Inhalt
Emily widersetzt sich ihrem Vater und reist mit ihrer Tochter Sophia nach Tunesien, um sich mit ihrem entfremdeten Ehemann zu versöhnen. Als Sophia spurlos verschwindet, wird die Familie von Lügen und Täuschungen umgeben, während Emily verzweifelt nach ihrem vermissten Kind sucht.
Kritik
Wenn es einen Preis für Konventionalität im Krimi-Kino gäbe, hätte Dhafer L’Abidines generische Kidnapping-Thriller den praktisch sicher. Der dritte Spielfilm, bei dem der tunesische Schauspieler auch als Drehbuchautor und Regisseur hinter der Kamera tätig ist, bedient routiniert sämtliche Stereotypen der unvergänglichen Story-Blaupause. Ein rauer Typ (mit eingespielter Steinmiene verkörpert von Regisseur L’Abidine), der gerade in einer privaten Krise steckt, muss seine kleine Tochter aus den Fängen skrupelloser Entführer retten, um sich seiner attraktiven Ex-Partnerin als fähiger Vater und Beschützer zu beweisen.
Als seine wohlhabende Baby Mama Emily (Jessica Brown Findlay, Downton Abbey: Das große Finale) zu Besuch nach Tunis kommt, damit Hicham seine Tochter und Titelfigur besser kennenlernen kann, ist das seine langersehnte Chance, das heteronormative Familienideal zu erreichen. Doch als er Sophia kurz aus den Augen lässt, ist sie plötzlich verschwunden. Emily ist verzweifelt und die orale Polizei keine Hilfe. Als er selbst ins Visier der Ermittler gerät, hat Kampfsport-Trainer Hicham nur eine Option: Sophia selbst retten und seine Unschuld beweisen.
Die Frage, ob ihm das gelingt, ist müßig. Die glatt inszenierte Handlung hakt sämtliche Klischees ab und folgt dramaturgisch einer breit ausgetretenen Bahn. Entsprechend konservativ bis regressiv sind die Charaktere und Werte, die zementiert werden. Frauen sind hilflos; Gewalt, ob institutionelle oder individuell, ist legitim; die Familie geht über alles. Zu diesem simplizistischen Szenario passen die eindimensionalen Figuren, die bis auf den rauen Protagonisten kaum mehr als Statisten sind. Trotz des flotten Tempos dehnt sich das ganze mit fast zwei Stunden ermüdend aus.
Fazit
Mit einer strafferen Struktur und einem Minimum an psychologischem Schliff könnte Dhafer L’Abidines dritte Regiearbeit als solides Leinwand-Werk durchgehen. Doch trotz der polierten Optik machen der ermüdend vorhersehbare Plot und die paierdünnen Dialoge das überlange Krimi-Drama so spannend wie ein ausgefülltes Kreuzworträtsel. Das mechanische Schauspiel entspricht den leblosen Figuren, die keinerlei Anteilnahme wecken. Weder Action noch Stunts kompensieren den Mangel an Logik und Substanz, die unnötige Nebenstränge zusätzlich verwässern. Austauschbare TV-Ästhetik lässt den schematischen Selbstjustiz-Streifen schneller vergessen als er dauert.
Autor: Lida Bach