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In Gedenken an den Prince of Darkness

JackoXL

Von JackoXL in Abschied von einer Legende – Ein Nachruf auf Christoper Lee

In Gedenken an den Prince of Darkness Bildnachweis: © Hammer Productions

Am letzten Donnerstag schockte eine Nachricht die Filmfans weltweit, obgleich man eigentlich schon seit Jahren immer damit rechnen musste: Bereits am 7.6. verstarb Sir Christopher Lee im Alter von 93 Jahren in einem Krankenhaus seiner Geburtsstadt London, nachdem er am vorherigen Donnerstag mit Atem- und Herzbeschwerden eingeliefert wurde. Trotz seines biblischen Alters traf die Meldung viele Fans überraschend, schließlich war Lee noch bis zu Letzt aktiv im Filmgeschäft tätig, wirkte verhältnismäßig agil und vital. Vielleicht ging es aber auch vielen wie mir, um an der Stelle ganz persönlich zu werden: Gegen jede Vernunft schien es fast unvorstellbar, dass der Mann, der einen ein ganzes Leben lang begleitet hat und bekannt dadurch wurde, den unsterblichen Fürst der Finsternis wie kein Zweiter zu verkörpern, am Ende doch ein Sterblicher ist wie du und ich. Die Kinder der Nacht lassen ihre Musik ihm zu Ehren verstummen und wir blicken zurück auf die unglaubliche Karriere eines im wahrsten Sinne des Wortes großen Mannes.

Als Sohn eines Offiziers der britischen Armee und einer italienischen Adligen wurde Christopher Lee am 27. Mai 1922 in London geboren. Wie sein Vater schlug Lee zunächst eine Karriere beim Militär ein, war während des Zweiten Weltkriegs bei der Royal Air Force tätig. Nach Kriegsende ging es zügig los mit seiner Laufbahn als Filmdarsteller. Sein Debüt gab er 1948 in „Im Banne der Vergangenheit“ („Corridor of Mirros“) von Terence Young. Es sollte über 270 Rollen im Kino und TV folgen, mit „Angels in Notting Hill“ und „The 11th“ werden postum noch zwei Werke erscheinen. Eine rekordverdächtige Anzahl, tatsächlich steht Lee sogar im Guinness-Buch der Rekorde als der Schauspieler mit den meisten Film- und Fersehrollen. Neun Jahre nach seinem Karrierestart sollte seine Laufbahn einen entscheidenden Weg einschlagen: 1957 übernahm er die Rolle des Monsters in „Frankensteins Fluch“ der Hammer-Studios, was in vielerlei Hinsicht bedeutend war. Erstmals spielte Lee nicht nur für Hammer, denen er bis zu ihrem Ende Mitte der 70er Jahre treu blieb und maßgeblich zum Erfolg der legendären Gruselschmiede beitrug, es wurde auch für ihn der ganz große Durchbruch. Zugleich standen er und das zweite Zugpferd von Hammer, Peter Cushing, zum ersten Mal zusammen vor der Kamera (der Beginn einer engen Freundschaft und einer über 20 Filme umfassenden, gemeinsamen Biographie) und es ebnete Lee den Weg für eine weitere der vielen Besonderheiten in seinem Lebenslauf: Er ist bis heute der einzige Darsteller, der sowohl Frankensteins Monster als auch Graf Dracula gespielt hat (Bela Lugosi lehnte diese Chance bereits 1931 ab, da ihm die Rolle der Kreatur nicht reizte. Ein schwerer Fehler und der Karriereschub seines ewigen Rivalen Boris Karloff, wie wir heute wissen).

Die „Ehe“ mit Hammer war ein Glücksfall für beide Seiten: Der bis dato nur als Nebendarsteller in Erscheinung getretene Lee wurde (neben Cushing) zu dem Gesicht des Studios, spielte etliche Hauptrollen und das Studio hatte einen echten Star in ihren Reihen, der die meist kostengünstig und hurtig abgedrehten B-Movies mit Glanz versah. 1958 war dann wohl das prägende Jahr (beruflich gesehen) im Leben von Christopher Lee: Er legte zum ersten Mal die Fangzähne an und schlüpfte für „Dracula“ in die Rolle des unsterblichen Grafen. Allein für Hammer spielte er diese Figur bis 1973 (in dem leider erbärmlichen „Dracula braucht frisches Blut“) satte sieben Mal, dazu kamen noch ein Auftritt für Schmuddel-König Jess Franco („Nachts, wenn Dracula erwacht“, 1970) oder die an sein Image angelehnte Persiflage „Die Herren Dracula“ (1976) von Komödienprofi Edouard Molinaro. Auch abseits von Hammer (zu dessen bekanntesten Filmen mit ihm noch „Der Hund von Baskerville“, „Schlag 12 in London“, „She – Herrscherin der Wüste“, „Rasputin – Der wahnsinnige Mönch“ oder „Die Braut des Teufels“ gehören) wurde Lee zu einer festen Ikone des Gruselfilms. So war er in den 60er Jahren auch in den „blumigen“ Edgar Wallace-Filmen „Das Geheimnis der gelben Narzisse“ und „Das Rätsel der roten Orchidee“ zu sehen und verkörperte zwischen 1965 und 1969 vier Mal den titelgebende Bösewicht der Dr. Fu Man Chu-Reihe.

Warum wurde Christopher Lee denn ausgerechnet in diesem Genre so ein großer Star? Nun, es könnte natürlich ganz schlicht mit Gevatter Zufall und dem Engagement bei Hammer erklärt werden, doch Lee war einfach wie geschaffen für einen Superstar des Horrorfilms. Bis heute wird das Genre gerne belächelt und als künstlerisch wenig anspruchsvoll abgetan, dabei beinhaltet der klassische Horror – in der Literatur wie im Film – viele Elemente der großen Dramen und Tragödien. Wenn dies entsprechend umgesetzt werden soll, bedarf es einem Mann, der mehr kann als nur seinen Platz in einer billigen Geisterbahn auszufüllen. Christopher Lee war für seine Zeit das, was Lugosi und Karloff für die 30er waren, sogar deutlich mehr. Er war nicht nur ein guter Schauspieler, nicht nur ein unverwechselbarer Charakterkopf, er war eine Erscheinung, eine Naturgewalt. Mit 1,96 Metern ein Hüne, großgewachsen, nicht kolossal, aber auch nicht schlaksig. Mit einem einprägsamen Gesicht, einem stechenden Blick, das trotzdem nicht rein auf die Rolle des Schurken oder Monsters festgelegt war. Lee konnte sowohl glaubhaft den netten, eloquenten Mann von Welt wie den furchteinflößenden Bösewicht spielen, sogar schlagartig zwischen ihnen wechseln. Er war ambivalent, konnte als Held wie als Antagonist funktionieren, manchmal in denselben Filmen (z.B. „Stadt der Toten“, 1960, oder „Die Hexe des Grafen Dracula“, 1968), wenn seine Figur nicht genau auf eine Position festzulegen war. Gerade dieses Umschalten von Gut auf Böse oder umgekehrt beherrschten nur Wenige so glaubhaft wie er, ohne dabei lächerlich zu wirken. Und dann wäre da noch diese Stimme, wie ein Donnerhall. Aber dazu später noch…

In den späten 60ern und frühen 70ern befand sich Lee auf dem Höhepunkt seiner Prominenz, drehte wie am Fließband und schaffte es 1974 sogar zum James Bond-Gegenspieler in „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Von seinem Image als Graf Dracula und Horror-Onkel vom Dienst hatte er da schon die Schnauze voll, nach dem Ende der Hammer-Studios und seinem letzten Film für sie („Die Braut des Satans“, 1976) nahm er bewusst andere Rollen an (z.B. in Steven Spielbergs „1941 – Wo bitte geht’s nach Hollywood“ oder „Die Bäreninsel in der Hölle der Arktis“, beide 1979), in den 80ern wurde es allerdings generell ruhiger um ihn. Die Angebote wurden weniger, Lee drehte viel für das britische Fernsehen oder kehrte doch hier und da zum Gruselfilm zurück, jedoch mit eher geringem Erfolg. Filme wie die als heiteres Klassentreffen der Ikonen konzipierte Cannon-Produktion „Das Haus der langen Schatten“ (1983, an der Seite von Peter Cushing, Vincent Price und John Carradine) oder die Sequel-Gurke „Das Tier 2“ (1985) dienten nur für den vollen Kühlschrank. Das Bemerkenswerte: Sein Ansehen und Wertschätzung litt unter der schleifenden Filmkarriere keinesfalls. Da kam ihm u.a. seine Stimme zu Gute. Denn Lee war, ganz nebenbei, auch noch ausgebildeter Opernsänger und verlieh sein Organ gerne (bis vor wenigen Jahren noch) für diverse Musikprojekte oder als Synchronsprecher, so beispielswiese für den Trickfilmklassiker „Das Letzte Einhorn“, wo er King Haggard sprach. In den letzten Jahren kamen auch Videospiele hinzu, beruhend auf seine sehr späte Blockbuster-Karriere im Herbst (eigentlich schon Winter) seines Lebens.

Um nicht zu ausschweifend zu werden (was schon geschehen ist, aber einer wie Christopher Lee stirbt nicht jeden Tag, da müssen wir jetzt durch…), ein kleiner Cut. 1999 bekam seine Schauspiellaufbahn (im Alter von 77 Jahren!) einen neuen Schub. Dank Tim Burton und später noch Peter Jackson. Burton besetzte ihn für eine kleine Rolle in „Sleepy Hollow“, es sollte noch vier weitere Zusammenarbeiten nach sich ziehen. In „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (2005) und „Dark Shadows“ (2012) trat Lee als Darsteller auf, in „Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche“ (2005) und „Alice im Wunderland“ (2010) ist er zu hören. Und dann wäre da natürlich die Rolle als Saruman, die er in den jeweiligen Trilogien zu „Der Herr der Ringe“ (2001-2003) und „Der Hobbit“ (2012-2014) ausübte. Zudem durfte er – natürlich, warum auch nicht? – seiner sagenhaften Laufbahn noch eine Teilhabe in den letzten beiden Episoden von „Star Wars“ hinzufügen, sich sogar mit Yoda himself einen Lichtschwertkampf liefern…mit 83 (!) Jahren. Unbeschreiblich!

Und wem das noch nicht reicht, hier noch einige Fakten zu einem Mann, für den auch 5000 Worte nicht genug wären:

-    Er sprach mal so eben knapp 10 Sprachen fließend (Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Russisch, Dänisch, Spanisch, Portugiesisch und diverse afrikanische Dialekte), die er teilweise bei Dreharbeiten lernte (Deutsch z.B. während den Edgar Wallace-Drehs).

-    Er war Zeuge der letzten, öffentlichen Hinrichtung in Frankreich durch die Guillotine (1939, kann auch nicht jeder von sich behaupten).

-    Er wohnte in den 60ern direkt neben seinem Kollegen Boris Karloff („Frankenstein“) und dem legendären Effekt-Guru Ray Harryhausen („Kampf der Titanen“).

-    Er bezeichnete die Rolle in „The Wicker Man“ (1973) als eine seiner Liebsten, was für das große Herz und den erfrischenden Humor dieses Mannes sprach. Manche Schauspieler mit seinem Stellenwert hätten zu dieser Zeit eine solche Rolle irritiert und möglicherweise empört abgelehnt, Lee erkannt wohl die Qualität dieses sensationellen Kultfilms und hatte nicht das geringste Problem damit, am Ende mit einer albernen Perücke wild durch die Gegend zu hüpfen. Von dieser absichtlichen Ironie und gesunden Selbstwahrnehmung ist das Remake mit Nicolas Cage von 2006 meilenweit entfernt.

-    Er bezeichnete seine Rolle in „Jinnah“ (1998) als seine Wichtigste und Beste, leider ist dieser Film kaum bekannt.

-    Er bezeichnete das Ablehnen der Rolle des Dr. Sam Loomis in John Carpenter’s „Halloween – Die Nacht des Grauens“ als seine größte Fehlentscheidung (kann man wohl so stehen lassen).

-    Er wurde 2009 zum „Knight Bachelor“ geschlagen und durfte sich seitdem Sir Christopher Lee nennen.

-    Er arbeitete u.a. mit den Heavy-Metal-Bands „Rhapsody of Fire“ und „Manowar“ zusammen, bekam 2010 sogar bei den „Metal Hammer Golden God Awards“ den „Spirit of Metal Award“.

-    Er ist die einzige Person aus dem „Der Herr der Ringe“-Cast, der J.R.R. Tolkien persönlich kannte (er lernte ihn in einem Pub kennen).

…über Sir Christopher Lee wurden nicht umsonst ganze Bücher geschrieben. Und um zum Schluss dieses langen Textes nochmal ganz persönlich zu werden: Für mich ist letzte Woche ein bedeutender, prägender Teil meiner Filmleidenschaft aus dem Leben geschieden. Seine Werke werden uns erhalten bleiben und diesen Mann unsterblich machen, trotzdem schmerzt der Abschied. Ich habe ihn nicht persönlich gekannt und finde die Verehrung von Schauspielern oft nicht angemessen, im Fall von Christopher Lee ist alles angemessen. Er war, dieses Urteil erlaube ich mir sogar aus der Distanz, ein guter, ein kluger, ein humorvoller Mensch. Niemals eitel, ein Mann aus dem Volk, kein Snob. Sein Tod ist ein großer Verlust, in unseren Herzen wird er ewig leben, da helfen auch nicht Knoblauch und Kruzifix.

Farewell, Prince of Darkness, auch wenn du viel, viel mehr warst als das.

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