„Totgesagte leben länger“ oder im Fall vom deutschen Regie-Enfant Terrible Uwe Boll (Rampage - Rache ist unbarmherzig) müsste man eher sagen „sind ums Verrecken nicht tot zu kriegen“. 2016 verkündete der viel gescholtene, aber bis dato nimmermüde Ur-Vater aller Edgelords seinen Rückzug aus dem Filmgeschäft, aber irgendwie war klar, er kann nicht die Füße stillhalten. Mit seiner Rückkehr von Kanada in seine deutsche Heimat wollte er direkt mit einer gewollt kontroversen und provokanten Trilogie Namens „Deutschland im Winter“ wieder voll durchstarten, aber mal wieder machten Anspruch und Wirklichkeit ihm einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Den Auftaktfilm Hanau bekam er 2021 gerade so gestemmt, musste aber natürlich viel kleinere Brötchen backen als zu seinen Hochzeiten während Schwerter des Königs - Dungeon Siege, Far Cry und Co. Das allgemeine Feedback war vernichtend, inklusive massiver Kritik seitens der Stadt Hanau und diversen Angehörigen des thematisierten Amoklaufs und somit war eine Finanzierung von keinerlei Seite gewährleistet.
Erneut auf die Schnauze bekommen, aber das stachelt Stehaufmännchen Boll erfahrungsgemäß nur an (unbestreitbar seine beachtlichste Charaktereigenschaft, den bekommst du mit nichts klein und stummgeschaltet), und somit ging es wieder über den Großen Teich. First Shift ist somit sein Comeback im englischsprachigen Raum und erneut stapelt Uwe nicht tief, denn selbstverständlich soll auch das wieder der Auftakt einer Trilogie sein. Oder einer Serie, mal gucken, für was sich eher ein Käufer findet, da ist man flexibel. Viel Erfolg dabei und in den Staaten war der Streifen im Streaming sogar verblüffend erfolgreich, weswegen sich mit einiger Verzögerung nun endlich auch hier ein Vertrieb für den Heimkinomarkt gefunden hat. Mit Plaion Pictures sogar ein Big Player hierzulande, das ist in der Tat bemerkenswert. Und Boll selbst schwärmt (mal wieder) von seinem Schaffen in den höchsten Tönen und gibt bei jeder bestehenden Gelegenheit die durchaus komplizierte Entstehungsgeschichte aufgrund von spontanen Crew-Streiks und Manipulations-Versuchen zum Besten, was für sich gesehen pures Entertainment-Gold ist. Wer also (wie vermutlich viele) sich einen Uwe Boll-Film nur wegen des grandios-ungefilterten Bonusmaterials ins Regal stellt (da ruft doch echt während des Videokommentars sein Sohn an), da ist man auch bei First Shift goldrichtig. Zum Film selbst: Nun, auch das ist ein waschechter Boll. Und das ist der Haken an der Sache.
Gezeigt wird der erste Arbeitstag der jungen Polizistin Angela (Kristen Renton, Sons of Anarchy), die nicht nur neu beim NYPD, sondern auch im Big Apple generell ist. Eine leicht naiv wirkende, positiv gestimmte TikTok-Lady mit leichten Provinzpomeranzen-Vibes, die dafür die idealen Partner bekommt. Deo (Gino Anthony Pesi, Shades of Blue) ist ein muffeliger, nicht nur dezent misogyner Pessimist, dem die neue Kollegin sofort gehörig auf den Sack geht. Laut eigener Aussage wollte Boll damit eine Art ungleiches Buddy-Movie der Marke Lethal Weapon oder Bad Boys generieren, herauskommt aber allein in der Figurenkonstellation ein unübersehbares Abbild der eigenen Weltansicht des Regisseurs, das jetzt nicht unbedingt amüsant und unterhaltsam ist. Deo ist quasi ein Alter Ego von Boll, das unentwegt gegen Wokeness, Emanzipation und aktuelle Social-Media-Trends wettert, während seine Kollegin die ideale Angriffsfläche dafür bietet, da sie sich übertrieben dämlich und blauäugig aufführt und vor einem Einsatz auch erstmal ein Video hochladen muss. Die Chemie der Figuren ist weit weg von charmant und witzig, es ist befremdlich unangenehm und entlarvend, kennt man vor allem gewisse Ansichten von Boll bezüglich Frauen und dem aktuellen Gesellschaftsumdenken. Nicht falsch verstehen: eine gesunde und reflektierte Kritik am leider völlig aus dem Ruder laufenden Wokeness-Wahnsinn wäre sehr erwünscht, aber wie immer schießt Uwe Boll knüppelhart übers Ziel hinaus. Da steckt ja eine gewisse Wahrheit hinter, aber schneller als man gucken kann kippt das in primitive Polemik und ist eben dieser krasse Gegenpol zu dem, was eigentlich angeprangert werden soll. Der Typ kann einfach nicht die Mitte treffen, lieber voll daneben als irgendwie solidarisch.
Aber selbst das wäre vermutlich gar nicht mal so schlimm, nicht jeder Film (und erst recht nicht so einer) muss den moralischen Kompass als Wertungsbarometer nutzen, aber leider ist das schon das Interessanteste, was es über First Shift zu sagen gibt. Warum? Weil dieser Film inhaltlich einfach TOTSTERBENSLANGWEILIG und unfassbar belanglos ist. Gut, dass es die Audio- und Videokommentare von Uwe Boll gibt, der hier erklärt, warum sein Film eigentlich gar keinen echten Mainplot hat. Er wollte halt eine „realistische“ Schicht zeigen, bei der mehrere Fälle behandelt werden und natürlich keiner direkt zum Ziel führt. Schön. Was heißt das für das Publikum? Eine der größten „Spannungssequenzen“ ist, wenn ein alter Mann im Supermarkt umkippt und man sieht, dass sein Hund draußen noch angeleint ist. Wow, give me more. Zwischendurch wird dann auch mal eine Storyline vom organisierten Verbrechen oder ein Familiendrama um einen traumatisierten Kriegsveteranen angeschnitten, aber schlussendlich wird hier nichts richtig erzählt. Ohne Anfang oder Ende, schlicht ein wildes Drehbuch-Gulasch, dessen einziger, halbwegs greifbarer Punkt ist, dass sich die ungleichen Partner am Ende doch irgendwie annähern (warum auch immer) und auf einmal alles vorbei ist, um nur kackdreist direkt mit der Idee einer Fortsetzung hausieren zu gehen, obwohl bis dato praktisch nichts passiert und diesbezüglich auch nichts in trockenen Tüchern ist. Geil, so viel Selbstbewusstsein ist schon waffenscheinpflichtig. Wenn das wirklich zum angepeilten Ziel führt, dann Hut ab vor Uwe Boll. Es käme einer Sensation gleich.
-„Diese Stadt ist deine Zukunft.“
-„Nun, deine Zukunft riecht nach Pisse!“