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Quelle: themoviedb.org
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Inhalt

Walter Kraft, SS-Kommandant in einem KZ im besetzten Osteuropa, ist leidenschaftlicher Boxer. Per Zufall findet er heraus, das ein Häftling den er gerade wegen eines Fluchtversuches exekutieren lassen wollte ebenfalls einst Amateur-Boxer war. Er gewährt ihm einige Freiheiten, da er einen Trainingspartner benötigt.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Während des kompletten Vorspannes von Der Boxer und der Tod hämmert ein Mann minutenlang in Echtzeit voller Inbrunst auf einen Boxsack ein. Eine stramme Leistung, der untrainierte 08/15-Zuschauer wäre danach wahrscheinlich schon am Ende seiner Kräfte. Wer seine deutsche Film- und Fernsehsozialisierung bereits im letzten Jahrtausend weitestgehend bewusst miterlebte wird den relativ jungen, aufgrund seiner Kahlköpfigkeit und der markanten Narbe an der Stirn aber bereits älter und unverwechselbar wirkenden Mann sofort wiedererkennen: Es ist der damals aufstrebende DEFA-Star Manfred Krug, der nach seiner wegen politischer Unbequemlichkeit genehmigten Ausreise in den Westen Ende der 70er in der BRD zu einem der beliebtesten TV-Stars wurde (u.a. Auf Achse, Liebling Kreuzberg & Tatort). Allerdings in keiner DDR- sondern tschechoslowakischen Produktion, deren ersten Minuten fast anmuten wie der legendäre Opener aus Martin Scorsese’s knapp 20 Jahre später veröffentlichten Meisterwerk Wie ein wilder Stier. Auch wenn die beiden Filme bis auf das Boxen praktisch nichts miteinander zu tun haben, dieser Vergleich schleicht sich dennoch auch später immer mal wieder versteckt ein.

-„Wird es draußen lange dauern?“

-„Ach wo…“

Nach dem harten Training unter der Augen seiner Gattin Helga (Valentina Thielová, Bastardi) geht Walter Kraft (Manfred Krug) wieder zum Alltag über, schlüpft aus dem bequemen Sportdress in seine Dienstkleidung, denn da draußen wartet ja noch die lästige Pflicht. In SS-Uniform tritt er aus der Umkleide hervor, bereit auf dem Hof vor bereits versammelter Mannschaft von KZ-Insassen einige von ihnen wegen eines Fluchtversuches zum Tode zu verurteilen. Kraft ist Kommandant eines Arbeitslagers irgendwo in der Nähe der offenbar noch für das Naziregime recht sicheren Ostfront, eine genaue Zeitangabe liefert der Film nicht. Da er und seine Ehefrau noch aufrichtig von einer harmonischen, normalisierten Zeit nach Kriegsende sprechen wird es sich wohl noch vor Stalingrad und dem Anfang vom Ende des Dritten Reiches abspielen. Einer dieser armen, aus allen Winkeln Osteuropas zusammengepferchten und nun bei der Flucht erwischten Menschen ist der Slowake Jan Komínek (Stefan Kvietik, Der Kupferturm). Als er sich am Folgetag der üblichen Demütigung und Qualen vor der sicheren „Gnadenkugel“ verweigert, will ihn Kraft mit seinen Fäusten zur Rechenschaft ziehen, verfehlt sein Ziel aber wiederholt. Jan ist ein Boxer. Logischerweise nicht mehr in Form, aber trotzdem genau das, was sich der einsame Befehlshaber sehnlichst gewünscht hat.

„Der Kommandant braucht einen Boxsack!“

Von nun an unter der „Obhut“ des hiesigen Befehlshabers kann der unmittelbar dem Tode von der Schippe Gesprungene sein mit Vorsicht zu genießendes, wahrscheinlich äußerst kurzfristiges Glück kaum fassen. Um als halbwegs brauchbare Sparringspartner Verwendung zu finden wird er innerhalb kürzesten Zeit aufgepäppelt, für KZ-Verhältnisse beinah gemästet und von allen quälenden Arbeiten befreit, was seinen Leidensgenossen natürlich kaum verborgen bleibt. Schnell als Spitzel, Nazi-Freund und allem nur denkbar Schlimmen (nachvollziehbar) verteufelt, schöpfen die Mitgefangenen – wie Jan selbst – aus seiner seltsam privilegierten Rolle mit der Zeit Kraft, Überlebenswillen und sogar Hoffnung. Obwohl es keinen empirischen Grund dafür gibt - denn was sollte selbst ein Knock-Out an dem Lagerführer für Vorteile für die Gefangenen nach sich ziehen, eher wäre wohl das Gegenteil der Fall – wird aus dem lebendigen Punchingball eine Art Symbol des heimlichen Widerstandes, auch wenn das alles weit weg von jeder greifbaren Realität ist. Aber was bleibt sonst zwischen Erniedrigung, Willkür und dem schwarzen Rauch der Verbrennungsöfen, wenn mal wieder der Bestand reguliert werden muss?

Bedacht, mit einem feinen Gespür für die Situation schildert Regisseur Peter Solan (Und dann laufe ich bis an das Ende der Welt) den sehr nah an viele reale Fälle angelehnte KZ-Alltag, was man so kaum glaube mag. Tatsächlich spielte Sport in den Konzentrationslagern eine nicht unwichtige Rolle, neben der reinen Ertüchtigung wohl auch als Ausgleich für das Personal, sei es körperlich wie seelisch, aber selbstverständlich auch als Druckausgleich, Ventil und eine Form der „fairen“, gewaltfreien Demütigung. Die absurde, vorgegaukelte Normalität deutet sich auch bei Der Boxer und der Tod an, wenn Jan sich für einen kurzen Zeitrahmen fast auf Augenhöhe mit seinem Scharfrichter bewegt, sich dessen Respekt und Anerkennung verdient, motiviert wird sich ernsthaft zu Wehr zu setzen und in einem beinah komplett aus den Fugen geratenen Moment gar auf ein Bier eingeladen wird. Auch Kraft versteht womöglich gar nicht wie ihm geschieht. Entwickelt er doch eine viel engere, abseits vom reinen Nutzen menschliche Bindung zu dem Häufchen Elend, dem er durch seinen Herrenrassen-Großmut etwas Aufschub für das Unausweichliche schenkte und das er nun zum legalen Aufstand anspornt, weil auch er im Ring die grausame Realität und seine Rolle darin droht zu vergessen. Mehr Trainer als Gegner, manchmal ein Hauch von Freundschaft denn unbarmherziger Todesengel.

Dieser stille, aber stets enorm greifbare Konflikt der Figuren wird vordergründig im oft provisorischen Ring ausgetragen, wo kein Wort zu viel gesprochen werden muss. Mit enormer Körperlichkeit absolut beeindruckend artikuliert rückt der bereits angesprochene, eher zufällige Vergleich zu Wie ein wilder Stier wieder deutlicher in den Fokus, obwohl eine andere Geschichte erzählt wird. Dennoch definieren sich beide Filme nicht ausschließlich, aber ebenso nicht unwesentlich klar über den physischen Ausdruck. In seiner „einfachen“, oberflächlichen Dramaturgie mag Der Boxer und der Tod sogar als leicht schlicht wahrgenommen werden, was aber eher seinem Geschick geschuldet ist, seinen Zeit- Beziehungskontext zwischen den Zeilen (oder eher zwischen Stacheldraht und Ringseilen) zu erzählen. Im Gegensatz zu so manch anderen, klar als Propagandamaterial zu bezeichnenden Werken des kommunistischen Kinos aus Zeiten des Eisernen Vorhangs, ist dies eine sehr menschliche, überhaupt nicht politisch-manipulative Geschichte über die Illusion von Normalität, Fairplay und sogar eine Hauch von Freundschaft oder wenigstens Respekt, was angesichts des Grauens um einen herum kaum 10 Runde überstehen kann.

„Meinst du es gibt so gemeine Menschen, dass sie mir diese Entscheidung als unfair auslegen?“

Fazit

Unaufgeregt, nicht zu verwechseln mit langatmig, und im Gegenzug mit intensivem Körpereinsatz erzähltes Zeit-, Kriegs- und (fiktives) Beziehungsdokument, das sich nicht rein auf die Spielerei mit üblichen Betroffenheits-Mechanismen verlässt, sondern sehr daran interessiert ist eine so oder so ähnlich durchaus glaubhafte Geschichte mit hohem Realitätsanspruch zu schildern. Vortrefflich gespielt und ohne falsches Pathos vorgetragen, eine klar Empfehlung.

Kritik: Jacko Kunze

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