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Black Mirror - Staffel 3 - Kritik

MrDepad

Von MrDepad in Black Mirror - Staffel 3 - Kritik

Black Mirror - Staffel 3 - Kritik Bildnachweis: © Netflix

Story

In sechs neuen Episoden ergründet die Serie ein weiteres Mal die Wechselwirkungen sowie Abhängigkeiten zwischen Mensch und Technologie und ergründet dystopische Gedankenspiele, in denen Konzepte in erschreckender Konsequenz weitergedacht werden.

Kritik

Nach nur wenigen Minuten ist es wieder da, das vertraute Black Mirror-Gefühl, welches über bisher zwei außergewöhnliche, überraschende, einfallsreiche, bewegende oder auch beängstigende Staffeln hinweg kreiert wurde. Drei Jahre lang mussten Fans, abgesehen von einem gelungenen Weihnachtsspecial, auf neue Folgen der dystopisch-prophetischen Science-Fiction-Serie warten, in der das Verhältnis zwischen Mensch und Technologie eine wesentliche Rolle spielt, doch mit dem Wechsel von Channel 4 zu Netflix hat sich einiges getan. Statt den üblichen drei Episoden wurde die Anzahl großzügig verdoppelt, während die Drehorte unter anderem auch in die USA verlegt wurden und einige namhafte Regisseure verpflichtet werden konnten. 

Am inhaltlichen Konzept hat sich dagegen wenig verändert, wie die erste Episode direkt eindrucksvoll unter Beweis stellt. Regisseur Joe Wright (Wer ist Hanna?) entwirft eine süßlich strahlende Vorstadtidylle, in der sämtliche Oberflächlichkeiten, die man von all den künstlich strahlenden Gesichtern der "Instagram"-Fotos kennt, auf den realen Menschen übergegangen sind. In Abgestürzt wird jede zwischenmenschliche Begegnung einem Bewertungssystem unterworfen, bei dem jede Geste, jeder Gesichtsausdruck und jeder gesprochene Satz von entscheidender Bedeutung ist, um auf der Skala mit möglichst vielen Sternen belohnt zu werden. Wer einen Punkteschnitt von vier Sternen oder höher vorweisen kann, darf sich ruhigen Gewissens zu denjenigen zählen, die gesellschaftlich akzeptiert bis geschätzt werden. Bei wem die Skala hingegen weniger als drei Sterne anzeigt, der kommt einem missachteten Außenseiter gleich. 

Auf erschreckende Weise, die bisweilen aufgrund der Übersättigung an falscher Etikette und maßlos überzogen einstudierter Höflichkeit in bewusst anstrengende Regionen abdriftet, verfolgt die Episode den Weg der Hauptfigur, die von Bryce Dallas Howard (Apollo 13) gespielt wird und eine Wertung von mindestens 4.5 erlangen will, damit sie einen dringend benötigten Rabatt für den Kauf ihres Traumhauses erhält. Abgestürzt entpuppt sich als gelungener Auftakt, bei dem die klare Linie des bissigen Konzepts lange Zeit durchgezogen wird, bis es zum unvermeidlichen Zusammenbruch der bemüht aufrecht erhaltenen Fassade kommt. Nach dem titelgebenden Absturz mündet die Episode nach einer regelrechten Odyssee von Rückschlägen in einem furiosen Schlussakt, bei dem es selten so befreiend war, dass sich zwei Menschen in heftigster Manier ganze Kaskaden von Schimpfwörtern entgegen schleudern. 

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Während die erste Episode gerade wegen der scheußlich glatten, zuckersüßen Oberfläche, unter der sich tiefste Abgründe und Traumata verbargen, Untertöne des charakterlichen Horrors versteckte, wird dieser in Erlebnishunger furchterregende Wirklichkeit. Die zweite Episode kann als große Liebeserklärung an das Horror-Genre aufgefasst werden, in der Drehbuchautor Charlie Brooker (Dead Set) erschreckende Visionen der momentan aufkommenden Veränderungen im Videospiel-Sektor mit einem Spukhaus-Szenario kombiniert, in dem persönliche, tief sitzende Gefühle eine große Rolle spielen. Hauptfigur Cooper, der durch die Welt reist, weil er den Tod seines Vaters und gleichzeitig besten Freundes noch nicht verarbeitet hat und sich daneben unfähig fühlt, mit seiner Mutter zu sprechen, stellt sich aufgrund von Geldnot als Testperson zur Verfügung, die an einer innovativen Spielentwicklung teilnimmt. Mithilfe einer speziellen Augmented-Reality-Technologie soll er dabei an die Grenzen der Belastung geführt werden. 

Sobald Cooper in einem leerstehenden, alten Haus alleine gelassen wird und nur über einen Knopf im Ohr mit der Leiterin des Tests in Kontakt steht, entwickelt sich Erlebnishunger zu einem verspielten Horror-Trip, in dem sich künstlich erschaffene Projektionen und reale Ängste in einen bald schon unüberschaubaren Strudel des puren Terrors verwandeln. Eine wahre Spielwiese für Regisseur Dan Trachtenberg, der bereits mit 10 Cloverfield Lane zeigte, dass er klaustrophobische Beklemmung und paranoide Schreckensszenarien gekonnt in Szene setzen kann, wobei es am Ende wieder einmal an Brooker liegt, der wie gewohnt nicht davor zurückschreckt, emotionale Tragik in zynische Boshaftigkeit kippen zu lassen. Ein Tonfall, der sich unmittelbar auf die nächste Episode übertragt, welche neben Böse Neue Welt als bislang nihilistischste, niederschmetterndste Erfahrung der gesamten Serie gelten darf. 

Mach, was wir sagen stellt einen 19-Jährigen in den Fokus des Geschehens, der vor der Webcam dem nachgeht, was jeder andere junge Mann seines Alters regelmäßig vor dem Bildschirm so treibt. Da sein Laptop allerdings von einem mysteriösen Programm zur Reinigung von Malware gehackt und er beim Masturbieren gefilmt wurde, gerät der sensible, schüchterne Kenny in ein Erpressungskomplott, bei dem ihm eine unbekannte Partei wie einen Botenjungen durch die Stadt schickt. Falls Kenny die Aufgaben nicht erfüllt oder vorgegebene Zeitvorgaben überschreitet, wird das brisante Video an jeden Kontakt aus Kennys Freundes- sowie Bekanntenkreis gesendet. Regisseur James Watkins (Die Frau in Schwarz), der zuletzt Idris Elba (Beasts of No Nation) und Richard Madden (Cinderella) in einem atemlosen Parforceritt durch Paris auf Terroristenjagd schickte, inszeniert die dritte Episode als schnittigen Thriller, der die etwas schlichte Botschaft der Geschichte in eine gehetzte Schnitzeljagd verpackt. Mach, was wir sagen schwingt sich kontinuierlich in immer stärkere Eskalationen, bis die Episode in einem Ende gipfelt, dessen finale Enthüllung einem Schock gleichkommt, bei dem durchaus berechtigte Zweifel an der Motivation von Kenny mit einem schmerzhaften Faustschlag revidiert werden, nach dem nur noch Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung übrig bleiben. 

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Wenn es etwas gibt, was bei der dritten Staffel der Serie besonders zur Geltung kommt, dann ist es die tonale Wandlungsfähigkeit. Nachdem die beiden vorangegangenen Episoden den Zuschauer förmlich am Boden aufschlagen ließen, ist San Junipero der emotional überwältigende Höhepunkt dieser Staffel. Zunächst wirkt alles wie ein irritierender Rückschritt, bei dem Brooker die Handlung ins Jahr 1987 verlegt, wo sich zwei Frauen in der schillernden Partystadt zwischen pulsierenden Neon-Lichtern und fetzigen Disco-Krachern kennen sowie lieben lernen und plötzlich voneinander getrennt werden. Nach ungefähr der Hälfte der Laufzeit, wenn sich das Konzept nach und nach erschließt, wächst die vierte Episode zu einem Wirbelwind der Gefühle, bei dem existenzielle, komplexe Fragestellungen mit zwei Figuren in Verbindung gebracht werden, deren Schicksale irgendwann zu Tränen rühren. Genauso, wie sich Yorkie und Kelly an ihre begrenzte Zeit des futuristisch entworfenen Konzepts klammern, klammert man sich als Zuschauer an jede kostbare Minute dieser Episode, die man gar nicht mehr loslassen will und die einem doch so schnell zwischen den Fingern entrinnt. San Junipero ist vermutlich die beste Black Mirror-Episode, die jemals geschaffen wurde. 

Im Gegensatz dazu wirkt die fünfte Episode etwas ernüchternder. Männer aus Stahl schildert ein Konzept der zukünftigen Kriegsführung, bei dem fortgeschrittene Technologien dazu führen, dass Soldaten nur noch Marionetten sind, die sich durch Manipulation beliebig steuern lassen. Auch wenn sich die Episode politisch betrachtet am Puls der Zeit bewegt, wenn Brooker das drastische Verfahren mit als Abschaum gebrandmarkten und zum Abschuss freigegeben Schwächeren der Gesellschaft in ein delirierendes Setting hüllt, hat er seiner Aussage, die aus der subjektiven Perspektive eines Soldaten, der langsam hinter das ganze Ausmaß des Wahnsinns kommt, gezeigt wird, über die gesamte Länge nur wenig hinzuzufügen. Männer aus Stahl ist daher ein bedrückendes Gedankenspiel, das etwas zu einseitig gestreckt wird und weitläufigere Erkenntnisse vermissen lässt. 

Für den Abschluss der dritten Staffel, der mit gut 90 Minuten die bis dato längste Episode der bisherigen Serie darstellt, hat sich Brooker von skandinavischen Noir-Krimi-Serien wie Borgen inspirieren lassen. In der sechsten Episode untersucht eine Ermittlerin den Tod einer provokanten Journalistin, die sich laut Angaben ihres Mannes selbst die Kehle durchschnitt. Zuvor wurde die Frau, die in einer Kolumne den Suizid einer im Rollstuhl sitzenden Aktivistin verhöhnte, Opfer von Todesdrohungen, die alle unter dem gleichen Hashtag gepostet wurden. Von allen gehasst erzeugt einen atmosphärisch gewaltigen Sog, in dem sich die schrägen, gänsehauterzeugenden Klänge des Scores, der ganz offensichtlich an Mica Levis Musik für Under the Skin angelehnt ist, das befremdliche Surren sonderbarer Bienen-Drohnen und das ständige Fluchen von Hauptdarstellerin Kelly Macdonald (Anna Karenina) in unvergleichlich trotziger, schottischer Stimmlage zu einem apokalyptisch-pessimistischen Stimmungsbild vereinen.

Fazit

Nach dieser Staffel ist die Erkenntnis gewiss, dass Showrunner Charlie Brooker auch mit dem Wechsel zu einem neuen Sender, der die Episodenanzahl direkt verdoppelte und jede Folge mit einer längeren Laufzeit ausstatte, kaum an Kreativität eingebüßt hat. "Black Mirror" besticht und überrascht in der dritten Staffel vor allem durch die tonale Vielschichtigkeit, bei der sich bittere Gesellschaftskritik, ein pessimistischer Blick in die nahe Zukunft, bissige Satire, zynische Pointen aber auch zutiefst emotionale, zu Tränen rührende Einzelschicksale miteinander abwechseln. Nicht jede Episode ist dabei auf einem gleich hohen Niveau, doch vor allem San Junipero, die vierte Episode, dürfte das beste sein, was die Serie jemals hervorgebracht hat. Auf die vierte Staffel, die 2017 folgen wird, darf man sich also jetzt schon uneingeschränkt freuen.

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