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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Marina und Orlando lieben sich und planen eine gemeinsame Zukunft. Sie arbeitet als Kellnerin und singt leidenschaftlich gern, der 20 Jahre ältere Geliebte hat ihretwegen seine Familie verlassen. Doch als die beiden nach Marinas ausgelassener Geburtstagsfeier in einem Restaurant nach Hause kommen, wird Orlando plötzlich leichenblass, reagiert nicht mehr. Im Krankenhaus können die Ärzte nur noch seinen Tod feststellen. Die Ereignisse überschlagen sich: Marina sieht sich mit den unangenehmen Fragen einer Kommissarin konfrontiert, und Orlandos Familie begegnet ihr mit Wut und Misstrauen. Seine Noch-Ehefrau schließt sie von der Beerdigung aus; die gemeinsame Wohnung, die auf dem Papier Orlando gehört, soll sie möglichst rasch verlassen. Marina ist eine Transgender-Frau, und die Familie des Verstorbenen fühlt sich durch ihre sexuelle Identität bedroht. Mit der gleichen Energie, mit der sie früher dafür gekämpft hat, als Frau zu leben, pocht Marina nun erhobenen Hauptes auf ihr Recht auf Trauer.

Kritik

In seinem Drama Eine fantastische Frau - Una mujer fantástica spielt Sebastián Lelio (Gloria) zunächst mit der erzählerischen Perspektive und somit Wahrnehmung des Zuschauers. Der Regisseur eröffnet die Handlung des Films mit dem 57-jährigen Geschäftsmann Orlando, der als Textilunternehmer tätig ist. Lelio beobachtet ihn bei alltäglichen Dingen wie dem Gang in die Sauna, bis der Mann abends mit einem Drink in der Hand in einer Bar unterwegs ist. Hier hat der Geschäftsmann offenbar ein Auge auf die Sängerin geworfen, die gerade mit ein paar anderen Musikern auftritt und Orlando durch ihre Performance sichtlich zu bezirzen scheint. Was den Anschein erweckt, dass hier zwei Menschen auf den ersten Blickkontakt hin Interesse füreinander entwickeln, erweist sich allerdings direkt im Anschluss als Irrtum. In Wirklichkeit sind Orlando und Marina längst ein Liebespaar, das eine zärtliche Beziehung führt, bis Orlando nach einem gemeinsamen Dinner anlässlich Marinas Geburtstag plötzlich eine Art Schwächeanfall erleidet und sofort ins Krankenhaus gebracht werden muss.

Nachdem der Regisseur die Erzählperspektive zuvor bereits überraschend gedreht hat, verändert sich der Fokus auf die Figuren ein weiteres Mal, als Marina erfährt, dass ihr Liebhaber an einem Aneurysma gestorben ist. Schlagartig ist sie die Hauptfigur in diesem Film, der die Protagonistin immer wieder in ein neues Licht rückt und nebenbei vor allem an den Konflikten und Widerständen interessiert ist, die nun auf sie zukommen. Marina ist nämlich nicht nur ungefähr halb so alt wie Orlando, sondern eine Transgender-Frau, was in der Gesellschaft von Santiago, wo die Protagonistin lebt, einige Komplikationen mit sich bringt. Anhand seiner Hauptfigur, der Lelio mit der Kamera in kaum einer Szene jemals von der Seite weicht, entwirft der Regisseur in Eine fantastische Frau - Una mujer fantástica das Porträt einer Frau, die neben dem Kampf um die Anerkennung ihrer Identität nun auch darum kämpfen muss, um die Person trauern zu dürfen, die sie geliebt hat. 

Zusammen mit Hauptdarstellerin Daniela Vega, die selbst eine Transgender-Frau ist und auch im wahren Leben als Sängerin arbeitet, zeichnet Lelio Marina als ambivalente Persönlichkeit, deren Charakter zwischen diversen elliptischen Brüchen angenehm uneindeutig bleiben darf. Furios spielt Vega ihre Figur abwechselnd als entschlossene Frau, die auf ihr Recht zu trauern besteht, und als überforderte Ausgestoßene, die sich unentwegt vor ihrem Umfeld rechtfertigen muss und dabei unangenehmen Fragen ausgesetzt wird. Die Widerstände, denen Marina ausgeliefert ist, konstruiert der Regisseur dabei recht plakativ und klischeehaft, was den subjektiven Blickwinkel der Hauptfigur wiederum verstärkt. Von einem Polizisten, der im Krankenhaus ihre Personalien aufnehmen soll und im Ausweis der Frau noch ihren Männernamen entdeckt, wird sie nicht als Frau anerkannt, während Marina von einer Kommissarin gar verdächtigt wird, in den Tod von Orlando verwickelt zu sein. 

Noch schlimmer trifft es die Protagonistin hinsichtlich der Familie des Verstorbenen, von der sie abgesehen von Orlandos Bruder mit Abneigung, Skepsis und purem Hass gestraft und von der Beerdigung ausgeschlossen wird. Lelio inszeniert Marinas Welt zunehmend als eine Welt des Einsturzes, in der die Hauptfigur mitunter den Bezug zur Realität verliert, während sie alles daran setzt, ihre Würde aufrechtzuerhalten, die ihr immer wieder genommen werden soll. Den harten Realismus dieser Selbstermächtigungsgeschichte durchbricht der Regisseur mit theatralischer Musik und surrealen Einschüben, bei denen sich ein verzweifelter Clubbesuch der Protagonistin beispielsweise in eine hypnotisierende Musical-Sequenz verwandelt, während sich Marina selbst trotz der sie umgebenden Figurenklischees bis zuletzt einige Geheimnisse bewahren darf. Die mehrfach im Film adressierte Frage, was sich denn nun zwischen den Beinen der Hauptfigur befindet, bleibt ebenso unbeantwortet wie Marinas weiteres Schicksal. So führt das Ende, das zumindest ansatzweise eine Form von Erfüllung für die Protagonistin bereit hält, unweigerlich an den Anfang von Marinas Geschichte zurück und verweist auf die aussichtslose Spirale des täglichen Kampfes, den Menschen wie Lelios Hauptfigur tagtäglich bestreiten müssen.

Fazit

In seinem Drama „Eine fantastische Frau - Una mujer fantástica“ erzählt Regisseur Sebastián Lelio die Geschichte einer Transgender-Frau, die entgegen diverser Widerstände um ihre Identität und ihr Recht zu trauern ankämpfen muss. Neben der hervorragenden Leistung von Hauptdarstellerin Daniela Vega ist Lelios Film dabei von einigen klischeehaften Stereotypen gespickt, die der Regisseur nutzt, um die Konflikte und Schwierigkeiten seiner Protagonistin nachdrücklich zu schildern. Gelungen ist ihm aber nichtsdestotrotz ein sehenswertes, mit zahlreichen Ellipsen gespicktes Porträt einer zwiegespaltenen Persönlichkeit, die zwischen tapferer Selbstermächtigung und verzweifelter Überforderung nicht nur gegen eine intolerante Gesellschaft, sondern unweigerlich auch gegen sich selbst kämpfen muss.

Kritik: Patrick Reinbott

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