MB-Kritik

L’isola di Andrea 2025

Vinicio Marchioni
Andrea Migliaccio
Teresa Saponangelo

Inhalt

Marta und Guido leben getrennt. Andrea, ihr achtjähriges einziges Kind, macht die Trennung noch problematischer. Die beiden Erwachsenen haben daher ein Gerichtsverfahren beantragt, um ein für alle Mal zu regeln, wie viele Tage Andrea bei seiner Mutter und wie viele bei seinem Vater verbringen soll. Der Richter ordnet Gespräche und Gutachten an, die beide Eltern und das Kind zwingen, den Gründen für ihre jeweiligen Schwierigkeiten und Wünsche nach Möglichkeit tiefer nachzugehen. Und dabei offenbaren sie sich nach und nach.

Kritik

Womöglich erkannte Antonio Capuano (Pianese Nunzio -14 im Mai) auf halber Strecke selbst, dass sein bizarres Beziehungsdrama höchstens als Parodie eines solchen funktionieren könnte. Ober vielleicht hatten die Hauptdarstellenden keine Lust mehr auf diese zähe Zerreißprobe einer Familie, die ihre trivialen Konflikte in dem kammerspielartigen Setting der Sorgerechtsverhandlung ausbreitet. Guido (Vinicio Marchioni, Orfeo) und Marta (Teresa Saponangelo, Sara - Die Frau im Schatten) können kaum drei Sätze miteinander wechseln, ohne in verbale Attacken oder Vorwürfe zu verfallen. Eine perfekte Gelegenheit dazu ist die gerichtliche Anhörung zum Entschluss über das Sorgerecht für ihren 8-jährigen Sohn Andrea (Andrea Migliucci). 

Der stille Junge wird zum Kollateralschaden eines Zwistes, in dem es weniger um sein Wohlergehen geht als den Triumph über das jeweils andere Elternteil. Das schlecht dastehen zu lassen, scheint die bevorzugte Strategie beider Parteien. So wird ausführlich diskutiert, wie aufdringlich Guidos Schwiegermutter war, und ob Marta ihre Karriere wichtiger ist als Andrea. Die Banalität der ätzenden Vorwürfe lässt psychologische Spannung gar nicht erst aufkommen. Statt nuancierter Charakterbilder dominieren schrille Stereotypen, die unangenehm zu patriarchalischen Gender-Rollenbildern tendieren. Guido ist der pedantische Spießer, Marta die hysterische Neurotikerin. 

Beider überzogenes Gebaren, das wildes Chargieren weiter zuspitzt, grenzt an absurde Komik. Da es dafür nie ganz reicht, überwiegt Überdruss. Der treibt das kondensierte Szenario zunehmend ins Surreale treibt. Wie um der Enge, in die der juristische Apparat sie drängt, zu entkommen, schweifen die Figuren zu freudianisch anmutenden Phantasien von Schaukeln im Park und getanzten Opernarien. Irgendwann verkleidet er sich als lila Hund und sie als kubistische Skulptur und beide schießen mit Wasserpistolen aufeinander. Der Sinn hat sich nicht verabschiedet, er fehlte von Anfang an.

Fazit

Was als theatralisches Ehemelodram beginnt, verlagert Antonio Capuano sukzessive in experimentelle Gefilde. In jene dramatische Abstraktion ließen sich allerlei allegorische Deutungen hineinlesen, doch wert ist das derivative Konstrukt dies nicht. Die Figuren bleiben dumpfe Klischees, das Schauspiel wirkt desorientiert. Was ernsthaft sein soll und was satirisch überspitzt, bleibt unklar. Die dichten Aufnahmen der Handkamera schaffen Nähe ohne emotionale Intimität oder psychologische Nuancen. Vereinzelte pointierte formale Entscheidungen heben das ermüdende Prozedere kaum. Die Inszenierung insistiert, statt sich zu entwickeln, und kippt letztlich ins Abstruse. 

Autor: Lida Bach
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