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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Die beiden Polizisten David und Sancho werden zu einem Einsatz in eine Madrider Wohnung gerufen. Dort bedroht der Pizzabote Victor die drogensüchtige Elena mit einer Pistole. Während David den jungen Mann zu beruhigen versucht, beginnt Sancho ihn zu provozieren und stürzt sich schließlich sogar auf ihn. Im Handgemenge feuert Victor ab, getroffen wird David. – Vier Jahre später: David ist seit dem Vorfall querschnittsgelähmt und muss im Rollstuhl sitzen. Er ist jetzt mit Elena verheiratet, die von den Drogen weg ist und ein Kinderheim leitet. Der unverletzt gebliebene Sancho lebt immer noch mit seiner Frau Clara zusammen. Als Victor seine Haftstrafe abgesessen hat und wieder auf freiem Fuß ist, beginnt er, sich vehement in das Leben der beiden Paare einzumischen. Denn er hat eine Version des damaligen Ereignisses zu erzählen, die sich von der offiziellen deutlich unterscheidet.

Kritik

Es mag eine gewagte These sein, aber Live Flesh – Mit Haut und Haar ist vielleicht der wichtigste Film im Schaffen von Pedro Almodóvar. Zumindest markiert er ziemlich exakt die Schnittstelle vom vermeidlich ewig schrillen Provokateur und Paradiesvogel hin zum nicht nur formell endgültig gereiften Filmemacher von Weltklasseformat. Natürlich ist das auch nur das Resultat eines sich lange vollziehenden Prozesses und entwickelte sich sichtlich im Laufe seiner seit 1978 zwölf Spielfilme umfassenden Karriere, aber hier scheint er wirklich angekommen in der Loge der Größten und wird nicht nur als das exzentrische Talent mit dem Hang zur Eskalation als stetige Gastaufnahme eingeladen. Das könnte beinharten Verfechtern und frenetischen Wegbegleitern bis dahin eventuell auch sauer aufstoßen, denn erstmals verzichtet das cineastische Guerilla-Wunderkind vollständig auf seinen bewusst radikalen Pinselstrich, der ihn bis dahin so skurril wie einzigartig machte. Was keinesfalls heißt, dass dies nicht ein 100%iger Almodóvar ist. Nur eben einer, der nicht mehr durch Tabubrüche auf sich aufmerksam machen muss. Das war einmal. Das wurde mit den Jahren immer mehr zurückgefahren. Und man vermisst es hier kein Stück.

Eine kleine Referenz an seine wilde Anfangszeit lässt er sich natürlich nicht nehmen, dabei ist sie mit Blick auf sein bisheriges Schaffen viel mehr als das. Die Geschichte beginnt im Januar 1970, als Spanien noch unter der Franco-Diktatur litt. Auf die Rahmenbedingungen wird explizit hingewiesen, obwohl sie im weiteren Verlauf überhaupt keine Rolle mehr spielen. In dieser Zeit erblickt unser Protagonist Victor unter äußerst komplizierten Umständen das Licht der Welt und populistisch wird ihm in den staatlich diktierten Medien eine glorreiche Zukunft prophezeit. Zwanzig Jahre später ist das Regime Geschichte und Victor (Liberto Rabal, El tiempo de la felicidad) ein mit 20 Jahren noch jungfräulicher Sohn einer Prostituierten, der immerhin umsonst in Madrid busfahren darf. Soviel dazu. Sein „erstes Mal“ – oder der Versuch davon – endet ähnlich spektakulär und unglücklich wie seine Geburt. Die Story soll an der Stelle gar nicht groß erzählt werden, das erledigt das hervorragende Skript (selbst kompakte 97 Minuten können bei entsprechendem Geschick viel Raum für Plot- und Figurenentwicklung bieten) ganz wunderbar am besten, aber dieser anfängliche Verweis geschieht nicht von ungefähr.

Die frühen Almodóvar-Filme waren noch geprägt von diesem rebellischen Aufbegehren gegen das gerade vertriebene, diktatorische Schreckgespenst. Verstanden sich als eine Ode an die freie Meinungsäußerung, auch wenn es mal frech, rotzig und bevorzugt auch grenzüberschreitend wurde. Jetzt durfte man endlich und dann bitte mit der groben Kelle. Aber so wie sich die damals gespenstisch leeren Straßen von Madrid jetzt jeden Abend mit Menschenmaßen füllen, so überflüssig ist diese Hauruck-Attacke aus Schritt und Hüfte inzwischen geworden. Anfang und Ende des Films dürfen gut und gerne als versteckter, respektvoller und salutierende Abgesang vom wertvoll gereiften Pedro an seine Wurzeln sein. Es ist eine neue Zeit und auch die Zeit, mit eben dieser zu gehen. Und viel besser hätte er es kaum machen können. Live Flesh – Mit Haut und Haaren ist der erste, echte Almodóvar 2.0, was in der Folge die neue, qualitative Messlatte werden sollte. Ohne seine bisherigen Werte zu verkaufen oder zu verraten, sondern sie zu perfektionieren.

„Solange ich dich liebe, werden wir uns nicht voneinander trennen!“

Eigentlich ist Pedro Almodóvar ein Genre-Regisseur. Und eigentlich überhaupt nicht. Seine Filme lassen sich in keine Schublade packen. Außer in eine, die nach ihm benannt wurde. Darin ordnet sich auch dieser Beitrag perfekt ein. Mal wieder entsteht aus anfangs undurchsichtigen, da schnell erzählten und wenig klassischen Mustern eine äußerst spannende wie spätestens ab dem zweiten Akt tiefschichtiges Melange aus Beziehungsdrama, Psychothriller, Charakterstudie und schwarzhumoriger Groteske, die trotz geschicktem Storytelling nur über die diffizile und nuancierte Figurenzeichnung funktionieren kann. Sein obsessives, leidenschaftliches und sich gegenseitig stalkendes Quintett ist die mit Haut und Haar vermenschlichte Quintessenz von dem Galgenstrick menschlicher, (beziehungs-)sexuell motivierter, selbstzerstörerischer Dynamiken. Das dies nicht in bitterstem Zynismus verläuft, sondern final sogar echt noch die Kurve zum hoffnungsvollen (dort noch verlogenen) Anfang bekommt, wird vielleicht nicht von jedem als so essentiell wahrgenommen. Dabei ist es genau das, was den Kreislauf erst schließt. In vielerlei Hinsicht.

Fazit

Das Schaffen von Pedro Almodóvar ist in seiner (chronologischen) Gesamtheit besonders spannend, da der Werdegang nicht nur ein reiner Lernprozess ist. Es ist eine Entwicklung, die manches ausschleicht und anderes anreichert, trotzdem sind Anfang und Ende immer noch aus einem Guss. Als würde man dem eigenen ADHS-Sorgen/Wunderkind beim Großwerden zusehen und am Ende mit stolzgeschwellter Brust feststellen, es war alles genau so richtig. Und hier befinden wir uns erst bei der Mitte.

Kritik: Jacko Kunze

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