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Quelle: themoviedb.org
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Inhalt

Sibylle Berg provoziert, irgendwie. Ihre Lebensgeschichte vom DDR-Flüchtling zur Bestsellerautorin klingt fast so, als hätte sie sie selbst erfunden. Früher suchte Sibylle Berg das Glück, heute sucht sie ein Haus. Im Portrait der großen ironischen Dramatikerin erfahren wir, wie die männliche Form von "Schriftsteller" lautet, warum diese auf Fotos meist ihren Kopf stützen, welche nützlichen Dinge (z.B. Eistauchen) man in der DDR lernen konnte, wie Pilze die Gehirne von Politikern steuern - und dass sich hinter jeder scheuen Schriftstellerin ein scheuer Mensch verbirgt.

Kritik

Früher, ganz ganz früher, um die 30 Jahre bevor Sibylle Berg begann, die Welt der Sprache für sich zu entdecken, gab es die Diskussion um eine Richtlinie in den Künsten. Wie Béla Balázs in seinem Buch Der Geist des Films ausführt, forderten manche Stimmen, Künste sollen sich auf ihren ureigenen Kern beschränken. Musik solle nur aus Tönen bestehen, Skulpturen nur aus Formen, Zeichnungen nur aus Linien. Und der Film demnach nur aus tanzenden Bildern? Dass man sich von Beginn an über diesen Vorschlag hinwegsetzte, ist heute natürlich allgemein bekannt, beruhigend und der einzig richtige Schritt. Und doch keimt die Frage auf, was man damals wohl von Filmen halten würde, die sich mit anderen Künsten beschäftigte. Eine Dokumentation zum Beispiel über eine Schriftstellerin.

Nun ist Wer hat Angst vor Sibylle Berg? zugegebenermaßen ein Film über eine Person und nicht über den Prozess des Schreibens. Eine Person, ja, mehr noch; Sibylle Berg ist eine Frau. die provoziert, irgendwie und dafür keinerlei Verständnis aufbringen kann. Ist das schon Urheberrechtsverletzung? Sicherheitshalber: Ihre Worte, nicht meine. Sie selbst bezeichnet sich als Randerscheinung der deutschsprachigen Schriftsteller-Suppe, unfähig jemals ein Werk in Richtung Mainstream zu verfassen. Und dennoch hat sie eine recht besondere Stellung. Es kommt nicht von ungefähr, dass sie bei Schulz & Böhmermann für die Vorstellungstexte der Gäste zuständig ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass ihre Werke von dritten Personen in dieser Dokumentation stets mit einem leicht ungläubigen Lachen angesehen werden. Sei es auf den Titel oder das Titelbild bezogen. Sibylle Berg überrascht Menschen und diese sind dann noch über ihre Überraschung überrascht. Das kann auch nicht jede.

Die Regisseurinnen des Doku-Werkes, namentlich Wiltrud Baier und Sigrun Köhler, verfolgten einen recht laxen Plan, als sie mit der Filmidee Berg überraschten. Interviews gibt es nicht wirklich in dem Film, viel mehr erzählt Berg einfach mal so. Plaudert ein bisschen, twittert mittendrin ein wenig umher und lässt den Zuschauer an ihrer Gedankenwelt teilhaben. Kommt dabei die wahre Persönlichkeit der Autorin zum Vorschein? Wahrscheinlich nicht. Ist das schlimm? Mitnichten. Berg, die ebenso wenig auf Thomas Mann, wie - ein Gefühl sagt es mir - auf Menschen steht, die sich ihre Fragen selbst beantworten. Berg, die eigentlich möglichst wenig sprechen will. Berg, die zwar gerne arbeitet, gerne gelesen wird, ungern gefeiert wird und am liebsten in der letzten Reihe sitzt, wo sie kompletten Überblick hat, wo sie alle Fäden in der Hand hat. Schließlich ist ihr Leben ein Business, das sich sehr schnell verpfuschen lässt.

Und so folgt die Doku Sibylle an mehrere Orte. Mit Sibylle Berg nach Los Angeles, wo sie alten Träumen nachjagt, sich architektonische Besonderheiten anguckt. Wo sie Figurenkünstler besucht, von deren Puppen, sie sich angesprochen fühlt, weil diese genau so traurig und freundlich zurückgucken. Es ist durchaus bezeichnend, wie die Frau sich sieht, was sie vom Leben erwartet (hat). Mit Sibylle Berg in ihre ehemalige Clown-Schule, wo sie eine Weile komplett Fehl am Platze war. Mit Sibylle Berg ins Museum der Krankheiten und Hautexzesse, wo sie selbst sehr interessiert scheint - nur bei den nachgebildeten Geschlechtskrankheiten - da hört es irgendwie auf. Das kann sich die Kamera hübsch allein angucken. Ein Glück, dass ich mit dem Essen schon fertig war. Mit Sibylle Berg in den Proberaum eines ihrer Stücke. Junge Schauspielerinnen rattern da Bergs Gedankenwelt herunter - und die zeugt von wunderbarem Humor, Selbstbewusstsein, Intellekt und treffender Gegenwartskritik. So was darf man ja jetzt auch als Frau.

Fazit

Die von Böller & Brot produzierte Dokumentation „Wer hat Angst vor Sibylle Berg?“ lässt den Zuschauer anregende und interessante anderthalb Stunden mit der besonderen deutschen Schriftstellerin verbringen. Einen Masterplan haben die beiden Regisseurinnen dabei nicht für ihr Werk. Sie sind hier um zu lernen, zu erforschen und ihrem Idol eine Bühne dort zu bieten, wo sie sich vergleichsweise wohl fühlt. Funktionieren tut das dann tatsächlich, weil Sibylle Berg. Der Film atmet ihren Humor, labt sich an ihrem Selbstbewusstsein, profitiert von ihrer Spontanität. Wenn Berg meint, man brauche ein Talent für den Mainstream und vor allem Dokumentarfilmer hätten dies ja gar nicht - dann müssten sie schon Tiere zeigen -, schneiden Baier und Köhler auf entspannte Robben am Meer. So einfach geht das mit dem Mainstream.

Kritik: Levin Günther

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