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Gertschi

Kritik von Gertschi

Insektenvertilgungsmittel als Droge

Die Tasten sind wie faule Zähne im aufgerissenen Maul eines Monsters, zwischen denen Schleim glibbert; leblose Augen starren böse auf den Autor, der wie hypnotisiert in den Eingeweiden seiner Schreibmaschine wühlt, um verwirrte Gedanken zu notieren. Halluzinationen äffen den hilflos Ausgelieferten mit sadistischen Blutgreueln und würgenden Entzugserscheinungen. Das Alptraumland "Interzone" hat ebenso von ihm besitz ergriffen wie die Geheimorganisationen der Außerirdischen und jener Stoff, aus dem die Räusche sind.

Derlei Ekel gewordene Paranoia eines Schreibers ist Teil eines Horrorpanoptikums, das Schockspezialist Cronenberg ("Die Fliege") zur Hommage auf den amerikanischen Kultautor William Burroughs aus viel elektronisch bewegtem Latex designt hat. Gleichzeitig gibt der Spezialist vorzeigbarer Schrecken damit vor, Burroughs' gleichnamiges, drogenberauschtes Kultbuch der Beatgeneration verfilmt zu haben. Das freilich, ein irrwitziges Metaphernlabyrinth und Wortechaos und verkiffte Giftlerbibel - bleibt so unverfilmbar sperrig wie das New Yorker Telefonbuch.

Sowas vermitteln kann Kino noch lange nicht, erschließt sich nur phantasiebegabten, gläubigen Leseraugen. Mehr als Junkies handkoloriertes Entsetzensbilderbuch aus Romanzitaten, geschickt verflochten mit wahren Bio-Details (wie dem 1951 vom vollrauschigen Burroughs' abgegebenen Todesschuß auf seine Frau Joan) ist nicht drin. 

Fast alle Leute, die ihren Lebensunterhalt mit Schreiben verdienen müssen, haben Angst vor ihrem Schreibgerät. Das leere Papier, der leere Bildschirm des Computers ein Höllenschlund. Die Tastatur ein Folterinstrument. Jack Torrance aus "Shining" lässt grüssen. David Cronenberg, erprobter Regisseur cineastischer Purzelbäume aber fallen dazu nur ein paar unappetitliche Geisterbahneffekte ein. Ist halt kein Verfasser, nur Verfilmer, der Mann. "I gave up writing when I was ten. Too dangerous."  Ein Satz zu Beginn des Films, der sehr charakteristisch für Cronenbergs Haltung zur Kunst ist: der Künstler als bereitwilliger Gefangener seiner eigenen Erfindungskraft.

Hervorzuheben sind im Film einige der besten handgemachten Splatter- und Horroreffekte der Filmgeschichte. Nicht nur wenn es zu Verwandlungen kommt, erinnert der Film an die Bücher von Franz Kafka. Die Schattenorganisation Interzone Incorporated, ihre Ungreifbarkeit und dunklen Motive erinnern stark an den Prozess und rufen das drückende Gefühl hervor, das so stark mit dem Prager Autor verbunden wird, dass ihm dafür ein eigenes Adjektiv zuteilwurde, das gerne von klugscheißerischen Deutschleistungskurslern in der Oberstufe bemüht wird, hier aber einfach passt: kafkaesk.

Bedrückung, Gewalt und Sex formen schließlich ein Kunstwerk, das genau wie die Romanvorlage, kontrovers diskutiert werden kann und viele abstoßen wird; eine Collage aus Blut und Sperma, die zeigt, zu welchen seelischen Angriffen Film fähig ist.

Fazit: Zweistündiger LSD-Trip, der sich erst nach mehrmaliger Begutachtung dem erstaunten Betrachter zu erschließen beginnt. Wer diesen abartig faszinierenden, Kopfschmerzen verbreitenden Mindfuck versteht, ist wohl selber reif für die Couch. Wer den Film also nicht versteht (so wie ich nach der ersten Sichtung), sollte sich etwas mit der Biographie von William S. Burroughs befassen.


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