Zeitzeugen können es bestätigen: Ende der 80er, Anfang der 90er war so richtig der Teufel los! In der Realität sowieso, aber wir sprechen an dieser Stelle mal über das dystopische Setting von Dead End Drive-In aus dem Jahr 1986, seinerzeit hierzulande auch als Crabs…die Zukunft sind wir vertrieben. Dort versinkt die Welt ab 1988 im Eiltempo im Chaos. Klimawandel, Naturkatastrophen, Börsencrashs, nukleare Zwischenfälle, Aufruhr und Völkermord sind rund um den Globus an der Tagesordnung. Auch in Down Under ist nichts mehr in Ordnung und in einer perspektivlosen Gesellschaft gibt es speziell für die Jugend kaum Erstrebenswertes. Da ist es für Jimmy „Crabs“ Rossini (Ned Manning, The Shiralee) schon ein Highlight, seine Freundin Carmen in der heimlich geborgten Karre seines großen Bruders in ein Autokino auszuführen. Dieses bietet netterweise einen Arbeitslosentarif an, es gibt also doch noch soziale Gerechtigkeit. Möchte man meinen, denn wer den zahlt, bucht unwissentlich einen längeren Aufenthalt.
Als Jimmy und Carmen mitten im Film die Reifen abmontiert werden und sie den Vorfall dem Manager melden, reagiert der äußerst merkwürdig. Jetzt müssten sie wohl im Kino übernachten. Immerhin gibt es Decken, Essensgutscheine und 30 Dollar pro Kopf. Gut vorbereitet auf einen vermeidlich eher ungewöhnlichen Zwischenfall und da die Beiden offenkundig nicht vom Blitzmerker-Verein sind, denken sie sich dabei auch zunächst nichts Böses. Bis sie (endlich!) irgendwann schon checken, dass sie und die zahlreichen anderen „Sozialschmarotzer“ hier gefangen gehalten und mit Dope, Junkfood und abendlicher Filmberieselung ruhiggestellt werden.
Die Ozploitation-Welle – kreatives, günstiges und radikales Genre-Kino aus Australien – hatte Ende der 70er, Anfang der 80er und speziell mit den ersten beiden Mad Max-Filmen ganz klar seinen Höhepunkt, aber noch bis Mitte der Dekade entstanden immer wieder interessante Beiträge dieser relativ kurzlebigen und leider heute oft vergessenen Zunft. Dead End Drive-In zählt da schon zu den Spätwerken, inszeniert von dem gebürtigen Engländer Brian Trenchard-Smith, der mit The Man From Hong Kong, Die BMX Bande und Insel der Verdammten vorher schon essentielle Werke dieses Fachbereichs ablieferte (und danach leider im Billigfilm-Sektor versank). Parallelen lassen sich besonders zu Insel der Verdammten ziehen, der bereits Gesellschaftskritik und R-Rated Genre-Kost miteinander verwob. Dort noch als im allseits beliebten und seit Jahrzehnten immer wieder verwendeten Menschenjagd-Thema wesentlich expliziter als hier, denn Dead End Drive-In erweist sich als deutlich zahmer und eher absurd-satirisch angehaucht als noch die damalige In-Your-Face-Dynamik.
Eine aus den Fugen geratene Welt und somit auch deren Gesellschaft wird zu Beginn kurz erklärt, wirklich viel zu sehen und zu erleben gibt es davon (natürlich auch aus Kostengründen) nicht. Alles ist irgendwie verlottert, hoffnungslos, nur noch rudimentär als zivilisiert zu bezeichnen, aber immerhin gibt es schon Rambo 8, da sind sie uns deutlich voraus. Die kuriose Idee, dass arbeitslose Teens und Twens durch einen Autokino-Besuch in eine Art Gefangenenlager gelockt werden und dort zum Wohle der Gesellschaft mit billigen Konsumgütern quasi sediert werden, wirkt im ersten Moment ziemlich absurd und speziell die Verhaltensweisen unserer Protagonisten (aber auch allen anderen „Insassen“) sind entsprechend kaum nachvollziehbar. Statt zu rebellieren und sich als das zu profilieren, was sie angeblich sind - nämlich gefährliche Unruhestifter -, fügen sich alle brav ihrem Schicksal, ohne dieses ernsthaft zu hinterfragen. Warum auch, schließlich kann man auf dem Klo schwarzen Afghanen dampfen, es gibt Nachos und Softdrinks für Wertmarken, man kann etwas skaten, sich abends einen Film reinziehen und muss dafür effektiv rein gar nichts leisten. Und nach der ersten Irritation erschließt sich der sarkastische Gedankengang des Films: warum nicht besser nett eingesperrt als anstrengend frei, wenn es da draußen eh nichts zu gewinnen gibt? Und wer sind denn wirklich die Gefährlichen? Die antriebslosen, bescheidenen "Gammler" oder eine diktatorische Staatsmacht, die meint Anstand & Moral durch drastische Methoden aufrechtzu erhalten?
Wer ein wildes, actiongeladenes Spektakel erwartet, wird mit Dead End Drive-In vermutlich weniger glücklich werden. Der Film funktioniert deutlich mehr über seinen satirischen Ansatz und sein kleinteiliges, detailliertes World-Building, das den Verfall einer Gesellschaft nicht etwa über das große Ganze erzählt, sondern durch einen skurrilen Mikrokosmus. In dem sich Perspektivlosigkeit durch ein Eingeständnis zur bequemen Lethargie ausdrückt. Billiger Konsum und stumpfe Berieselung im Tausch gegen Freiheit und Autonomie. Zwischen Coming-of-Age und ätzend-dystopischer wie charmant-amüsanter Science-Fiction, die gegen Ende etwas mehr aufs Gaspedal drückt. Die „heile Welt“ der Antriebslosigkeit wird durch die scheinbar unweigerlichen Folgeerscheinungen einer jeden Gesellschaftsform in Unruhe gebracht (Rassismus aus Angst vorm eigenen Wohlstandsverlust bekommen in der Regel speziell die dümmsten Menschen spielend geregelt) und mit der ein oder andere Explosion der Aufstand des ghettoisierten Gesindels doch noch zu einem rasanteren Höhepunkt gepusht. Das wirkt mitunter schon arg holperig und mehr eckig als rund, aber insbesondere diese groben Kanten und schiefe Winkel machen solche Filme manchmal erst wirklich interessant.