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MBs Kommentarspalte: "Jojo Rabbit" und die Verharmlosung des Schreckens

GoldenEra

Von GoldenEra in MBs Kommentarspalte: "Jojo Rabbit" und die Verharmlosung der Grausamkeit

MBs Kommentarspalte: "Jojo Rabbit" und die Verharmlosung des Schreckens Bildnachweis: © Fox

Am 10. Februar ist es wieder soweit und die Oscars werden zum nun schon zweiundneunzigsten Mal verliehen. Wie immer erfreut sich die Hauptkategorie rund um dem besten Film der größten Aufmerksamkeit - nur sind dieses Mal tatsächlich zum Großteil sehenswerte Filme nominiert. Dennoch sind es die üblichen Formate, die vorrangig gelistet wurden: Biopics, historische Filme, Spätwerke von Großmeistern und der obligatorische Kriegsfilm dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Fast wie ein bunter Fleck sticht dabei Jojo Rabbit heraus, die so ungewöhnlich anmutende Coming-of-Age-Komödie über einen Jungen aus dem Dritten Reich, der unbedingt ein guter Nazi werden möchte, dann aber eine Umideologisierung durch ein jüdisches Mädchen erfährt, das sich im Haus der Familie versteckt. Fast schon möchte man sich darüber freuen, dass ein so ungewöhnlicher Film in Betracht gezogen wird. Doch nur fast, denn dieser Film steht symbolisch für eine gefährliche Entwicklung. 

Schon letztes Jahr gewann mit Green Book einer der ungeeignetesten Kandidaten den Hauptoscar. Dieser Film versucht eine Feel-Good-Komödie über das Thema Rassismus zu sein, was selbstredend ordentlich nach hinten losging: Er emotionalisierte ein politisches Thema und raubte diesem dadurch seine Aktualität und Ernsthaftigkeit (falls jemand mehr über meine Meinung zu diesem Film lesen möchte, einmal Hier klicken). Jojo Rabbit macht nun ähnliches mit der Nazi-Zeit und erzählt von einer Begebenheit kurz bevor die Deutschen den Krieg verlieren, ohne sicht ernsthaft mit der Ideologie und dem Leben in der NS-Zeit zu befassen. Die Auseinandersetzung mit der Zeit findet nur an der Oberfläche statt: Es werden ein paar ironische Witzeleien über den Führerkult gemacht, es wird ein wenig über das Männlichkeitsbild gespottet und zum Ende hin wird noch ein Nebenplot angedeutet, der die drastische Meinungseinschränkung zeigen soll. 

All das bleibt oberflächlich, wirkt eher wie eine obligatorische Distanzierung, damit das Setting für eine Feel-Good-Komödie legitimiert werden kann. Deutlich wird das an einem der wenigen Aspekten, die verfolgenswert gewesen wären und die ein immenses Potential in sich getragen hätten: Der Regisseur Taika Waititi (Thor: Tag der Entscheidung) spielt hier selbst Adolf Hitler, aber nicht als reelle Figur, sondern als eine Art Besetzung des Über-Ichs des jungen Jojos. Selbst wenn sich Jojo nicht in den sozialdarwinistischen Kult seiner Klassenkammeraden einordnen kann, gelingt es Hitler - als Stimme in Jojos Kopf - ihn davon zu überzeugen, dass er sich nicht von der Ideologie abwenden, sondern sie weiter affirmieren soll, um sich gegen die anderen durchzusetzen. Und solange Jojo auf seine Stimme hört, spricht er wie der nette Märchen-Onkel von nebenan mit ihm, sobald er sich ihm aber widersetzt, wird er deutlich lauter und wütender. 

Bildergebnis für jojo rabbit

Damit wird ein interessanter Mechanismus von Ideologie verdeutlich: Das Leiden an einer Gesellschaftsform wird in Individuen personalisiert, so dass man weiterhin im Sinne der Gesellschaftsform agiert - Schuld tragen dann keine Strukturen, sondern einzelne Personen. Diesen Gedanken gerade mit der NS-Zeit zu verbinden erscheint nur logisch, wo man doch mit Hitler ein Symbol einer ganzen Gesellschaftsform hatte, mit dessen Weltbild man sich quasi-religiös identifizieren musste. Leider schöpft der Film auch hier sein Potential nicht aus: Hitler wird zur Witzfigur diffamiert, die viel zu selten etwas Bedrohliches an sich hat und wenn sie aufbrausender wird, dann nur für ein paar Sekunden. Auch den Bruch des Jungen mit Hitler und seiner Denkweise, die wir auch nie in voller Gänze kennenlernen, erscheint zu schnell. Als wäre es so einfach, sich mal eben durch ein paar Schmetterlinge im Bauch von einer gesamten Weltanschuung zu trennen. 

An dieser stets nur oberflächlichen Konfrontation mit der NS-Zeit wird deutlich, dass der Film ihr mit einem allzu lockeren Esprit entgegentritt, der davon ausgeht, mit dem Herz am rechten Fleck und jeder Menge Humor könne man dem Thema schon gerecht werden. Dass das scheitert, fällt bereits ganz intuitiv an der Gesamtästhetik auf: Das Märchenhafte, das sicherlich den Blick eines Kindes auf diese grausame Zeit zeigen soll, erlaubt keinen Bruch, keine Verfremdung des Blickes, und dadurch fühlen sich selbst Szenen einer Endschlacht eigenartig freundlich an. Wir bekommen nicht das Gefühl, dass die NS-Ideologie eine ernsthafte Bedrohung ist, noch dass sie überhaupt in unserer Welt stattfindet. Nun könnte man meinen, es wäre übertrieben diesen Film aufgrund seiner Naivität und ein paar Hitler-Witzeleien als gefährlich einzustufen. Gefährlich ist an dem Film aber nicht sein spätpubertärer Humor, der auch von ein paar Grundschul-Kids kommen könnte, sondern dass er Spiegel einer Gesellschaft ist, die zunehmend gleichgültig auf die NS-Zeit zurückblickt, was wir nicht zuletzt an dem dramatischen Rechtsruck im Westen beobachten können - so etwas wäre mit einem ernsthafteren Blick in die Vergangenheit nicht möglich.

Bildergebnis für jojo rabbit

Und Zeichen einer genau solchen Tendenz ist es nun wohl auch, dass ein Film, der die NS-Zeit entpolitisiert und dadurch banalisiert, sie für eine Feel-Good-Komödie instrumentalisiert, für den Oscar in der Hauptkategorie infrage kommt. Problematisch ist das vor allem, weil der Film die Leichtfertigkeit besitzt, sich trotz allem als ernsthafte Aufarbeitung zu verstehen, und nicht verfremdend-humoristischen Blick angelegt ist, wie es beispielsweise Inglourious Basterds war. In Jojo Rabbit bekommt man das Gefühl, dass die Realität tatsächlich so einfach ist und war. Und darum komme ich zu meinem vielleicht etwas pathetisch anmutenden Schlussappell: Lasst uns nicht vergessen und kehren wir zurück zu einem Stil der Ernsthaftigkeit. Auch bei Komödien. 

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