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"M - Eine Stadt sucht einen Mörder" - Mini-Serie - Kritik

Souli

Von Souli in "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" - Mini-Serie - Kritik

"M - Eine Stadt sucht einen Mörder" - Mini-Serie - Kritik Bildnachweis: © TVNOW | Szene aus "M - Eine Stadt sucht einen Mörder"

Kritik

„Niemand macht die Welt grausamer, als jene, die beschließen, für immer Kind zu bleiben.“

Der aufsteigende Luftballon, das fröstelnde Pfeifen der Melodie aus Edvard Griegs Peer-Gynt-Suite, die Schlagschatten, die sich über die Häuserfronten Berlins erstrecken. Natürlich weiß jeder, um welchen Film es sich handelt. Und natürlich weiß man auch, dass es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist, dem gleichermaßen weichenstellenden wie stilprägenden Klassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder von Fritz Lang (Metropolis) in Form einer Neuauflage gerecht zu werden. Der Österreicher David Schalko (Braunschlag) hat es dennoch gewagt – und das Ergebnis ist ein echtes Husarenstück innerhalb des deutschsprachigen Mini-Serien-Kosmos. So irritierend wie faszinierend versucht sich der Autorenfilmer daran, dem meisterhaften Original mit Zitaten Tribut zu zollen, übersetzt den Meilenstein aus dem Jahre 1931 aber so wagemutig und tollkühn in die Gegenwart, dass es einem zuweilen die Sprache verschlägt. 

Die Serienadaption von M – Eine Stadt sucht einen Mörder ist nicht mehr in der bundesdeutschen Hauptstadt ansiedelt, sondern im winterlichen Wien, dem unter dem stetig rieselnden Schneeflocken allmählich jedewedes Kolorit verloren gegangen scheint. Nur selten, dann aber methodisch, setzt Schalko auf prägnante Kontraste, die sich in der Wahrnehmung des Zuschauers wie alarmierende Warnsignale manifestieren: Es ist das Rot einer Kinderjacke, das Rot eines Lederballs, das Rot der Perrücke eines Clown-Schminke. Schnell wird deutlich, dass sich die Serie nicht nur in Bezug auf seine Farbdramaturgie auch formal verständigen möchte, um in erster Linie über die Oberfläche, das Äußere, den Anschein der Fotografien von einem gesellschaftlichen Klima zu berichten, dessen wahrer Horror noch im Argen zu liegen scheint. Die Ahnung ist da – und manchmal scheint sie blitzartig auf.

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In Fritz Langs M – Eine Stadt sucht einen Mörder waren es die Endzüge der Weimarer Republik, die Deutschland in eine Zeit entließ, die den wahren Schrecken zwar unterschwellig schon fühlen konnte, sich im Extrem der nationalsozialistischen Machtergreifung jedoch niemals hätte ausmalen können. Der Film besaß im Hinblick seiner gesellschaftspolitischen Prägung fast schon prophetische Bewandtnis. David Schalko knüpft dort an, sicherlich nicht auf dem Niveau der atmosphärischen Beklemmung des Vorgängers, aber auch seine M-Vision ist eine von hochpolitischer Tagesakualität, spielt sich seine Serie der Kindermorde doch nicht nur vor der Flüchtlingskrise ab, sondern verwebt sich mit der rechtskonservativen Agenda des Innenministers (Dominik Maringer, Ode an die Freude), der die aufkeimende Paranoia im Herzen der Bevölkerung zu seinen Gunsten instrumentalisieren will. Angst ist der Treibstoff, der den Rechtsruck befeuert („Kinderschutz statt Ausländerschmutz“).

Die Dinge geraten in diesem Wien von heute nicht nur ins Wanken, sie sind drauf und dran, die Grundpfeiler der demokratischen Ordnung zu zersetzen. M – Eine Stadt sucht einen Mörder befasst sich in sechs Episoden ausgiebig damit, wie Verbrechen und Polizeiapparat Hand in Hand gehen; wie der Paranoia zum teuflischen Unterstützer politischer Verdammnis wird – und wie sich Panik in selbstgerechte Gewalt umwandeln kann. Ein Sturm zieht auf, und wie die letzte Folge sehr deutlich macht, haben wir alle dafür den nötigen Wind dafür gesät. Man muss sich allerdings ein Stück weit darauf einstellen, dass M – Eine Stadt sucht einen Mörder nicht nach herkömmlichen Unterhaltungsstrategien funktioniert. Nicht nur, weil das Thema von Natur aus ein komplexes ist, sondern weil Schalko auf einen Stilwillen baut, der das politisierten Kriminalnarrativ in ein bisweilen prätentiöses Theater der Eitelkeiten erhebt.

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Die Charaktere, prominent besetzt mit Namen wie Lars Eidinger (Personal Shopper), Moritz Bleibtreu (Abgeschnitten), Udo Kier (Suspiria) oder Sophie Rois (Duell – Enemy at the Gates), funktionieren nicht als greifbare Charaktere, sondern sind Karikaturen im Brennglas der Gegenwart. Ihre Dialoge sind blechern, ihre Handlung fast schon überhöht theatralisch, ihre Lebenswelt oftmals artifiziell. Nicht selten wirkt es so, als würde man M – Eine Stadt sucht einen Mörder wie ein Kunstobjekt durch eine Fensterscheibe betrachten, was der Serie eine eigenwillige, fast schon satirische Dimension einräumt, die den Mut besizt, auf tonale Unebenmäßigkeiten zu bestehen. Denn trotz des surrealen und extravaganten Wesens, mit dem Schalko sich hier artikuliert, bleibt die Serie ein düsterer Kommentar; ein Zeitdokument und Geistertanz, in dem letztlich ausgehandelt wird, wie viel Freiheit wir bereit sind einzubüßen, um uns sicher zu fühlen. 

Fazit

Was David Schalko mit seiner Neuinterpretation von Fritz Langs Klassiker "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" abliefert, ist schon absonderlich. Ein prätentiöses Kunstprojekt, welches stilistisch so überhöht ist, dass es als satirische Annäherung an den Quellstoff durchaus funktioniert. Die tonalen Unebenmäßigkeiten machen die Mini-Serie interessant und mutig – sorgen letztlich aber auch dafür, dass man sie mühelos verreißen kann. Als düsterer Gegenwartskommentar bleibt sich "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" der bitteren Grundtaktung des Originals jedoch treu. Die Antwort darauf, wie viel Freiheit wir bereit sind einzubüßen, um ein Gefühl von Sicherheit herzustellen, ist auch hier eine ungemein bittere. Vor allem, weil sie erst der Anfang ist.

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