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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

In das kleine Stadttheater im Norden der DDR verirren sich nur wenige Besucher, denn die altbackenen, lebensfernen Inszenierungen interessieren niemanden, während große Veränderungen in der Luft liegen. Es ist die Spielzeit 1989/90, doch der alte Intendant Walz hat längst resigniert und ist von den neuen gesellschaftlichen Erschütterungen überfordert, während seinem gelangweilten Ensemble jede Motivation fehlt. Frischer Wind kommt mit dem jungen, idealistischen Regisseur Kai Finke ins Spiel, der direkt von der Akademie dem Theater zugeteilt wurde.

Kritik

Andreas Dresen (zuletzt: Gundermann) ist seit bald zwei Jahrzehnten ein Regisseur von Format. Der in der Deutschen Demokratischen Republik aufgewachsene und in Brandenburg lebende Filmemacher stammt aus einer Künstlerfamilie. Sein Vater und späterer Ziehvater waren Theaterregisseure, seine Mutter eine Schauspielerin. Die lebenslange Berührung mit der fabelhaften Welt der darstellenden Künste ist also gegeben. So erscheint es logisch, dass Dresen in seinem ersten Film von eben dieser Theaterwelt inmitten der wohl interessantesten Periode der deutschen Nachkriegszeit erzählt: der deutschen Wiedervereinigung. Dresen, der selbst als Ostdeutscher einigen Stigmata ausgesetzt gewesen sein wird, erzählt von einem Theater in einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern zu Zeiten der Wende.

Zu Beginn wird eine Bühne aufgebaut. Das Set verspricht frühere, scheinbar königliche Tage. Außerhalb des Theaters, in der Realität, durch die Straßen dieses verschlafenen Ortes irrt ein scheinbar Fremder. Zugezogen. Er wird beobachtet. Man hat ja nichts gegen Fremde, aber der Fremde ist nicht von hier. Der westliche Jungregisseur, 26 Jahre alt, Kai Finke (Thorsten Merten, Babylon Berlin), aus’m Westen, kommt voller Hoffnung und großen Plänen, die sich zu jeder Sekunde in seinen großen, runden und blauen Augen widerspiegeln. Natürlich wird er nicht mit offenen Armen empfangen, natürlich gibt es Startschwierigkeiten zwischen den Fronten. Schließlich kommt er in einen Landstricht, der soeben erst seine Heimat verloren hat. Sein Land, seine Form von Realität. Da braucht es nicht einmal Nationalstolz, um zu merken: Wer sein Land von Heute auf Morgen verliert, der verliert auch einen Teil seiner Selbst.

1989 und 1990 war Ganzdeutschland im Umbruch. Der verlorengegangene Teil kehrte wieder zurück - und dass dies von einem durch und durch westlichen Standpunkt formuliert ist, ist mir bewusst. Der zurückkehrende Teil wurde mit Versprechen und oftmals offenen Armen empfangen. Die Umarmungen vergingen, die Erinnerung an das Gefühl löste sich auf, die Versprechen wurden nicht eingehalten. Die Ostdeutschen waren (und sind) auf sich allein gestellt. Jeder kämpfte für sich und seine Lieben. Dresen zeigt dies in Form der Charaktere der Kleinstadt, in die es Kai Finke zieht. Jeder, auf den Finke trifft, versucht ihn auf seine Seite zu ziehen und ihn von sich und seinen Sichtweisen, quasi von seiner subjektive Wahrheit der Situation zu überzeugen. Natürlich sind es verwirrte Menschen, die ebenso wie ihre Eltern ihre Heimat verloren haben. Deutschland im 20. Jahrhundert. Was da der Menschheit zugemutet wurde, das passt teilweise auf keine Kuhhaut.

"Wir müssen weltoffen sein. Wenigstens in der Kunst. Nicht wahr?“

Dresen schafft ein authentisches Bild einer Kleinstadt, in der menschliche Abgründe und Unsicherheiten in Zeiten der Wende ebenso tief untersucht werden, wie die Verantwortung und Charakteristika der Theaterwelt und des Künstlertums. Warten auf Godot heißt das Stück, das Finke in dem Theater mit den lustlosen Schauspielern inszenieren möchte. Das Warten des Wartens wegen, Warten auf Gott möglicherweise, auf Göttlichkeit und das Schöne in der Welt. Das Warten darauf, dass etwas geschieht im Gegensatz zur aktiven Handlung, die ausgeführt wird, damit etwas geschieht. Nichts passiert, wenn man nicht selbst etwas unternimmt. Finke will etwas unternehmen. Teilweise wird er dabei für dumm verkauft. Doch irgendwie beißt er sich durch. Dresen entwirft eine Welt, in der stets etwas Möglich ist. In der die bittere Realität oft lähmend wirkt, in der es aber auch reicht, wenn man nur seinen kleinen Zeh noch etwas bewegen kann.

Fazit

Mit „Stilles Land“ hat Andreas Dresen einen bemerkenswerten Erstlingsfilm inszeniert. Mit wunderbarer Fotografie fängt er das Chaos an einem kleinen Theater ein, das mit einem fremden Regisseur umgehen muss, der sich nicht nur einen Platz in der Gesellschaft, sondern sich auch seinen Respekt als Regisseur erkämpfen muss. Ein wichtiger Film, der seine immense Kraft nicht durch Bombast, unerträgliche Spannung und dergleichen generiert, sondern durch seine Ruhe und Gelassenheit, die das Sehen zu einer fast schon meditativen Erfahrung werden lässt.

Kritik: Levin Günther

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