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Netflix erweitert "Narcos": Kritik zur Mini-Serie "Griselda"

von Sebastian Groß

Story

Griselda erzählt die wahre Geschichte der klugen und ehrgeizigen kolumbianischen Geschäftsfrau Griselda Blanco, die eines der profitabelsten Kartelle der Geschichte geschaffen hat. Als engagierte Mutter gelang es Blanco durch ihre tödliche Mischung aus Charme und unerwarteter Grausamkeit geschickt, sich zwischen Familie und Geschäft zu bewegen, was sie weitläufig als die "Schwarze Witwe" bekannt machte. (Pressetext Netflix)

Kritik

Bitte nicht falsch verstehen, jedoch stellt auch für Netflix Kokain ein äußerst profitables Geschäft dar. Seit der Premiere der ersten Staffel Narcos im Sommer 2015 hat der Streamingdienst in Zusammenarbeit mit den Produzenten und Autoren Doug Miro, Carlo Bernard und Eric Newman quasi ein eigenes Kartell geschaffen. Die einst gefürchteten Figuren der süd- und mittelamerikanischen Unterwelt haben nicht nur Drogen produziert, sondern auch fesselnde Geschichten kreiert, die Netflix in erfolgreiche und von der Kritik wohlwollend rezensierte Serien wie Narcos oder Narcos: Mexico umgewandelt hat. Am 25. Januar startet ein weiterer Ableger mit dem Titel Griselda. Diese sechsteilige Mini-Serie beleuchtet ein Kapitel der Medellin- und Miami-Saga, das in der Realität so grausam und bedeutend war, dass es verwundert, dass Netflix erst jetzt die Geschichte der Schwarzen Witwe aufgreift.

Das Aushängeschild der Serie ist zweifellos die Hauptdarstellerin . Obwohl in komödiantischen Rollen zu Hause, wurde dem Star aus Modern Family hier in der Titelrolle besetzt. Dafür wurde ihr eine prothetische Nase verpasst, frei nach dem preisgekrönten Konzept, dass Mut zu (angeblichen) Hässlichkeit belohnt wird. Trotz der noch immer deutlichen Distanz zum Aussehen der echten Griselda verleiht diese Maskerade der Netflix-Griselda eine gewisse Theatralik, die möglicherweise erwartet wird. So oder so handelt es sich wahrscheinlich um die bisher beste schauspielerische Leistung von Sofía Vergara. Es wäre übertrieben zu behaupten, sie verschmelze vollständig mit ihrer Rolle, aber es ist deutlich spürbar, dass sie die Figur mit Hingabe annimmt. Gewiss ist es für sie auch eine interessante Abwechslung, einen Charakter zu verkörpern, der nicht ausschließlich auf Herkunft und gutes Aussehen reduziert wird.

Die Geschichte von Griselda Blanco wurde bereits in vielen Artikeln, Büchern und Dokumentationen beleuchtet. Oftmals konzentrierten sich diese jedoch vornehmlich auf die tragischen Höhepunkte des Kokainkrieges von Miami zwischen 1978 und 1982. Die Mini-Serie interessiert sich natürlich auch für diese Periode, nimmt sich jedoch erstaunlich viel Zeit, um dorthin zu gelangen. In den ersten beiden, drei Episoden steht der Aufbau von Griseldas Imperium im Vordergrund. Als Frau hat sie dabei mit Bevormundung, Ausgrenzung und Verrat zu kämpfen. Interessanterweise wird im späteren Verlauf der Mini-Serie mit der Figur der Polizistin June (, siehe Bild unten) eine Art Spiegelung von Griselda etabliert. Während die Drogenbaronin sich gegen das Patriarchat durchsetzen muss, kämpft auf der anderen Seite des Gesetzes auch die Ermittlerin gegen Vorurteile und Machtmissbrauch. Zwar nicht besonders innovativ, aber es hätte funktionieren können, wenn das Drehbuch diese Möglichkeit der Gegenüberstellung nicht erst viel zu spät für sich entdeckt hätte. Leider bleibt dies einer von vielen Aspekten, die in den sechs Episoden aufgegriffen, jedoch nicht durchdacht finalisiert werden.

Dies liegt auch daran, dass für sechs Folgen eine Menge Handlung abgehandelt wird. Figuren werden eingeführt und dann fallengelassen. Entwicklungen geschehen recht überhastet, und die Wandlung der Titelfigur von der couragierten Kämpferin zur gemeingefährlichen Hexe macht zwar Sinn, vollzieht sich aber in einem seltsamen Tempo. Die echte Griselda soll zudem noch grausamer und seltsamer gewesen sein. Die Serie begnügt sich jedoch oft damit, verschiedene Facetten ihrer Persönlichkeit nur oberflächlich anzuschneiden. Auch ihre Familie erhält nicht den notwendigen Fokus. Viel bei dieser Netflix-Produktion plätschert vor sich hin. Die Inszenierung von Andrés Biaz (Das verborgene Gesicht), der bei jeder Folge Regie führte, ist zwar solide, lässt aber starke, erinnerungswürdige Momente vermissen. Daher ist Griselda zwar eine fähig umgesetzte Erweiterung von Narcos, jedoch gelingt es Dokumentationen wie Cocaine Cowboys trotz fehlender fiktionaler Verspieltheit besser, die Person Griselda Blanco zu porträtieren und vor allem ihre Macht überzeugend darzustellen.

Fazit

"Griselda" bietet einen durchaus fesselnden Einblick in das Leben von La Madrina. Allerdings kann die Mini-Serie aufgrund ihrer episodischen Schwächen und der begrenzten Tiefe in der Charakterentwicklung nicht ihr volles Potenzial entfalten. Hier wird leider nur die Spitze des Kokainberges gezeigt.

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