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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Deutsche Haushalte werfen jährlich Lebensmittel für 20 Milliarden Euro weg – so viel wie der Jahresumsatz von Aldi in Deutschland. Das Essen, das wir in Europa weg werfen, würde zwei Mal reichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren. Valentin Thurn hat den Umgang mit Lebensmitteln international recherchiert und kommt zu haarsträubenden Ergebnissen. Jeder zweite Kopfsalat wird aussortiert, jedes fünfte Brot muss ungekauft entsorgt werden. Kartoffeln, die der offiziellen Norm nicht entsprechen, bleiben auf dem Feld liegen und kleine Schönheitsfehler entscheiden über ein Schicksal als Ladenhüter. In den Abfall-Containern der Supermärkte findet man überwältigende Mengen einwandfreier Nahrungsmittel, original verpackt, mit gültigem Mindesthaltbarkeitsdatum. Auf der Suche nach den Ursachen und Verantwortlichen deckt er ein weltweites System auf, an dem sich alle beteiligen.

Kritik

Der Appell an die Wegwerfideologie, die Jeremy Seifert in seiner lakonisch Doku Dive! anging, kam offenbar auch bei Valentin Thurn (10 Milliarden - Wie werden wir alle satt?) an. Der deutsche Dokumentarfilmer adaptiert flugs Seiferts Modell, sucht sich ein paar Eckdaten zusammen und deckelt alles mit einem Gesellschaftskonstrukt, das Mangelernährung, Food Shaming und klassenspezifisches Konsumverhalten ausblendet. Zwar ist die Thematik unverändert aktuell, doch der reduktive und latent blasierte Tenor bricht ein komplexes Problem auf ein paar bombastische Zahlen herunter. Historische Entwicklungsprozesse, politischer Lobbyismus und korrupte Strategien der Industrie bleiben weitgehend außen vor. Hier geht es weder um eine differenzierte Analyse der Nahrungsverschwendung noch um eine effiziente Gegenstrategie. Es geht um Selbstprofilierung und die Vermarktung simplifizierter Patentlösungen. Eine lautet: Schmiert Restbrote zu Pausenbroten. 

Die werden aber nicht dem Publikum serviert, das den Film nebst Dinner beim Kulinarischen Kino der Berlinale kredenzt kriegt. Eine subtile, doch deutliche Disposition scheint das Konzept, dass die Reste vom Tisch der Wohlstandshaushalte den Unterprivilegierten eine exzellente Versorgung sichern könnten. Dieser Tenor gibt den oft einseitigen Mahnung und kurzgedachten Lösungsvorschlägen einen elitären Beigeschmack. Bereits mehr als ein Jahrzehnt zuvor erkundete Agnes Varda in ihrer brillanten Studie The Gleaners and I routinierte Lebensmittelverschwendung im Kontext jenes entscheidenden Faktors, den die arrivierte Reportage geflissentlich ausblendet: Status. Thurn hingegen hat vom Alltag mit Essensmarken wohl genauso wenig Ahnung wie von den Risiken des Containerns. Letztes erscheint als rentables Hobby, bei dem auf unkonventionelle Weise Köstlichkeiten ergattert werden können. 

Dass die Praxis in Deutschland unter Strafe steht (Einbruch, Hausfriedensbruch, Diebstahl), oft mühsam und selten appetitlich ist, kümmert den Regisseur wenig. Sozialläden, wo Bedürftige verbilligte ausrangierte Lebensmittel kaufen können, hat er offenbar auch nie betreten, sonst wäre er vorsichtig mit Slogans wie dem, Müll könne lecker sein. In der Tat gibt es Leute, die bekömmliche Speisen wegwerfen. Und es gibt die, regelmäßig in der Ersten Welt hungrig bleiben, Reste plündern und um Ausgabeplätze drängeln. Zweites ist kein Zuckerschlecken, auch wenn es auf der Leinwand wie eine lustige Abwechslung zum Einkauf in der Delikatessen-Abteilung aussieht. Doch das sozialökonomische Schisma hinter Verfügbarkeit und Verschwendung wird ebenso ignoriert wie das mit Lebensmittelarmut verbundene Stigma.

Fazit

Wer arm ist, kostet jeden Tag ein bisschen Müll. Doch diese herbe gesellschaftliche Wirklichkeit versteckt die kurzsichtige Doku unter einem wenig überzeugenden ökologischen Gestus. An einer instruktiven Durchleuchtung der Problematik sowie deren Entwicklung mangelt es genauso wie an sozialem Feingefühl. Valentin Thurn gefällt sich darin, einen hinlänglich bekannten Sachverhalt partikulär und mit einem deutlichen Hang zur Selbstinszenierung zu umreißen. Ein bedeutsames Thema in den falschen Händen.

Kritik: Lida Bach

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