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Filmkritiker im Gespräch: Lucas Curstädt und die Zweite Produktion (2)

GoldenEra

Von GoldenEra in Filmkritiker im Gespräch: Lucas Curstädt und die Zweite Produktion

Filmkritiker im Gespräch: Lucas Curstädt und die Zweite Produktion (2) Bildnachweis: YouTube

Maximilian: Wie geht man als Ideologiekritiker mit einem anerkannten Klassiker oder einem zweifelsohne filmhistorisch relevanten Werk um, das sich als ideologisch fragwürdig herausstellt?

Lucas Curstädt: Das ist ein gefundenes Fressen! Ich denke wir sind alle soweit Dekonstruktivisten, dass wir den Kanon als gegebene Hegemonie eines sogenannten „guten Films“ immer wieder attackieren müssen und wollen. Deswegen ist es taktisch klug gewesen, als Wolfgang M. Schmitt sich im Rahmen der Dürre des aktuellen Kinoprogramms „König der Löwen“ vorgenommen hat. Filmkritik muss provozieren, auch dahingehend, dass sie etwas erneut aufrollt, dekonstruiert und sich noch einmal anschaut, was diesen vermeintlich großartigen Film als solchen auszeichnet. Genauso müssen vergessene oder nur auf Unterhaltung abzielende Filme hervorgekramt werden. Ich denke da an Slavoj Žižek und seine Analyse von „Sie Leben“ von John Carpenter, die tatsächlich brillant herausstellt, wie Ideologie eigentlich funktioniert. Entscheidend ist also das freie Wesen des Filmkritikers, welches in viele Richtungen gehen kann und dabei autonom agiert.

Maximilian: Weil Du gerade schon Adorno erwähnt hast: Wenn man vor allem das Kapitel zur Kulturindustrie in der "Dialektik der Aufklärung" liest, die wohl mit zu den Standardwerken der Kritischen Theorie zählt, kann man schnell zu der Annahme gelangen, dass ein gewisser Kulturpessimismus vorliegt. Befürwortest Du diesen, bzw. stehst Du in einer solchen Tradition?

Lucas Curstädt: Ich sehe mich nicht als Pessimist, ich sehe mich als Zweifler, weil das die Grundtugend eines jeden Philosophen ist. Der Zweifel ist der Ursprung des Denkens und dementsprechend sollte man immer vorsichtig sein, gewisse Prozesse lieber affirmativ zu betrachten, als darüber nachzudenken. Kulturpessimismus ist dabei sicherlich ein gebrandmarkter Begriff, der gerne als Schlagwort eingesetzt wird, um jede kritische Betrachtung zu delegitimieren. Aber Kritik bedeutet nach Kant zunächst einmal nur Auseinandersetzung mit einer Sache und nicht unmittelbar die Schwarzmalerei.

Zu Adorno und Horkheimer: Sicherlich ist die „Dialektik der Aufklärung“ ein Grundwerk der Kritischen Theorie, aber vergessen wir nicht, dass der junge Adorno in den 20er-Jahren mit Siegfried Kracauer zusammen u.a. Kant studiert hat. Kracauer war derjenige, der in seinen Texten bereits Initialzündungen einer kritischen Theorie entwickelte. Bei ihm fällt auf, dass er viel stärker das Publikum als aktive Instanz sieht und auch mehr emanzipatorische Fähigkeiten in diesem findet, als es dann später Adorno tut, bei dem der Zuschauer über die Schläge von Donald Duck nur so laut lacht, damit er die eigenen Schläge besser ertragen kann.

Das Problematische bei der Ideologiekritik nach Adorno ist, dass dieser Rundumschlag notwendig zu einer apokalyptischen Kritik führt: Alles ist Kulturindustrie. Diese Eindimensionalität ist gefährlich und darf heute auch nicht das Ziel der Ideologiekritik sein. Adorno ist sicherlich eine Art Rückzugsort, den man nicht vergessen darf, aber auch nicht überdeterminieren sollte.

Maximilain: Ist Ideologiekritik vorrangig links?

Lucas Curstädt: Nicht mehr. Ich glaube tatsächlich, dass in unseren postpolitischen Zeiten, in denen die Spektren „Links“ und „Rechts“ überwunden zu sein scheinen (aber es nicht sind), die rechte Ideologiekritik erstarkt. Als Beispiel lässt sich das Buch „Finis Germania“ von Rolf Peter Sieferle nennen. Im ersten Teil des Buches schreibt er aus kulturkritischer Sicht nicht viel anders als eine adornitische Ideologiekritik unserer gegebenen Umstände und man könnte es als Linker lesen und diese bis zu einem gewissen Punkt akzeptieren. Bis er in ein rechtskonservatives Denken verfällt und seltsame Verbindungen zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk zieht. Eine rechte Kapitalismuskritik ist also ambivalent und das Schwierige ist, diese zu diskutieren, ohne sie schon vor der Lektüre zu delegitimieren, weil sie eben rechte Kritik ist. Man muss sich da also auf gefährliches Gewässer wagen. Es gibt auch rechte politische Theorien wie die vom Juristen Carl Schmitt, die dann wiederum eine linke Politikwissenschaftlerin wie Chantal Mouffe aufgreift. Doch es bleibt schwierig, sich bei solchen Theoretikern zu bedienen, ohne dafür von anderer Stelle abgestraft zu werden, weil man sich ja mit den Rechten gemein gemacht hat. Was nicht zwingend der Fall sein muss.

Maximilian: In ihrem letzten Buch argumentiert Chantal Mouffe für einen differenzierteren Populismus-Begriffe und in diesem Sinne auch für einen neuen, linken Populismus. Würdest Du sagen, dass linke Ideologiekritik ein Instrument eines solchen Populismus ist, indem sie Fronten gegen ein neoliberales System verhärtet?

Lucas Curstädt: Man könnte behaupten, dass der Ideologiekritiker aus dem Auge des Wirbelsturms des Neoliberalismus, nämlich der Hollywood- Filmproduktionen, heraus gegen das als gut verkaufte Sauwetter argumentieren muss und dort könnten wir wieder mit Kracauer argumentieren, der gerade dem Publikum  emanzipatorische Fähigkeiten attestierte. Wenn man diese Position ernst nimmt, dann ist es tatsächlich möglich, eine Ideologiekritik in Hinblick auf den Populismus-Begriff zu praktizieren, die sich gegen die neoliberale Hegemonie zur Wehr setzt. Wir müssen die Begriffe also provokant und risikobereit zusammen denken: Kracauer, Ideologiekritik und Mouffe  - das wäre auch ein Projekt für die Zukunft der Filmkritik, denke ich.

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