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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Die beiden Schulfreunde Keita, Shiro (gespielt von Sono selbst) und dessen Schwester Katako leben gefühlt als einzige in ihrer kleinen Stadt. All ihre Freunde sind bereits aufgebrochen, um zu studieren und ihrem Leben nachzugehen. Nur Keita und Shiro wurden abgelehnt, was deren Leben ordentlich durchrüttelt. Während Keita deshalb ordentlich büffeln soll, möchte Shiro am liebsten den kleinen Film beenden, den er und sein Freund angefangen haben.

Kritik

Shion Sono dürfte Filmliebhabern, die auch gerne mal gen Fernost reisen, durchaus ein Begriff sein. Mit seinem 2001 erschienenen Film „Suicide Circle“ machte der extreme Filmemacher (was sich auf die Inhalte seiner bezieht, sowie auf seinen unglaublichen Output - so hat der Herr allein 2015 fast zwei Handvoll Filme gedreht)) erstmals weltweit auf sich aufmerksam. Seitdem hat Sono recht regelmäßig Filme veröffentlicht, die Aufsehen erregen und auch gerne mal die Masse spalten. Während seine neueren Werke eigentlich stets mit einer riesigen Menge an grafischer Gewalt das Publikum forderten. Gewalt in allen Farben und Formen, wenn man einmal „Tokyo Tribe“ oder „Why Don’t You Play In Hell?!“ bedenkt. So mag es für diejenigen, die Sonos Werk kennen, zunächst einmal seltsam klingen, wenn man nun sagt, dass Sonos Debütfilm „Bicycle Sighs“ ein komplett blutfreier Film über deprimierte Jugendliche und ihre Beziehung zu ihrem Heimatkaff. Doch denkt man weiter nach, werden mehr und mehr Parallelen zu Sonos aktuellem Werk deutlich auffallen.

Shion Sono war bei seinem Debütfilm 27 Jahre alt und das ist durchaus überraschend. So sieht der Herr, der hier eine der Hauptrollen spielt, deutlich jünger aus. Auf der anderen Seite zeugt „Bicycle Sighs“ bereits von einer großen Filmkenntnis, was das Alter Sonos verständlich werden lässt. Der Titel des Films erinnert dabei nicht zufällig an den Klassiker des italienischen Neorealismus „Bicycle Thieves“, zu deutsch „Fahrraddiebe“, von Vittorio de Sica. Überaus deutlich sind hier teilweise die Anleihen, die Sono sich herausnimmt. Denn sein Film, dessen deutscher Titel noch weiter an Poesie „Fahrradseufzer“ hinzugewinnt, erinnert in seiner Ausgangsposition an einen weiteren Film aus der spannenden Zeit des italienischen Kinos: An „Die Müßiggänger“ von Federico Fellini nämlich. So beschäftigen sich beide Werke mit jungen Erwachsenen, denen es nicht gelingen will, in der Welt Fuß zu fassen. Doch während Fellinis Film zu jeder Zeit auf dem Boden bleibt, driftet Sono immer wieder in surreale Gebiete ab und verlässt damit alsbald jeglichen Realismus.

Die Protagonisten des Films, namentlich Shiro, Katako und Keita, scheinen die einzigen aus ihrem Dunstkreis zu sein, denen es nicht gelungen ist, einen Platz an einer Universität zu bekommen. Die einzigen, die noch zuhause wohnen, in dieser ansonsten recht leeren Stadt. Die einzigen, die immer noch im Park Baseball spielen, während alle anderen aufgebrochen sind, um ein Leben zu führen. Die drei Jugendlichen haben es schwer mit sich selbst, mit ihrer Antriebslosigkeit und dem ersten großen Scheitern, das man eben in der Adoleszenz erlebt. Vor allem aber haben sie es schwer, mit dem, was nach dem Scheitern kommt. Die Niederlage ist mitnichten das Ende einer Angelegenheit, sondern viel mehr ein retardierendes Moment. Eine Brücke zum nächsten Höhepunkt, oder, wie hier, zur nächsten Katastrophe. Shiro, Katako und Keita stecken im ewigen Trott fest. Sie strampeln auf ein und derselben Stelle, wackeln müde herum, kommen aber nie aus dem kräftezehrenden Treibsand heraus, der ihre Heimatstadt ist. Das geht so weit, bis sich jemand irgendwann vor dem Abgrund wieder findet. Um Gleichgewicht ringend, seinen eigenen Namen schreiend, in der Hoffnung sich selbst Glauben schenken zu können, dass er existiert.

Immer wieder unterbricht Sono die Handlung des Films, um sich Zeit für ein Film-im-Film-Segment zu nehmen. Die beiden Freunde Shiro und Keita haben nämlich während ihrer Schulzeit einen Film zu drehen begonnen. Während der eine sich aber gefälligst anzustrengen hat, doch noch auf eine Uni zu kommen, will der andere unbedingt den Film beenden. Immer wieder sieht man so Ausschnitte des Werkes und anderer Aufnahmen, die die beiden jungen Männer eingefangen haben. Und immer wieder sagen diese Teile des großen Ganzen mehr als jede Dialogzeile. So baut Sono ein interessantes Verhältnis zwischen Film-im-Film, „Bicycle Sighs“ und auch Sonos eigenem Leben auf; die Elemente kommentieren sich gegenseitig, fangen das nicht erklärbare auf, lassen den Zauber des Vergangenen aufleben. Der eingerostete Spielplatz, auf dem die beiden sonst immer Baseball spielen, wird in ihrem Filmprojekt zum Hauptquartier futuristischer Bösewichte. Bösewichte, die mit ihrer Superwaffe Menschen verschwinden lassen können und einen großen Bogen zwischen der Kindheit und der unheimlichen, weil ungewissen Zukunft spannen.

Es gibt Sachen, die sich nicht übersetzen lassen. Das „Bild“ und „vorstellen“ sind im Englischen zum Beispiel viel dichter beisammen, als in der deutschen Sprache: image und imagine. Als deutsches Pendant könnte man hier „Bild" und „einbilden“ hervorbringen, doch suggeriert die Einbildung doch eher einen Trug, eine Lüge, oder eben eine modellierte Wahrheit. Ob man einen Film, oder eben diesen Film, eher als 24 Lügen pro Sekunde oder 24 Wahrheiten pro Sekunde ansehen möchte, liegt bei jedem Rezipienten selbst. Aber wahrscheinlich ist unbedeutend, für welche Variante man sich entscheidet, „Bicycle Sighs“ bleibt gleichermaßen melancholisch und still. Es bleibt ein Film über unzufriedene, unverstandene und orientierungslose Jugendliche und das ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch Sonos Filmografie zieht; von „Suicide Circle“ über „Love Exposure“ bis hin zu „Tag“. Vielleicht liegt darin ja auch der Schlüssel; darin, dass man mehr Zeit mit der Suche nach dem Schlüssel verbringt, als mit dem Aufschließen der Türe.

Fazit

Shion Sonos Debütfilm „Bicycle Sighs“, mit Sono in der Hauptrolle, ist ein deutliches Low-Budget-Werk. Der Film sieht klar nach einem Studentenwerk aus, aber zeigt es gleichzeitig das Werk eines Studenten, der eine Zukunft im Metier haben wird. Überaus deutlich werden Sonos visuelles Gespür und sein Hang zum Surrealen. Dabei mag es Sono nicht gelingen, die vollen neunzig Minuten restlos sinnvoll zu füllen. Neben Momenten beachtlicher Klasse reihen sich gar mehrere Abschnitte ein, die irgendwie ziellos versanden. Und dennoch: „Fahrradseufzer“ ist nicht nur ein Film für jene, die alle Filme Sonos schauen wollen. Es ist tatsächlich ein Film, der eine Perspektive einnimmt, die Sonos Werk ein Stück weit verständlicher macht und ein Film, der auch ohne Vorwissen funktionieren kann.

Kritik: Levin Günther

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