{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Das Akronym „YOLO“ ist Jugendwort des Jahres 2012; es steht für „You Only Live Once“ – und könnte auch das Motto der frühreifen, 13-jährigen Luli McMullen sein. Die Heldin des seltsam faszinierenden bzw. faszinierend seltsamen Indie-Werks „Runaway Girl“ (OT: „Hick“) kehrt ihrem Heim – im Nebraska der Achtziger – mit den unverblümten Worten „So long, suckers!“ den Rücken und hüpft (!) von dannen. Ihr Ziel: Las Vegas. Ihre Methode: Trampen. Und in ihrer Tasche: eine geladene Handfeuerwaffe! Was folgt, ist eine nicht immer gelungene, aber stets spannungsreiche Melange aus Roadmovie, Dark Comedy, Melodrama, (Psycho-)Thriller und so einigem mehr: eine Geschichte, irgendwo zwischen „Lolita“, „Badlands“, „Freeway“ und den frühen Pedro-Almodóvar-Arbeiten. Dass sich die junge Luli (Chloë Grace Moretz) zum Aufbruch entschließt, kann man angesichts ihrer sich zankenden, dauerbetrunkenen Eltern Tammy und Nick (Juliette Lewis und Anson Mount) gut nachvollziehen. Nachdem ihr 13. Geburtstag in einer Bar (!) gefeiert wurde und sie dabei, als sei es völlig selbstverständlich, jene bereits erwähnte Waffe als Geschenk erhielt, begibt sich die gänzlich sich selbst überlassene Protagonistin – angeregt durch einen Fernsehspot – auf Reisen: „Come to Las Vegas!“ Auf ihrer Tour begegnet sie u.a. dem Cowboy Eddie (Eddie Redmayne) sowie der Junkie-Braut Glenda (Blake Lively) – und gerät alsbald in ein großes Unheil…

Kritik

Die Drehbuchautorin Andrea Portes (die ihren eigenen Roman adaptierte) und der Regisseur Derick Martini bauen hier sehr schön eine Spannung auf, welche sich weniger aus der äußeren Handlung ergibt, als vielmehr aus den Untiefen der Figuren, die sich sukzessive entbergen. Dass hinter einer rätselhaft-anziehenden, fremden Person ein bedrohlich-brutales Wesen hervortreten kann oder dass ein schrilles Outfit manchmal ein zerrissenes Seelenkostüm verhüllt, sind zwar keine neuen Erkenntnisse – sie werden in „Runaway Girl“ aber außerordentlich interessant vermittelt. Die Tonart des Films schlägt wiederholt um: vom Tragisch-Bitteren ins Komisch-Absurde, vom Zaghaften ins Wilde, vom Kunstvollen ins Trashige – und jeweils wieder zurück. Seine besten Momente hat das Werk zweifellos in den schwarzhumorigen Passagen. Dennoch ergibt der ständige Stilwechsel durchaus einen Sinn – weil dadurch das ständige Auf und Ab, das das Empfinden eines Teenagers beherrscht, in eine filmische Form übersetzt wird. Dass Luli von einer Stimmung in die nächste verfällt, erschließt sich dem Zuschauer also, indem die junge Heldin dabei auch stets wechselnde Filmgenres und -stile durchquert. Diese Vielseitigkeit – der Heldin und des Werks – ist schon zu Anfang ersichtlich, wenn Luli zum einen in Travis-Bickle-Manier mit ihrer Waffe vor dem Spiegel posiert und aus dem zynisch-harten Männerfilm „Dirty Harry“ zitiert, und zum anderen (wenige Szenen später) den ultrafemininen Marilyn-Monroe-Part aus „The Seven Year Itch“ nachahmt und melodramatische Worte der drögen „Star Wars“-Heroine Leia sowie der exzentrischen Diva Norma Desmond aus „Sunset Boulevard“ wiedergibt. Ebenso aufschlussreich ist Lulis Zimmerwand mit selbstgemalten Bildern: Hier hängen Raubein-Ikonen wie Clint Eastwood und Über-Rebellen wie James Dean direkt neben einer friedvoll lächelnden Prinzessin. Während der bizarre Genre- und Stil-Mix zu Beginn sowie im Mittelteil weitgehend funktioniert, ist die Konfusion gegen Ende vielleicht ein wenig zu groß. Zwar ist es für den Genuss eines Films prinzipiell nicht vonnöten, dass der Zuschauer die Intention der Macher begreift (bzw. ihr folgt) – doch im letzten Drittel von „Runaway Girl“ nimmt die Verwirrung leider überhand und schadet damit der Anteilnahme. Ist die Komik im Showdown – in dem viel geweint, geschrien, geflucht und geschossen wird – beabsichtigt? Und wenn ja: Ist das wirklich angemessen? Immerhin geht es u.a. um Obsession, Trauma und Tod. Wo die Grenze zu ziehen ist zwischen einer superben Coming-of-Age-Persiflage und einem kruden Teensploitation-Streifen – also zwischen satirischem Biss und billig-provokativem Schnappen –, darüber ließ sich bereits in Zusammenhang mit „Spring Breakers“ von Harmony Korine ausführlich diskutieren. Dort waren die Charaktere allerdings von vornherein als Hohlkörper angelegt, was einem als Zuschauer vieles erleichterte. Fest steht: Wenn die finale Katastrophe, von der die zentralen Figuren in „Runaway Girl“ maßgeblich betroffen sind, zu irritiertem Lachen animiert, statt Mitgefühl zu erzeugen, ist das irgendwie bedauerlich. Fest steht aber auch, dass ein Werk, das irritiert und Fragen aufwirft, um ein Vielfaches reizvoller ist, als ein Werk, das einem gleichgültig ist und das man schon komplett verarbeitet hat, bevor der Nachspann zu Ende ist. Da es sich um einen charakterorientierten Film handelt, ist es natürlich unerlässlich, das Augenmerk auf die Schauspieler und ihre Figuren zu richten. Die Ausreißerin Luli ist aufgrund ihrer (altersbedingten) Naivität und Wankelmütigkeit kein leichter Part – Chloë Grace Moretz überzeugt jedoch in allen Gefühlslagen. Gleichwohl wird ihre Vorstellung in „Runaway Girl“ vermutlich weniger prägend für den weiteren Werdegang des Jungstars sein, als es etwa die Auftritte in „Kick-Ass“ (als rabiates Hit-Girl) oder in „Let Me In“ (als Vampirmädchen) waren. In kleinen, aber wichtigen Rollen sind Rory Culkin („Scream 4“) als Clement und Alec Baldwin („30 Rock“) als Beau zu sehen. Ihre Figuren stehen jeweils für etwas, das Luli bisher nicht kannte: für ungelenk-harmlose Teenagerromantik (Clement) bzw. für Vertrauen erweckende Bodenständigkeit (Beau). Mit beiden Darstellern harmoniert Moretz ganz ausgezeichnet. Als echte Scene Stealer erweisen sich indes Eddie Redmayne als Eddie und Blake Lively als Glenda. Redmayne („My Week with Marilyn“) verfügt über die nötige Intensität, um eine Schmerzensfigur wie Eddie wirksam zu verkörpern. Seine Aura, der man sich nur schwer entziehen kann, ist von großer Bedeutung für die Amour fou, die Eddie gleich mit zwei Personen des Films verbindet. Lively – bekannt als It-Girl Serena van der Woodsen aus der Teen-Drama-Serie „Gossip Girl“ – zeigt sich (wie schon im Actionthriller „The Town“, aber noch deutlich mutiger) von einer ungewohnten Seite. Als roter Lockenkopf rauscht sie (mit einem überdimensionalen Plüschhasen auf dem Rücksitz ihres Wagens!) durchs Land; sie qualmt pinke Zigaretten, kokst ausgiebig und kratzt somit genüsslich – mit wunderbar scheußlichen Fake Nails – an ihrem Miss-Sophisticated-Image. Bereits ihr erster Auftritt ist so herrlich unglamourös, dass man sämtliche „Gossip Girl“-Staffeln und jegliche Hochglanzmagazin-Coverfotos von Lively augenblicklich vergisst, und fortan ausschließlich die verschrobene Kleinkriminelle Glenda in ihr sieht. Ausschlaggebend ist hierfür nicht zuletzt auch der Eindruck, dass Lively ihre Figur ernst nimmt: Sie zollt Glenda bei aller Überzeichnung den gebührenden Respekt – und so tut man es ihr als Zuschauer gerne gleich.
Als man gerade geneigt ist, Glendas skurrile Feststellung „Church is for brunettes“ für den witzigsten Spruch des Films zu halten, weiß die Figur noch mit einem überaus kuriosen, in Form und Inhalt eher unkonventionellen Kurzgebet zu überraschen: „Dear God“, setzt sie an, nachdem ein älterer Mann bei einem von ihr initiierten, reichlich misslungenen Überfallversuch zu Schaden kam, „don’t let that old guy die – yet. Best wishes, Glenda.“

Fazit

Youth Cinema aus dem Independent-Sektor, das zwischen diversen Genres und Stilen einen interessanten Weg findet, im Schlussakt allerdings allzu sehr befremdet. Mit vielschichtigen Figuren – und wirklich starken Performances von Eddie Redmayne und Blake Lively!

Kritik: Andreas Köhnemann

Wird geladen...

×