7.5

MB-Kritik

Magellan 2025

Romance, Drama, Biography

7.5

Gael García Bernal
Amado Arjay Babon
Dario Yazbek Bernal
Ângela Azevedo
Hazel Orencio
Ronnie Lazaro
Bong Cabrera
Tomás Alves
Ivo Arroja
Valdemar Santos
Sasa Cabalquinto
Mario Huerta
Paulo Calatré
Max Grosse Majench
Roger Alan Koza
Elisabete Pedreira

Inhalt

Im 16. Jahrhundert verfolgt der junge und ehrgeizige portugiesische Seefahrer Magellan (Gael García Bernal) seinen Traum, die Welt zu entdecken. Als der portugiesische König ihn in seinen Plänen nicht unterstützt, wendet er sich an die spanische Monarchie und überzeugt sie, seine gewagte Expedition zu den legendären Ländern des Ostens zu finanzieren. Doch die Reise gestaltet sich schwieriger als erwartet: Hunger und Meuterei setzen der Mannschaft zu und treiben sie an ihre Grenzen. Als Magellan schließlich die Inseln des Malaiischen Archipels erreicht, verändert sich seine Einstellung. Getrieben von der Besessenheit, zu erobern und zu bekehren, gerät er in Konflikte, die in gewalttätige Aufstände münden – eine Situation, die er nicht mehr unter Kontrolle bringen kann.

Kritik

Das Gewicht der Historie wiegt schwer auf den beklemmenden 165 Minuten, die Lav Diaz‘ (The Woman Who Left)  Biopic über den portugiesischen Kolonialherren Ferdinand Magellan (Gael Garcia Bernal, Y Tu Mama Tambien) verschlingt. Wer das Ouvre des philippinischen Filmemachers kennt wird diesen 165 Minuten vielleicht mit einem überraschten „nur?“ begegnen, ist Diaz doch für die grenzenlos ausufernde Laufzeit seiner Filme bekannt und ganze fünf seiner Werke lassen sich in der Top 20 der längsten Filme aller Zeiten finden. Magellan, ein Film der zwei Expeditionen, eine Partie am portugiesischen Königshaus des 16. Jahrhunderts und eine quälend lange Bootsfahrt über den Pazifik beinhaltet, hätte definitiv Stoff für einen weitern 5 Stunden Film beinhaltet und tatsächlich bietet er bewusst nicht die volle Geschichte: Bei Magellan handelt es sich um ein Fragment aus einem angeblich gigantische 9 Stunden überspannenden Gesamtwerk über Magellans Frau Beatriz (Angela Ramos), welche hier dennoch zum Vorschein kommt. Dieser Umstand ergibt sich als evident im Angesicht dieses bruchstückhaften Filmes, in dem Jahre in Momenten verstreichen und Momente sich wie Jahre anfühlen können. 

Diaz reduziert die Geschichte des Mannes, der die erste Pazifikexpedition im Jahre 1519 bestritt und im Jahr 1521 in Mactau auf den Philippinen sein Ende fand auf eine rein ikonografische Ebene. In endlosen Weitwinkelaufnahmen drücken sich Objekte wie das Holzgitter eines Käfigs ins Auge des Publikums drückt, während der Horizont des Meeres in eine unerreichbare Ferne verschwindet. In diesen Bildern finden sich keine Individuen, weder am Hofe des portugiesischen Adels, noch an Bord der „Victoria“, sondern nur Agenten eines umhergeisternden Gespensts namens Historie, in dem alles einen fatalistischen Lauf nehmen muss. Diesen Blick der Historie etabliert die Kamera von Albert Tort, Stammkameramann von Albert Serra, welcher hier auch als Produzent fungierte, direkt in der ersten Einstellung, in welcher ein Mitglied eines indigenen Stammes in Malacca in die Kamera blickt und verstört davon berichtet „einen weißen Mann gesehen“ zu haben. In Magellan werden wir Zeuge der Chronik eines Kolonialismus, welche sich selbst betrachtet und uns observieren lässt. 

In nur wenigen Szenen kommen wir der Person Magellan, den Diaz in seinem schlussendlichen Elend endgültig in einer Menge untergehen lassen wird, wirklich nahe und selbst dann verraten uns die Augen von Bernal nichts als eine leere Determination. An Psychologie ist der Film genauso wenig interessiert wie am Spektakel. Die angebrochene Fahrt über den Pazifik wird an Bord zu einer Reihe von Verurteilungen und Vollstreckungen, wenn etwa Magellan zwei Männer, die „Unzucht“ miteinander getrieben haben, zum Tode verurteilt. Dazwischen liegt das Lesen zahlreicher Briefen Beatriz‘, die bereits vor Magellans Aufbruch selbst wie ein Geist erscheint und schließlich in verschwommenen in seinen Armen liegt. Torts gemäldehaften Aufnahmen geben Momenten wie diesen eine unausgesprochene Eleganz. Diaz ist zwar nicht an Individuen interessiert, versteht aber, dass es absurd wäre, Historie sein mythisches Gewand abzusprechen. Durchbrochen wird diese Mystik durch die Leere und die Stille, die durch den Film klafft. Die Erhabenheit der Bilder lassen selbst die umherwehenden Äste am Bildrand eine eigene Geschichte erzählen. Auch der manischste Schrei kann den unerbittlich voranschreitenden Progress der Eroberung, der territorialen Aneignung, aber auch des Widerstands, nicht stoppen.

Fazit

Lav Diaz‘ Chronik des Kolonialismus ist eine bildgewaltige und beklemmende Erfahrung. Weit entfernt von traditionellen Geschichtsabbildern offenbart „Magellan“ als Porträt eines Kolonialherren einen transzendenten Blick auf die Historie als langsamer, aber unaufhaltsamer voranschreitender Prozess, in dem jede der 165 Minuten das vollständige Potenzial Immersion gewährt und uns Geschichte neu erleben lässt.

Autor: Jakob Jurisch
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