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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Unser Wirtschaftssystem hat sich unsichtbar gemacht und entzieht sich dem Verstehen. In den letzten Jahren blieb uns oft nicht viel mehr als ein diffuses und unbefriedigendes Gefühl, dass irgendetwas schiefläuft. Aber was? Der Dokumentarfilm OECONOMIA legt die Spielregeln des Kapitalismus offen und macht in episodischer Erzählstruktur sichtbar, dass die Wirtschaft nur dann wächst, dass Gewinne nur dann möglich sind, wenn wir uns verschulden. Jenseits von distanzierten Phrasen der Berichterstattung, die ein Verstehen des Ungeheuerlichen letztlich immer wieder verunmöglichen, macht sich OECONOMIA mit viel Scharfsinn und luzider Stringenz daran, den Kapitalismus der Gegenwart zu durchleuchten. Erkennbar wird ein Nullsummenspiel, das uns und unsere ganze Welt in die Logik einer endlos fortwährenden Kapitalvermehrung einspannt – koste es was es wolle. Ein Spiel, das bis zur totalen Erschöpfung gespielt wird und vielleicht kurz vor seinem Ende steht.

Kritik

Carmen Losmann (Work Hard - Play Hard) möchte es wissen. Wissen, was hinter den hyperkomplexen Wänden unseres Wirtschaftssystem steht. Wissen, wie dessen Zahnräder ineinander greifen, und vor allem wissen, warum es an seine Grenzen stößt. Sie möchte die materiellen Grundlagen unserer Gesellschaft verstehen: Wie entsteht Geld und wodurch wird dessen Menge vergrößert? Wie hängen Wirtschaftswachstum und Verschuldung miteinander zusammen? Wie entsteht Mehrwert? Und wer sind überhaupt die relevanten Akteure im Kapitalismus? Dabei geht sie in sachlich forschender Manier vor, jedoch niemals in Form eines braven Nachfragens, niemals auf anbiedernde Art, die etwas von dem geheimen Wissen selbsternannter Weisen aufschnappen möchte. Losmann spannt einen roten Faden, der verhindert, dass der Film sich in Phrasen à la "Wir leben in einer komplexen Welt" verliert. Ihr Film läuft auf ein deutliches Fazit hinaus: Wir müssen um Alternativen ringen. 

Letztes Jahr erschien mit Das Kapital im 21. Jahrhundert eine Dokumentation, die sich in Form eines filmischen Zeitstrahls und beruhend auf den Forschungen von Thomas Piketty mit der wachsenden Ungleichheit innerhalb unseres Wirtschaftssystem auseinandersetzt. Dem Film ist es gelungen, die komplexen Ausführungen Pikettys verständlich zu vermitteln und eine Trendbewegung abzubilden, kam jedoch in seiner Narrative immer noch wertschätzend auf den Zuschauer zu. Oeconomia fühlt sich da dringlicher an: Unberührt von historischen Erfolgsnarrativen und versöhnlichen Tönen, stellt er den quasireligiösen Glauben an Wirtschaftsmythen bloß, zeigt auf, wie simpel das scheinbar Komplexe doch oftmals ist, und endet mit einem anfeuerndem Plädoyer. Diese Radikalität verwechselt er dabei niemals mit Grobheit, denn Losmann geht hier hochanalytisch vor und stellt dabei ein wunderbares Beispiel für eine überlegte und dennoch dringliche Aufbruchsstimmung dar. 

Eingeführt wird der Zuschauer dabei anhand eines Computer-Screens, auf dem mal assoziative Mindmaps gezeichnet und mal Regelsätze notiert werden. Er funktioniert wie eine Tafel, an der ökonomische Zusammenhänge verständlich und übersichtlich gefasst werden sollen. Doch dient er nicht nur als Gedankenstütze des Zuschauers, sondern spielt auch eine ästhetische Rolle: Im Laufe des Filmes wird immer weiter in den Bildschirm hineingezoomt, wir dringen immer tiefer in die Funktionsweise unserer Ökonomie ein, bis man irgendwann nicht mehr weiter hineinzoomen kann. Der Kern ist erfasst, alles Weitere würde einem Wegdifferenzieren von Problemen oder einem unbeholfenen Umhertänzeln gleichen - und davon wird es in den Interviews noch genügend geben. Die Ästhetik eines Computer-Screens steht darüber hinaus stellvertretend für die Digitalität unseres Geldsystems, in dem materielle Umstände hinter einem Knopfdruck, einer Kalkulation oder einer Überweisung stehen. 

Als neugierige Interviewerin  beginnt Losmann Wirtschaftsexperten aller Couleur zu befragen und kann schnell die ersten Merksätze festhalten: "Die Wirtschaft wächst, wenn Kredite vergeben werden. Kredite werden vergeben, wenn die Wirtschaft wächst" oder "Wächst die Wirtschaft, wächst die Geldmenge. Wächst die Gelmenge, dann wächst die Wirtschaft". Daraus ergeben sich Anhaltspunkte, denen sie weiter kritisch nachgeht: Sorgt nicht genau diese Konstellation für einen dauerhaften Wachstumszwang, der uns immer weiter in die ökologische Misere führt? Macht der Staat sich als Schuldner in einer Weise von der Wirtschaft abhängig, in der seine Gestaltungsspielräume so eng gefasst sind, dass demokratische Prinzipien gefährdet sind? Nützt das Wachstum überhaupt allen zu gleichermaßen? Hat man ihre ersten Fragen noch einigermaßen freundlich beantwortet, fallen die Reaktionen auf die kritischen Fragen deutlich angespannter aus. Mal wird ihr aggressiv vorgeworfen, sie hätte keine Ahnung, wovon sie da redet. Mal gibt es ein peinlich berührtes Auflachen. Wieder ein anderer versucht um die Frage herum zu reden. Manche Gespräche mussten sogar anonymisiert rekonstruiert werden, weil man ihr nicht gestattet hat, das Material zu verwenden. 

Bereits zu Beginn des Filmes wird angekündigt, dass es einige Komplikationen bei den Interviews gab. Anstatt darüber zu schweigen, macht Losmann diese sichtbar: Kurzfristige Terminänderung, entzogene Genehmigung zur Verwendung des Materials und geskriptete Abläufe. All das findet vor dem Hintergrund immer gleicher Settings statt, die regelrecht nach professioneller Perfektion schreien. Umso wirkungsvoller erscheint es dann, wenn in eben diesem seriösen Setting kaum jemand gute Antworten auf Losmanns scheinbar simple Fragen finden kann. Der Hinweis auf die Umstände der Interviews fügt sich insofern in den Film ein, als dass der Zuschauer den Eindruck gewinnen kann, dass man versucht vor diesen Fragen zu fliehen, was deren Relevanz ein weiteres Mal bekräftigt. 

Fazit

"Oeconomia" ist schlichtweg ein Meisterwerk: Ästhetisch einnehmend analysiert der Film den ökonomischen Status Quo mit dessen sozialen und ökologischen Folgen. Bewunderswert ist dabei, dass er seinem dokumentarischen Auftrag gerecht wird, das Thema in seiner Komplexität darzustellen, ohne der Narrative einer vermeintlichen Überkomplexität zu verfallen, der man sich zu ergeben hat, die jede eigene Haltung negiert. 

Kritik: Maximilian Knade

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