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Inhalt

Die USA in den 50ern: Hinter der sauberen Kleinbürger-Fassade wird Jack zwischen den grundverschiedenen Positionen seiner Eltern aufgerieben. Von seiner Mutter (Jessica Chastain) hat er seine außergewöhnliche Empathie geerbt, dank der er seinem Umfeld mit empathischem Verständnis begegnet. Sein Vater (Brad Pitt) jedoch will seinen Sohn mit unnachgiebigen Methoden auf einen harten Überlebenskampf in einer gnadenlosen Welt einstimmen. Als Jack sich im Verlauf seiner Adoleszenz mit Leid und Tod konfrontiert sieht, scheinen die düsteren Prophezeiungen seines Vaters Bestätigung zu finden. Als erwachsener Mann (Sean Penn) hat Jack längst jede Zuversicht verloren. Verzweifelt sucht er nach einer Erkenntnis, nach einer Sinnhaftigkeit hinter dem Horror des menschlichen Daseins...
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Terrence Malick dreht bereits seit ungefähr 40 Jahren Filme. Während dieser Zeitspanne war er allerdings nicht besonders produktiv – bei fünf Filmen hat er bisher Regie geführt. Ohnehin ist der Macher von „Der Schmale Grat“ und „Badlands“ ein sehr öffentlichkeitsscheuer Geselle: In den 80iger Jahren war er vollends untätig, vermied den Kontakt zur Presse und  lebte zurückgezogen. Er war länger als ein Jahrzehnt auf keinem aktuellen Foto zu sehen. Nach seinem Film „In der Glut des Südens“ von 1978 legte er eine 17 Jährige Pause ein, die er erst 1995 mit „Der Schmale Grat“ beendete. Mit „The Tree of Life“ liefert Malick nun sein sechstes Werk ab, das bei den „Internationalen Filmfestspielen in Cannes“, für welche der Film bereits 2009 angekündigt worden war, mit der „Goldenen Palme“ ausgezeichnet wurde.

Jack (Sean Penn) ist ein erfolgreicher Architekt, sitzt in seinem gläsernen, postmodernen Büro und denkt zurück an die Vergangenheit. Er denkt an seine fürsorgliche und gutmütige Mutter (Jessica Chastain), an seinen strengen und autoritären, aber liebenden Vater (Brad Pitt) und an seine Brüder. Er wuchs in den 50iger Jahren in einer Kleinstadt in Texas auf. Streng christlich und äußerst totalitär erzogen, begann der kleine Jack (Hunter McCracken) schon sehr früh, Furcht vor seinem Vater zu empfinden. Furcht, die sich immer mehr zu Hass wandelte, je älter Jack wurde, besonders angestachelt von den ersten pubertären Anflügen. Während seine Mutter stets an das Gute im Menschen glaubte und „die Welt mit der Seele sieht“ und diese Tugenden auch an ihre Söhne zu vermitteln versucht, bereitet ihn sein Vater mit Strenge und Disziplin auf die Welt vor, die laut ihm kalt, herzlos und hart ist. Dennoch liebt er seine Kinder von ganzem Herzen, spielt mit ihnen, versucht möglichst viel Zeit mit ihnen zu verbringen. Dass die Kinder jedoch seine Gegenwart offensichtlich nicht besonders schätzen, ist durchaus verständlich. „Vater, Mutter. Ewig ringt ihr in mir. Und nie hört ihr auf.“. Eine Aussage des jungen Jacks, die sehr gut sein Problem erklärt. Hin – und hergerissen zwischen Mutter und Vater, hat Jack zunehmend Probleme damit, sich einzuordnen. Selbst als Erwachsener kennt er nicht seinen Platz in der Welt und im Leben. Er denkt aber nicht nur an den Anfang seines Lebens, sondern geht noch weiter zurück. Er sucht den Anfang der Erde, des Universum, von Allem.

Dabei zeigt Regisseur und Drehbuchautor Terrence Malick die wahre und unberührte Natur, in atemberaubenden Bildern, untermalt mir sakralen Chören und wuchtiger, epochaler Orchestermusik. Bilder von kraftvollen Vulkanausbrüchen, eleganten Polarlichtern oder monumentalen Supernovae, formvollendeten Fischschwärmen im Ozean und von der Nahrungskette während der Jurazeit. Aber auch von intimen Einblicken in das Mikrokosmos der Familie. Während diese unglaublich ästhetischen und harmonischen Bilder gezeigt werden, stellt der Film auch fragen. An Gott, an das Universum, an den Zuschauer selbst: „Wer bin ich?“, „Was bin ich?“, „Warum bin ich hier?“. Diese Fragen verleiten den Zuschauer dazu, über diese nachzudenken, über sich und über sein Umfeld. Der Film schafft es das Publikum nachdenklich zu stimmen, jedoch ergreifen diese Fragen keine Partei und sprechen Atheisten, wie Gläubige gleichermaßen an.

Es ist das Schwanken zwischen der Ehrfurcht vor Gott, der Furcht vor dem Vater und kindlichem Gott-Spielen, wenn Jack Frösche an Raketen bindet oder Scheiben einschlägt. Einmal hat Jack sogar die Macht Gottes über seinen Vater. Er hat die Möglichkeit den Wagenheber zu stupsen und seinen Vater unter dem Fahrzeug zu begraben. Doch Jack lässt Gnade walten. In seinen Augen wahrscheinlich sogar Gnade vor Recht. Jack ist weder „böse“ noch „gut“, er ist ein Kind, auf dem Weg des Erwachsenwerdens, das rumexperimentiert. Er hat weder einen Plan, an den er sich strikt hält, noch lässt er seinen Trieben freien Lauf. Eine Eigenschaft, die laut Malick nicht nur den Menschen vorbehalten ist, sieht man doch im Film eine Szene, in der ein flinker, fleischfressender Raptor einen verletzten und fluchtunfähigen Pflanzenfresser in Frieden lässt. Durch das ganze Herumexperimentieren lernt Jack eines: Individuelle Entscheidungen führen Veränderungen herbei. Veränderungen zum Guten oder zum Schlechten. Doch gibt es Ereignisse, die er nicht kontrollieren kann, die niemand kontrollieren kann. Die Todesnachricht seines Bruders am Anfang des Films, erschüttert die Familie bis in ihre Grundfeste. Als Erwachsener erweckt Jack seinen toten Bruder wieder zum Leben und führt seine ganze Familie an einem schönen Ort wieder zusammen. Er erkennt die Vergänglichkeit des Lebens und die Relativität des Todes.

Die schauspielerischen Leistungen spiegeln das Geschehen im Film wieder. Wunderschön, ästhetisch und gekonnt. Brad Pitt überzeugt in seiner strengen und autoritären Rolle. Gerade in Zusammenspiel mit dem 12-jährigen Hunter McCracken, in dessen Haut man sich problemlos versetzen kann, wirkt Brad Pitt umso bedrohlicher. Andererseits bringt man als Zuschauer dem Vater Verständnis und Toleranz entgegen, schließlich möchte er, dass seine Kinder später ihr eigener Herr werden, sich von niemandem etwas sagen lassen. Konnte er doch selber seine eigenen Träume nicht verwirklichen, weil er „nicht energisch genug“ war. Er liebt seine Kinder aufrichtig und ist sich auch nicht zu schade, anders als andere Väter seines Kalibers, dies zum Ausdruck zu bringen. Jessica Chastain weiß die rührselige, fürsorgliche und gottesfürchtige Mutter perfekt darzustellen, die die Art der Erziehung der Kinder ihres Ehemannes im Stillen erträgt. Die beiden Geschwister Jacks, R.L. und Steve, dargestellt von den jungen Schauspielern Laramie Eppler und Tye Sheridan, liefern für ihr Alter eine exzellente Leistung ab. Dabei fängt der vier Mal oscarnominierte mexikanische Kameramann Emmanuel Lubezki („Ali“, „Sleepy Hollow“), die Bilder der idyllischen Vorstadt und des Chaos in Jacks Familie sehr gut ein. Melancholisch und epochal ist die Musikuntermalung vom ebenfalls vier Mal oscarnominierten französischen Komponisten Alexandre Desplat (zuletzt The King’ s Speech und „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 1“). Vor allem beim Bilderrausch, den Malick erzeugt, bei den Bildern von der Geburt des Universums und kosmischen Weiten, kommt die enorm kraftvolle Musik voll zur Geltung.

Fazit

„The Tree of Life“ ist ein sehr unkonventioneller Film. Sowohl in der Thematik, als auch in der Ausführung. Und wie es bei allen unkonventionellen Dingen nun Mal so ist, wird er mit gemischten Gefühlen aufgenommen werden. Für viele wird die sehr melancholische, erdrückende und fast schon depressive Atmosphäre, den Bilderrausch, gespickt mit Darstellungen der Natur, und die kraftvolle Musikuntermalung sehr prägend wirken. Der Film regt zum Nachdenken über sich selber an, ob man den Eltern auch den gebührenden Respekt und Liebe entgegengebracht hat, über das Universum und über die Existenz eines Gotts. Allerdings kann dieser Blockbuster auch sehr verwirrend wirken. Ich kann mir gut vorstellen, dass viele gerade von der Bilderreihe über die Natur, die den Film bei der Hälfte abrupt unterbricht, verschreckt werden könnten, da dieser Abschnitt gut und gerne mal zwanzig Minuten dauert. Nichtsdestotrotz ist „The Tree of Life“ wieder einmal eine Ode von Malick an die Natur, an die Jugend und an das Leben selbst, der hohe Wellen schlagen wird.

Kritik: Kadir Güngör

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