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Moviebreak interviewt Moviebreak: Sportello745

von Sebastian Groß

Mindestens ein kleines „Hä?“ sollte euch entwichen sein, denn heute wird kein Moviebreak-Veteran interviewt, sondern ein echter Frischling! Sportello745 hat noch Reste vom Dottersack an sich kleben und dürfte den meisten von euch total unbekannt sein. Gut so. Jetzt könnt ihr ihn mit diesem Interview kennen lernen. Wir wünschen viel Spaß und wenn ihr findet, wir sollten innerhalb dieser Special-Reihe auch neue Autoren interviewen, dann lasst es uns via Kommentar wissen. Das gilt natürlich auch, wenn ihr nur Interviews haben wollt, mit alten MB-Hasen.

Steckbrief

Name: Jakob Jurisch (Sportello745)

Herkunft: Berlin

Lieblingsfilm: Synecdoche New York, The Big Lebowski, Blade Runner, Satanstango, Ananas Express

Erster Beitrag bei MB: Kritik zu The Deep Blue Sea

Letzter Beitrag bei MB: Kritik zu Early Man -  Steinzeit bereit

Wunschvideo: Drake and Josh But It's OG Spider-Man

Dieses Interview ist für mich ein besonderes. Bislang haben wir innerhalb dieser Rubrik  nur Autoren von Moviebreak befragt, die schon einige Zeit zum Team gehören. Du bist aber gerade einmal einen Monat mit dabei. Hierbei handelt es sich also um eine Art Greenhorn-Interview. Das könnte interessant werden. Dennoch bleibt auch bei dir die Einstiegsfrage gleich: Wie bist du zu Moviebreak gekommen?
Ich hab es immer gemocht über Filme zu schreiben und meine Gedanken irgendwie zu Papier zu bringen. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo man mehr als ein Hobby daraus machen will. Nicht unbedingt gleich einen Job daraus, aber zumindest dafür sorgen, dass die eigene Meinung in dem endlosen Wirrwarr des Internets gut aufgehoben ist. Viele User der Plattform Moviepilot, einer Seite der ich seit fast 8 Jahren angehöre, schreiben mittlerweile bei Moviebreak. Das eine führt dann zum anderen und ich bin für diese Form von Community sehr dankbar.

Da du noch ganz neu im Team bist, sind deine Eindrücke frisch und unverbraucht. Was glaubst du, welches Image hat Moviebreak deiner Meinung nach? Wie wirkt es auf jemanden, der nicht zum  Team gehört, sondern als zufälliger Besucher auf die Seite stolpert ist?

Charmant, vor allem weil es keine Werbung gibt. Auch in den Überschriften bei Facebook-Links gibt es kein nerviges Clickbait. Ich schätze daher das Moviebreak dadurch relativ bodenständig und gewissenhaft daher kommt. Vielleicht ist das aber auch nur mein Eindruck.

Da ich der Hauptverantwortliche der Facebook-Seite von Moviebreak bin, kann ich dir nur sagen, dass dein Eindruck absolut richtig ist. Sehr gut. Ich glaub' ich mag dich. Okay, weiter geht’s. Wie alle anderen Autoren auch, ist deine Arbeit hier unentgeltlich. Was ist deine Intention, dass du dir das antust?

Man kann so das Schreiben üben. Durch die Pressevorführungen kommt man in die Gelegenheit, Filme zu sehen, die man sich eventuell unter anderen Umständen nie angetan hätte. Dass man nachher dann über sie schreiben kann ist eine Chance. Denn wenn man permanent nur über Sachen schreibt, die man mag, dreht man irgendwann durch.

Hast du ein konkretes Ziel, für das du übst?

Schwer zu sagen. Es fühlt sich gut an, wenn man sich professionell artikulieren kann. Klar, ich könnte jetzt auch von beruflichen Aussichten reden, aber das ist bei mir noch in weiter Ferne.

Du hast bislang eine Kritik für Moviebreak geschrieben. Sei ehrlich: Hast du dir, weil es deine Premiere auf der Seite war, besonders viel Mühe gegeben?

Klar. War auch ein paar Tage sehr unzufrieden mit dem Ding, deswegen hab ich in letzter Sekunde noch etwas ergänzt.

[...] Es ist ein Film, der sich wie ein Weckruf anfühlt [...]

Ist dieser Selbstdruck für dich mehr Chance oder mehr Zweifel?
Beides gehört da irgendwie zusammen, finde ich.

Was glaubst du, gibt eine Kritik auch immer einen Blick preis auf die Person, der sie verfasst hat, oder besteht immer eine Art Trennung zwischen der Rezensenten und dem Produkt?

Eine Kritik gibt in jeder Zeile, in jedem Wort, Aufschluss über seinen Schreiber, so scheint es mir. Egal, wie sehr der Schreiber das auch zu vermeiden versucht.

Was verraten deine Texte denn über dich?

Das weiß wohl jeder Mensch, der sie liest, besser als ich selbst.

Näherst du dich einem Film anders, wenn du weißt, dass du über ihn schreiben musst, bzw. möchtest?

Nicht wirklich, ehrlich gesagt.

Verstehst du Filmkritik mehr als Ratgeber für die Leser, oder ist es doch mehr eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Film, seinen Makeln und Qualitäten sowie Aussagen?

Man differenziert bei so etwas ja immer in Filmkritik und Filmanalyse. Kritik ist dann mehr als Ratgeber und Analyse mehr als Auseinandersetzung gedacht. Aber beide Parteien überschneiden sich. Eine Kritik kann sich, in meinen Augen, sehr intensiv mit dem Inhalt eines Filmes auseinandersetzen und sollte es definitiv auch. Nur ist immer wieder die Frage danach, für wen man schreibt. Oftmals ist auch die Frage, wie viel man nun von der Handlung preis gibt. Ich erinnere mich, als der Spiegel in seiner Besprechung von s Mein Bruder heißt Robert und ist en Idiot bereits in den ersten Sätzen das Ende des Filmes vorweg genommen haben. Von so etwas sollte man absehen.

Was hältst du denn von solchen Spoilern in Kritiken? Sollte man sie stets vermeiden, oder sind sie vielleicht bei einer konsequenten Auseinandersetzung mit dem Produkt unerlässlich?

Für eine ausführliche Besprechung eines Filmes sind sie unvermeidbar. Nur sollte es geläufiger werden, einfach eine Warnung anzubringen. Bei der Besprechung von Filmen, die noch nicht offiziell laufen würde ich vollkommen davon absagen.

Was war denn der heftigste Spoiler, dem du je zum Opfer gefallen bist?

Mir wurde mal die fast gesamte Serie Game of Thrones gespoilert. Im Endeffekt habe ich sie trotzdem gemocht. Je populärer etwas wird, desto unvermeidbarer wird das leider. Gerade bei Serien ist das ziemlich heftig, da man sich da oft durch einen Berg an Episoden kämpfen muss.

Gibt es einen Film oder Serie, deren Popularität du nicht nachvollziehen kannst?

Eine Hypewelle, die mich sehr genervt hat, war die um den Film Martyrs. In meinen Augen habe ich oft das Gefühl, dass es im Allgemeinen angenommen wird, das reine Gewalt auf der Leinwand und das Ignorieren jeglicher Grenze des Geschmacks automatisch dem Film eine Tiefe verleiht. Dasselbe habe ich gestern bei Cannibal Holocaust empfunden.


[...] Ich bin dankbar, für Leute wie Noé, Refn oder von Trier [...]


Welcher Film überschreitet die Grenze des guten Geschmacks, hat deiner Meinung nach aber wirkliche Tiefe?

Ken Russell
s Die Teufel kommt mir da in den Sinn. Der Film verletzt alle möglichen religiösen Gefühle und sexualisiert die Kirche von oben bis unten, aber er macht das, um ein System der Manipulation zu entlarven. Es ist ein Film, der sich wie ein Weckruf anfühlt. Weiterhin sei wohl noch Salò - Die 120 Tage von Sodom zu erwähnen.

Die eben von dir genannten Film (Martyrs, Cannibal Holocaust) haben eine große Fangemeinde. Mit diesem Wissen im Hinterkopf, fühlt es sich eher befriedigend oder befremdlich an, wenn man diesen Filmen keinen Zuspruch entgegen bringen kann?

Sowohl als auch. Wenn man als einziger einen Film kritisiert, entfacht das Diskussionen und nur darum geht es ja bei der Filmrezension. Das man sich austauscht und neue Perspektiven kennen lernt. Gleichzeitig aber fühlt es sich auch einfach gut an, einen Film mit allen anderen geil zu finden.

Findest du, dass es in der heutigen Zeit an Filmemachern wie eben Ken Russell oder Salo-Regisseur Pasolini mangelt?

Definitiv. Ich bin dankbar, für Leute wie Noé, Refn oder von Trier, weil sie bewusst provozieren und einem immer wieder vermitteln, was Kino auch sein kann, wenn man es zulässt. Allgemein sei aber auch die Frage, ob so etwas einem größeren Publikum, das so etwas wie Fifty Shades of Grey schon als den Mega-Tabubruch sieht, überhaupt zumutbar wäre. Denn Regisseure, die wirklich schocken, bleiben oft nur in einer Nische. Aber vielleicht müssen sie das auch.

Könnte ein Lars von Trier oder Nicolas Winding Refn denn überhaupt im heutigen Hollywood-Studio-System existieren?

Nicht auf dieser Welt?

Was müsste sich ändern?

Die Schlinge, die die Produktionsfirma um die Produktion eines Filmes zieht sollte sich lockern. Ich habe oft den Eindruck, man glaube es gäbe "den perfekten Film", nach dessen Prototyp dann jeder Blockbuster gestaltet wird, mit gelegentlichen Variationen unter Genres vielleicht. Das raubt vielen großen Studiofilmen jede Ecke und jede Kante. Es ist vor allem die Hemmungslosigkeit, die mir oft fehlt. Wenn schon Eskapismus, dann richtig. Deswegen liebe ich den Film Moulin Rouge so sehr.

Glaubst du, es kann eine Annäherung des sogenannten Arthouse-Kinos mit der heutigen Blockbuster-Kultur geben?

Absolut. Das Potenzial ist, wenn ich mir die gegenwärtigen Regisseur/innen so ansehe, endlos. Es muss nur zugelassen werden. Die Frage ist wohl, wann ein Film, der wirklich durch und durch "Arthouse" ist, einen bestimmten Nerv beim Publikum trifft.

Muss sich also nicht nur das Studio-System, sondern auch das Publikum bereit erklären sich zu verändern?

Das Studio-System bedarf zweifelsfrei eines Reality-Checks. Bei Publikum sieht das etwas schwieriger aus. Das Publikum kann ja nicht von heute auf morgen seine Sehgewohnheiten ändern, Vielleicht ist das Problem oftmals die Vermarktung, die einem immer wieder vermittelt, was Action und was Comedy ist und Filme generell in unzurechnungsfähige Schubladen presst, bis sie nur noch als Unterhaltung verstanden werden und nicht "mehr" als das sein können.


[...] Wie man mit solcher Anmut eine so fehlerhafte Spezies wie unsere zeichnen kann, ist für mich ein Wunder.


Gibt es eine/n Filmemacher/in den/der du es zutrauen würdest, dass sie sich so sehr vom Stil wandelt, dass er/sie uns alle verblüfft?
Es würde mich nicht wundern, wenn ein Jean-Luc Godard eines Tages sein episches Lebenswerk über das Kino und was es für uns bedeutet raushaut und jedem die Augen damit öffnet. Gerade jemand wie er hat so viel Erfahrung und so viel mit der Filmgeschichte zu tun gehabt, dass seine Sicht immer wieder fasziniert. Und, ich glaube fest daran, fast niemand liebt dieses Medium so sehr, wie er.

Und du? Wie sehr liebst du das Medium?

Es bedeutet mir Alles. Ich hab es geliebt seit ich auf der Welt war und es hat nie aufgehört. Ich habe durch Filme fast mehr gelernt, als durch die Schule. Vielleicht nichts viel faktisches, aber die ethnische Bildung vieler Filme sind unnachahmlich. Ich hoffe, dass ich diese Begeisterung irgendwann meinen Kindern weitergeben kann.

Wie war denn dein Notenschnitt? Kleiner Scherz. Welche/r Film/e hältst du denn für besonders lehrreich?

Magnolia
von Paul Thomas Anderson. Er gesteht dem Mensch und seinem Wesen so viel zu und beinhaltet Erkenntnisse, die erschütternd wahr und aufwühlend ehrlich sind. Wie man mit solcher Anmut eine so fehlerhafte Spezies wie unsere zeichnen kann, ist für mich ein Wunder.

Du magst Martyrs nicht, aber Magnolia. Ich werden gute Freunde. Danke für das Gespräch. Abschließend sollst aber auch du die Gelegenheit bekommen Verbesserungsvorschläge für Moviebreak abzugeben.

Das freut mich zu hören. Sehr gerne, es war mir eine Ehre!

Denk bei deinen Vorschlägen aber daran, dass du noch frisch im Stall bist. Nicht dass du  am Gülle-Trog endest.

Ich werde mich benehmen. Vielleicht eine eigene Rubrik über wirklich harte Nischen-Filme wie Zeug vom Fantasy Filmfest und abstrakte Kunstfilme. Und etwas mehr News zu Sachen wie Sundance oder Locarno.

Danke für das Interview.

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