Wer sich an herkömmlichen Crime-Serien sattgesehen hat und den Ursprung des Profiling kennenlernen möchte, ist bei "Mindhunter" an der richtigen Adresse. Das mag vorerst akademisch-nüchtern erscheinen, ist in Wahrheit aber eine tiefgreifender Moraldiskurs über die Faszination des Morbiden.

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