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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Zwei Teenager verbindet die Liebe zu einer übernatürlichen Fernsehserie, die eines Tages unter mysteriösen Umständen abgesetzt wird.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Ist es möglich, in einem Film über Nostalgie zu reflektieren, ohne letztlich selbst einen nostalgischen Film zu produzieren? In einem Medium, das seit jeher von dem Fernweh nach einer besseren Zeit getränkt ist? Einen der ersten, und zweifelsfrei bedeutendsten, Versuche eines solchen Unternehmens stellt Citizen Kane (1939) dar, ein Film, der, im Gegensatz zu ihm vorausgegangenen revisionistischen Klassikern wie The Birth of a Nation (1915) und Gone with the Wind (1939), die Unwiederbringlichkeit des verlorenen Objekts in den Mittelpunkt rückt. Im digitalen Zeitalter wird das Sentiment Nostalgie indes zusätzlich verkompliziert. Denn durch die fast unumgängliche bildliche Dokumentation unseres Lebens ist es weitaus schwieriger geworden, die Illusion nostalgischer Verklärung zu nähren. Die Leerstellen, die sich in der Rückschau auf unsere Leben zwangsläufig ergeben, sind schmaler geworden, während der Rest uns, durch Chats und Timelines, permanent zurückgespiegelt wird. Insbesondere unter Berücksichtigung dieses Umstandes gewinnt Bertrand Bonellos La Bête noch umso mehr an zeitdiagnostischer und womöglich sogar prophetischer Bedeutung; nicht zuletzt, da sich dieser auch mit den Möglichkeiten der Manipulation von Gefühlen auseinandersetzt.

Auch Jane Schoenbruns mit Spannung erwarteter I Saw the TV Glow nimmt sich dieses Themas an. Folgend auf den bei der Kritik äußerst positiv aufgenommenen We’re All Going to the World’s Fair, der 2021 auf dem virtuellen Sundance Premiere feierte, weckt Schoenbrun in uns zunächst Nostalgie für die Hochzeit des linearen Fernsehens, mit seinen episodischen Fällen und Monstern der Woche und privaten Kassetten-Aufnahmen via VCR. Wie die meisten unserer Obsessionen nimmt auch die des Protagonisten Owen (Justice Smith, Jurassic World: Ein neues Zeitalter, Detective Pikachu) für die Jugendserie „The Pink Opaque“ ihren Ursprung in einer zwischenmenschlichen Anziehung — was in diesem Fall bedeutet: sein Interesse für die ältere Schulkameradin Maddy (Brigette Lundy-Paine, Bombshell), die er eines Abends, fernab vom Trubel des Schulballs der „Void High“, kennenlernt. Die High School der Leere, das ist in diesem Fall auch zweifellos als Verweis auf das Jahr 1996 zu sehen, in der Schoenbruns Geschichte ansetzt. Tatsächlich ist es von einer gewissen Ironie, dass Schoenbrun ausgerechnet die Dekade des Everything Goes, eine vom Geist des vermeintlichen ‘Ende der Geschichte‘ vernebelte Periode, für ein von wahrhaftigen Emotionen geprägtes Ereignis im Leben Owens auswählt: Jener Moment, als er Maddy, versunken in den Episodenguide ihrer Lieblingsserie „The Pink Opaque“, antrifft.

Mit großer Beobachtungsgabe fängt Schoenbrun diese Begegnung zweier ans Autistische bordende, in jedem Fall neurodivergente, Jugendliche ein, die sich, paradoxerweise gerade in Momenten der Sorge um ihre Außenwirkung, sich ihrer selbst nicht bewusst sind. Was in anderen Filmen nur allzu leicht zur Karikatur verkäme, wird hier mit großer Aufrichtigkeit vorgetragen, wunderbar eingefangen von einer Kamera, die sich, mit den Figuren, auf den Boden positioniert, während Owen und Maddy sich, zwischen den Snackautomaten sitzend, im Buch verlieren. Für Owen stellt dieses Aufeinandertreffen eines der einschneidenden Momente seines Lebens dar, dessen Zentrum fortan die gemeinsamen Stunden mit Maddy und „The Pink Opaque“ bilden.

Auf ihren neuen Film angesprochen, führt Schoenbrun aus, dass er*sie hoffe, dass uns I Saw the TV Glow auf eine lautere, poppigere, ja gar explosivere Weise treffe als noch We’re All Going to the World’s Fair, der ja so sehr mit seinem Pandemie-Kontext verknüpft sei; dass es sich bei TV Glow, im Kontrast, beinah um eine Art Coming Out handele. Und doch wäre dies vielleicht ein guter Moment, einen Einwand gegen genau diesen Ansatz vorzubringen. Denn dass World’s Fair, ähnlich zu Bonellos Coma, so untrennbar mit der Pandemie verbunden ist, bedeutet weniger dessen Problem denn dessen Stärke (dies wird insbesondere deutlich, wenn man Olivier AssayasHors du temps zum Vergleich heranzieht, der sich von der Aufgabe, der Lockdown-Zeit eine Form abzutrotzen, hoffnungslos überfordert zeigte). Wenn sich Schoenbrun nun von der digitalen Welt und ihrer Ästhetik abwendet, die sein*ihr Debüt auszeichnete, und sich stattdessen daran macht, in einer zunehmend Dystopischen Welt die Wirkweise von Nostalgie zu dekonstruieren, fällt es schwer, darin nicht einen Rückschritt auszumachen — nicht zuletzt deshalb, weil Schoenbruns Ansatz weniger herausfordert als bestätigt.

Auch formal hat Schoenbrun dem in der Filmgeschichte zuhauf exerzierten Thema des vermeintlich verlorengegangen Objektes ästhetisch wenig Eigenes hinzuzufügen. Dies ist insbesondere im Vergleich zu World’s Fair augenscheinlich, der die Ankunft einer neuen künstlerischen Vision mit distinkter Handschrift dokumentierte. Die Schwarzlichtkreide und das stechende Pink, die die Eingangsszene bestimmen, verweisen nebst dem Best of von (vornehmlich psychedelischen) Lieblingsmusiker*innen des*der Filmemacher*s*in auf die Tonalität, die Schönbrun vorschwebt. Doch so bestechend Schoenbrun die Beziehung zwischen Owen und Maddy eingangs festhält, so wenig originell entwickelt sich das Geschehen in der Folge. Die zu Beginn fallende und im Laufe des Filmes mantraartig wiederholte Maxime — „Woran du nicht denkst, kann dir nicht wehtun“ — kündigt derartig ostentativ eines der zentralen Themen in TV Glow an, dass es schwerfällt, sich weiter für dessen narrative Entfaltung zu interessieren.

Über mehrere Dekaden hinweg begleiten wir Owen dabei, wie sein Leben durch Maddy zunächst einen schwerwiegenden Richtungsanstoß erhält, von dem er sich aber, gewissermaßen, auch nie mehr vollends erholt — ganz, als habe sich im Fundament seines Lebens eine tektonische Verschiebung vollzogen. Die Welt, in die Owen hineinwächst, entwickelt sich unterdessen nicht zwingend zu einer willkommenheißenderen. Sinnbildlich dafür steht, dass das Multiplex-Kino, in dem Owen nach der High-School-Zeit anheuert, im Laufe der Dekaden erst geschlossen und dann zu einem „Fun Center“ umgebaut wird — ein Szenario, das uns sofort an Martin Scorsese denken lässt, der vor einigen Jahren das die Kinosäle blockierende Superheldenkino mit Themenparks verglichen hatte.

Doch je weiter Schoenbrun diese Vision treibt, desto offensichtlicher gerät der Versuch, die der Heteronormativität innewohnende Totalität aufzuzeigen. Denn so argumentativ überzeugend dieser Handlungsstrang, der bisweilen in Lynch-inspirierte Grotesken übergeht, auch anmutet, so erwartbar kommt er daher. Hinzu kommt, dass viele der Entwicklungen in Owens Leben, die Schoenbrun zunehmend abrissartig skizziert, ins Paradigmatische übergehen, wodurch sich der Fokus zunehmend vom Protagonisten entfernt. „There is still time“ ist ein Satz, der gegen Ende wiederholt fällt. Zeit für Owen, aus seiner von den Geistern der Vergangenheit und durch eine normensetzende Gesellschaft bestimmte Welt auszubrechen. Es ist allerdings auch noch viel Zeit für Schoenbrun, auszutarieren, ob er*sie in der Zukunft nicht womöglich wieder zu  experimentelleren Formen zurückkehren möchte. Denn für den Augenblick scheint sich angesichts von TV Glow eine alte Weisheit zu bestätigen: dass unsere Kreativität manchmal genau da überschäumt, wo uns die äußeren Beschränkungen neue Wege auszwingen.

Fazit

Mit dem A24-produzierten I Saw the TV Glow dürfte Jane Schoenbrun kommerziell in neue Sphären vorstoßen. Das wohl auch durch das erstmals vorhandene Budget und die Studiozusammenarbeit genährte Bemühen darum, ein stringentes Narrativ zu entwickeln, schnürt Schoenbruns kreativem Geist indes über weite Strecken die Luft ab. 

Kritik: Patrick Fey

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