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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Vier völlig unterschiedliche Gefängnisinsassen – ein Falschspieler, eine Hure, ein geisteskranker Totengräber und ein versoffener Dieb – entkommen der Lynchjustiz und flüchten gemeinsam durch die Wüste. Dort lernen sie den gerissenen Fährtenleser Chaco kennen, der ihnen zunächst mit seinen Schießkünsten nützlich ist, sie jedoch anschließend unter Drogen setzt, misshandelt und zum Sterben zurücklässt…

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Der Western – sei es das klassische US- oder das europäische Spaghetti-Modell – zählt nicht unbedingt zu den kreativsten und abwechslungsreichsten Filmgenres, was der Qualität im Einzelfall selten schadete. Oftmals sind es eben mehr oder weniger die gleichen Geschichten, Stereotypen und Mechanismen, die wie bei so vielen anderen Genres auch die Erwartungen erfüllen und ein Stückweit auch gezwungen bedienen. Wenn dann mal ein Film deutlich aus der Reihe tanzt, macht es ihn unweigerlich sowohl interessant wie angreifbar; Polarisieren unausweichlich. Verdammt zu leben – Verdammt zu sterben von dem besonders durch seine Horrorfilme berühmt und berüchtigt gewordenen Lucio Fulci (Ein Zombie hing am Glockenseil) riskiert ziemlich viel, indem er die in ihn höchstwahrscheinlich allgemein gesetzte Erwartungshaltung mehrfach absichtlich unterwandert und sich als wenig konservativ gebräuchlicher Hybrid aus brachialem Italo-Western und urplötzlich komplett entschleunigtem Drama erweist, der letztlich eine spirituelle, psychedelisch-meditativ angehauchte Gesellschafts-Parabel über seinen Entstehungszeitraum und sein fiktives Entstehungsland ist.

Im Wilden Westen - dem US-amerikanischsten Setting überhaupt, zumindest für Außenstehende (so wie Lederhose, Gamsbart und Sauerkraut angeblich referenziell für das deutsche Bild im Rest der Welt ist) – entgeht ein zufällig im Kittchen zusammengewürfeltes Quartett gerade so dem Frühjahrsputz anständiger, gesetzestreuer Bürger. Um Moral und Anstand wieder herzustellen massakriert, hängt und exekutiert ein maskierter Mob in der Nacht der langen Messer alles was nicht ihren doppelmoralischen Vorstellungen entspricht. Da können der gerissene Falschspieler Stubby (Fabio Testi, Nachtblende), die schwangere Hure Bunny (Lynne Frederick, Phase IV), der versoffene Unruhestifter Clem (Michael J. Pollard,Haus der 1000 Leichen) und der geistesgestörte „Geisterflüsterer“ Bud (Harry Baird, The Italien Job - Charlie staubt Millionen ab) von Glück reden, das der an dem Treiben (bzw. an dessen Verhinderung) desinteressiert Sheriff sie gerade mehr oder weniger in Schutzhaft genommen hatte. Am Morgen danach werden sie auf freien Fuß gesetzt und begeben sich auf eine sonderbare Odyssee, die sie mit hoffnungsvoll-naiven Siedlern, einem sadistischen Psychopathen und einer rein maskulinen Lebensgemeinschaft zusammenführt. All diese Begegnungen sind von schicksalhaftem Ausmaß und liefern eine übertragbare, erstaunlich aktuelle Bestandsaufnahme über die USA Mitte der (19)70er Jahre.

Beginnend mit einem rücksichtslosen Massaker im Sinne von Moral und Recht scheint tatsächlich eine Allegorie über das längst traumatische Problem Vietnam, eskalierende Polizei/Staatsgewalt und die damit einhergehende Spaltung einer Nation angepeilt zu sein. Der Gesetzeshüter, der nicht aktiv eingreift um das Morden zu verhindern, aber im Vorfeld den ihm sympathischen Stubby vorsorglich wegsperrt, entspricht dem politisch nicht direkt progressiven, im Geheimen aber dennoch Stellung besitzenden (wenn auch nicht direkt beziehenden) Bürger aus einer verantwortungsvollen Position, der aber auch mit Blick auf seinen Status letztlich zu feige ist, um sich breitschultrig für das Richtige einzusetzen. In der Folge irren die vier apokalyptischen Reiter (worauf sich der Originaltitel I quattro dell'apocalisse bezieht) als Ausgestoßene durch ein Land, das (im Moment) genauso orientierungslos ist wie sie selbst. Unentschlossen und deshalb leicht in die ein oder andere Richtung, sogar in das ein oder andere Extrem zu beeinflussen.

Ihre Begegnung mit gottesfürchtigen, unerschütterlich an das Gute und Gütige glaubende Immigranten aus der Schweiz gibt auch den gefallenen Vier wieder etwas Glauben an die Menschheit und nicht zuletzt auch an sich selbst, bis sie dem absoluten Gegenstück zu alledem über dem Weg laufen: Chaco (Tomás Milián, Die Gewalt bin ich), eine Kreatur wie aus direkt aus der Hölle gespuckt. Zunächst erschleicht er sich durch sein bestimmtes, aber irgendwo fürsorgliches, charismatisches und freundliches Auftreten das Vertrauen der Gruppe, bevor seine pechschwarze Seele ihre sadistischen Gelüste mit Wonne auslebt. Gefüttert mit Peyote, erniedrigt, gequält und vergewaltigt sind sie ihm ausgeliefert. Wohl nicht zufällig wirkt die Figur (von Milián beängstigend leidenschaftlich ausgelebt) wie eine Interpretation von Charles Manson, sowohl optisch, von seinem Taktil wie seinem gesamten Gebaren. Auch stellvertretend für das Ende der Ideale der 68er-Generation, dem gescheiterten Traum vom Liebe und Freiheit, dargestellt als pervertierter Auswuchs dessen. Eine Mutation im schlimmsten Ausmaß, unkontrollierbar, skrupellos und alles vernichtend.

Nun könnte eigentlich ein typischer Rache-Western folgen, Fulci wäre voll in seinem Element und wahrscheinlich würde sein Film wenigstens bei der breiten Masse wesentlich besser ankommen, da er nun wieder gewisse Konventionen erfüllen würde. Stattdessen verschwindet das Objekt der Vergeltungs-Begierde von der Bildfläche und Verdammt zu leben – Verdammt zu sterben wandelt sich sehr überraschend zum langsam erzählten Melodram und tragischen Romanze. Die einerseits Bezüge zum neuen Testament nimmt (auch wenn lange nicht so aufdringlich wie z.B. in Keoma – Das Lied des Todes), wenn sich die schwangere Hure an ihren neuen Gefährten und Seelenretter bindet und ihr Kind am Ende gar der Hoffnungsschimmer (um nicht zu sagen Stern) am Horizont einer eigentlich in sich geschlossenen, allem Fremden abgrenzend gegenübertretenden Kommune wird. Andererseits immer noch seinen aktuellen Zeitbezug im Auge behält, etwa wenn der geisteskranke (und natürlich schwarze) Bud nicht mehr dem Rückweg aus seiner Psychose findet, die seinem jahrelangen Umgang mit dem Tod geschuldet ist und irgendwann selbst zu einer Art Geist wird. Und schon wieder lässt das unliebsame Thema Vietnam zwischen den Zeilen, den Grabsteinen und dem Geruch von gebratenem Menschenfleisch grüßen.

Das generelle Vorhaben, der erzählerische Rhythmus und der durchaus als experimentell zu beschreibende Stil ist gewagt, besonders da Lucio Fulci sich niemals auch nur auf eine Richtung festlegen will. Mal makaber, ultra-brutal und perfide, dann wieder sensibel bis an die Grenze zum Beinah-Kitsch. Mal kraftvoll und temporeich, mal zurückhaltend und geduldig, da macht auch der sonderbar gemischte Score mit. Zwischen fiebrig-packenden, bedrohlich-mystischen Klangexperimenten wie aus einem schlimmen Albtraum bis hin zu poppigen Balladen ist da alles vorhanden, aber so wie es eingesetzt wird ist da durchaus ein System dahinter, das erstaunlich gut aufgeht.

Fazit

„Verdammt zu leben – Verdammt zu sterben“ ist nicht unbedingt ein einfacher, oder eher nicht unbedingt ein eindeutiger Film, da er fast zu speziell ist als sich an ein Publikum gezielt richten zu können. Er könnte schnell als konfuse, unausgegorene Mischpoke aus zynischem Gewalt-Western und rührseligem Drama missverstanden werden. Womit man diesem nicht fehlerfreien, aber ungemein reizvollen, außergewöhnlichen Film mehr als unrecht tun würde. Hinter seiner im ersten Moment seltsamen Fassaden verbirgt sich ein nachdenklich stimmender, sogar sehr kluger Film, der mehr über das (damalige) Hier und Jetzt zu erzählen hat als über den eigentlichen Wilden Westen. Verpackt als italienischer B-Spaghetti-Western, damit kann man so auch nicht zwingend rechnen, was ihn nur noch spannender und nachhaltiger macht.

Kritik: Jacko Kunze

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