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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

1855 wird das Allroundtalent William Walker vom einem Industriemogul beauftragt, mit einer Söldnertruppe in das vom Bürgerkrieg zerrüttete Nicaragua einzufallen und Frieden zu stiften, um eine wichtige Handelsroute zu sichern. Dies gelingt, doch Walker ernennt sich bald selbst zum neuen Staatspräsidenten, mit fatalen Folgen.

Kritik

-„Wir befreien dieses Land für die Demokratie!“

-„Das ist ja sehr merkwürdig. Ihr müsst Amerikaner sein.“

Mit Repoman und besonders Sid & Nancy hatte sich der Britte Alex Cox einen guten Ruf bei Fans und Kritikern aufgebaut und stand unmittelbar vor einer Karriere als US-Blockbuster-Regisseur. Daraus wurde nichts, dank Walker. Nicht nur das produzierende Studio Universal war von dem Endprodukt des ursprünglich als faktentreues, historisches Biopic erwarteten Werks sichtlich irritiert. Die US-Kritiken waren fast durchgehend vernichtend und machten die Chancen von Cox in Hollywood Fuß zu fassen zunichte. In anderen Teilen der Welt sah das Feedback anders aus, so sprang u.a. eine Nominierung für den Goldenen Bären der Berlinale heraus. Verwunderlich ist die unterschiedliche Wahrnehmung keinesfalls, denn Cox lehnt sich hier bewusst weit aus dem Fenster und kann es unmöglich nicht darauf angelegt haben, dass sein Film als polarisierende Kontroverse aufgenommen wird.

„A True Story“, so heißt es zu Beginn des Films und im Grunde ist sie das auch. William Walker (Ed Harris; Die Truman Show) wurde Mitte des 19. Jahrhunderts tatsächlich von dem industriellen Schwergewicht Cornelius Vanderbilt (Peter Boyle; Taxi Driver) beauftragt, dem Bürgerkrieg in Nicaragua ein Ende zu setzen. Bei der „Befreiungsaktion im Namen der Demokratie“ handelte es sich natürlich lediglich um eine Invasion aus rein wirtschaftlichen Interesse, aber schließlich – und das ist auch Walker’s tiefste Überzeugung – ist es „…das gottgegebene Recht des amerikanischen Volkes die westliche Hemisphäre zu beherrschen.“ Mit einer Armee ergebener Söldner macht sich der selbsternannte Freiheitskämpfer und Friedensstifter auf, um dem gebeutelten Volk von Nicaragua den Weg in eine goldene Zukunft zu ermöglichen. Frei, demokratisch und amerikanisch, wie sich das gehört und der Herrgott es gerne hat. Gesagt, getan, doch Walker gibt sich nicht mit der Rolle als Heilsbringer und Dienstleister zufrieden. Die neu installierten Machthaber werden schnell wieder abgesetzt und der nie um Catchphrases von Freiheit, Demokratie und dem ganzen Zivilisierte-Besser-Menschen-Zeugs verlegene Walker ernennt sich selbst zum (über Nacht) angeblich einstimmig gewählten Staatspräsidenten, der jeden faschistischen Diktator alt aussehen lässt.

Vom groben Inhalt stimmt Walker in der Tat mit den historischen Fakten weitestgehend überein, aber was Alex Cox daraus für eine subversive, teilweise schon surreale Polit-Farce macht ist selbst heute noch höchst ungewöhnlich und verdammt mutig. An Chuzpe mangelt es ihm definitiv nicht. Es ist schon fast ironisch, dass er wie auch seine Hauptfigur im Prinzip seinen Finanziers mit seiner individuellen Vorgehensweise total überrumpelte. Unter dem schnell als reine Fassade offengelegten Deckmantel eines Biopics kommt eine grelle, stellenweise bewusst übertrieben brutale und oftmals absurd anachronistische Satire zum Vorschein, die kein gutes Haar an dem gerne schöngeredeten US-Imperialismus speziell in Lateinamerika lässt. In einer fantastischen Szene schlendert Walker stoisch und durch nichts aus der Ruhe zu bringen durch ein wahres Massaker. Während um ihn herum alle sterben wie die Fliegen und das Blut obszön aus den Wunden spritzt schreitet er völlig unbeeindruckt, praktisch teilnahmslos voran („Ich mache das Einzige, von dem ich was verstehe: Vorrücken.“), nimmt sich sogar die Zeit für eine kleine Einlage am Klavier. Als wenn ihn das alles nichts angehen würde. So unerschütterlich in seiner Überzeugung über den Dingen zu stehen, dass die Realität daran nichts ändert, sie komplett ausgeblendet wird und durch diese selbstgerechte Ignoranz ihm scheinbar wirklich nichts anhaben kann.

Nur eine von vielen Metaphern über die lange, historische Rolle der USA in den Krisengebieten dieser Welt, in denen selbstverständlich nur mit besten Absichten und stets uneigennützig interagiert wird. Cox treibt seine biestigen Rundumschlag mit der endgültigen Machtergreifung Walkers‘ auf die Spitze, indem er nun die zeitlichen Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart immer wieder durchbricht. Die politischen Gegner des vom angeblich-liberalen Menschenfreund nun ohne falsche Zurückhaltung zum machthungrigen Diktator mutierten Walker blättern in einem Hochglanzmagazin, während ihre Kutsche von einem Mercedes überholt wird. Später schummeln sich auch Coca-Cola und Marlboro ins Bild und El Presidente präsentiert sein Antlitz auf dem Cover des TIME-Magazins. Was völlig verrückt und gewöhnungsbedürftig anmuten mag, ist das Aufheben eines zeitlich begrenzten Kontext während der laufenden Geschichte, der am Ende – wenn das Chaos in einem lodernden Inferno alles in Schutt und Asche legt, was ach so humanitär befreit wurde – noch mal einen anarchischen, fast absurden Höhepunkt findet. Eine extrem schrille Auseinandersetzung mit dem damals immer noch aktuellen, außenpolitischen Gebaren einer nicht sonderlich kritikfähigen Weltmacht. Man könnte fast meinen, dass Walker nicht zufällig jetzt neu aufgelegt wurde. Einen passenderen Zeitpunkt kann es kaum geben.

-„Der Zweck heiligt die Mittel.“

-„Und was ist der Zweck?“

-„Daran erinnere ich mich auch nicht mehr.“

Fazit

Immer noch alles andere als konventionell und mit Sicherheit nicht massenkompatibel, was Alex Cox mit „Walker“ hier vom Stapel lässt. Offensive Grenzüberschreitungen am laufenden Band als Werkzeug der unmittelbaren Konfrontation. Das mag manchen zu sonderbar erscheinen, aber wer sich darauf einlassen kann bekommt einen – im wahrsten Sinne des Wortes – zeitlosen Film, der sich nicht von Genreregeln einzäunen lässt. Ein sehr spezielles Erlebnis.

Kritik: Jacko Kunze

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