{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

"Castlevania" - Staffel 3 - Kritik

Bristleback

Von Bristleback in "Castlevania" - Staffel 3 - Kritik

"Castlevania" - Staffel 3 - Kritik Bildnachweis: @ Netflix

Inhalt

Einige Monate sind seit dem großen Finale in Draculas Schloss vergangen. Nachdem Alucard (James Callis) seinen eigenen Vater tötete und nun alleine über dessen verlassenes Schloss wacht, sieht sich mit seiner Tat und seiner Einsamkeit konfrontiert. Trevor (Richard Armitage) und Sypha (Alejandra Reynoso) sind ein Paar und begeben sich mit Schmetterlingen im Bauch auf Monsterjagd. Vampirkönigin Carmilla (Jaime Murray) schleppt den Nekromanten Hector (Theo James) an einer Leine in ihre Festung in Styria, wo sie von ihren nicht weniger gefährlichen Schwestern empfangen wird, während Hectors Kollege, Nekromant Isaac (Adetokumboh M'Cormack), sich eigenhändig aufmacht Draculas Werk zu vollenden: Die Ausrottung der menschlichen Rasse.

Image title

Kritik

Was ist besser als eine Dämonen-zerknallende Peitsche? Zwei Dämonen-zerknallende Peitschen! Und tatsächlich drescht Vampirjäger Trevor Belmont im großen Finale beidhändig auf Nachtwesen ein, doch ist Staffel 3 keineswegs ein Fall von "Bigger, Better, Stronger", was Trevors Peitschen-Akimbo metaphorisch andeuten könnte. Ganz im Gegenteil, geht Staffel 3 durchaus neue Wege. Ohne Vlad Dracula Tepes als die zentral treibende Kraft hinter der Narrative, nutzt Castlevania diese Staffel um sich eine Auszeit zu gönnen, den großen Plot fürs Erste ruhen zu lassen und sich stattdessen auf die Charakterentwicklung seiner Hauptfiguren zu fokussieren. Die Protagonisten, die am Ende der zweiten Staffel in alle Winde zerstreut waren, finden in in diesen zehn Episoden somit nicht zueinander. Stattdessen erhalten sie alle eigene Handlungsstränge, die nicht im Plot, sondern in der übergreifenden Thematik der Geschichte miteinader verknüpft werden. Was schnell zu einem zusammenhangslosen—und ohne Dracula—langweiligen Durcheinander hätte verkommen können, überrascht mit der Tatsache, dass es sich hierbei um die beste Castlevania-Staffel handelt. 

Schon in der ersten Episode der Serie wurde das letztendliche Ziel unserer Helden etabliert: Draculas Genozid muss gestoppt werden. Ende der zweiten Staffel wurde dieses Ziel erreicht, sodass sich Castlevania neu ausrichten muss. Worum soll es nun gehen? Schnell wird angedeutet, dass alle Hauptcharaktere irgendwann wieder zusammen finden müssen. Carmilla plant schon ihre Invasion einiger von Menschen kontrollierter Gebiete, die nach Draculas Genozid führungslos und schwach sind, was früher oder später eine Konfrontation mit Trevor und Sypha unausweichlich macht. Die Showrunner vermitteln aber schon früh, dass die große Invasion in kommende Staffeln verschoben wird, sodass die Charaktere in dieser Zwischenphase erforscht werden können. Die Suche nach Sinn und das Verlangen nach menschlicher Nähe sind die zentralen Themen dieser Staffeln.

Image title

Alucard sieht sich einsam in den unendlichen Hallen von Schloss Dracula mit dem Mord seines Vaters konfrontiert. Als er von den angehenden Vampirjägern Taka (Toru Uchikado) und Sumi (Rila Fukushimakontaktiert wird, stürzt er sich geradezu auf die Möglichkeit etwas Sinn in sein Leben injizieren und seiner krüppelnden Einsamkeit entkommen zu können, indem er sie unter seine Fittiche nimmt. Nekromant Isaac schart eine stetig anwachsende Armee von Nachtwesen um sich um Draculas Genozid fortzuführen und läuft dabei immer wieder angst- und hasserfüllten Menschen über den Weg. Und obwohl er sich ständig in seiner pessimistischen Weltanschauung bestätigt sieht, kann er sich seiner eigenen Menschlichkeit und seinen menschlichen Bedürfnissen nicht erwehren. Ständig lässt er sich auf Menschen ein und wird enttäuscht, doch sein Durst nach einer sozialen Verbindung bleibt bestehen. Letztendlich sucht er in seiner Depression sogar das Gespräch mit einem seiner eigenen Nachtwesen, die er erschafft, indem er verdammte Seelen aus der Hölle in Leichen einbettet.

Trevor lässt sich frisch verliebt dazu verleiten Hoffnung zu schöpfen und die Welt aus den Augen der optimistischen Sypha zu betrachten. Ein Optimismus, der beiden zum Ende der Staffel  aus dem Kopf geschlagen wird, als sie trotz ihrer besten Bemühungen und dem Erreichen ihres Zieles die Tode derer nicht verhindern können, die sie eigentlich zu beschützen gedenkten und ihr größter Verbündeter im Nachhinein seine wahre Natur offenbart. 

Image title

Ganz im Geiste eines The Witcher 3 gibt es in der Welt von Castlevania keine gerechte 50/50-Aufteilung in Gut und Böse. Happy Ends? Fehlanzeige. Keine Facette dieser Welt vermittelt diesen Nihilismus besser, als die Existenz der Hölle, dessen Öffnung Trevor und Sypha verhindern wollen. Nicht nur tauchen Gott, Engel, der Himmel oder sonstige "gute" Äquivalente von höllischen Dämonen nie auf, sie werden nicht einmal erwähnt. Die Welt von Castlevania ist im wahren Sinne des Wortes "gottverlassen" und die Menschen fristen ein Dasein der Angst am unteren Ende der Nahrungskette. Ständig werden sie von Nachtwesen oder Vampiren zum Frühstück verputzt, werden von Magiern versklavt oder geben zu tausenden in irgendwelchen Blutritualen ihre Seelen her. Neben dem fantastisch sarkastischen Humor ist die Tatsache, dass die Menschen in ihrem Miteinander etwas gutes in diese kranke Welt bringen können, der einzige Funke den Castlevania preisgibt. Die Hölle ist real, der Himmel nicht. Ergo ist das Diesseits das beste, worauf man sich freuen darf. Ein wahrlich pessimistischer Gedanke, gleichzeitig ist es aber auch einer, der die Menschen zum Besserwerden anspornt. In den Worten von Bo Burnham: "Maybe life on earth could be heaven // Doesn't just the thought of it make it worth a try?

Weiterhin erweist sich die Entscheidung den Autorencast auf Warren Ellis zu beschränken als Segen, der in dieser dritten Staffel seinen selbstreflexiven Humor in jedes Wort pflanzt. Die blühende Romanze zwischen Trevor und Sypha ist nie unerträglich oder kitschig, sondern erfreut mit einem ebenbürtigem Hin und Her (was in den Actioneinlagen wiedergespiegelt wird). Bei Vampirschwester Lenore (Jessica Brown Findlay) ist man sich bis zum Ende nicht sicher, was genau sie im Schilde führt und ob ihre Empathie für den eingesperrten Hector authentisch ist oder nicht. Die beste Addition zum Cast ist aber eindeutig der weltgewandte Gelehrte Saint Germain (Bill Nighy), der mit einer spitzen Zunge eine charmant-sorglose Fassade kreiert, um eine Vergangenheit des Traumas und eine Gegenwart der Einsamkeit zu kaschieren. 

Image title

Fazit

Kurz: Staffel 3 ist so gut, dass man völlig vergisst, dass es sich hierbei um eine Videospieladaption handelt. Castlevania ist hier im großen Ganzen eher eine Sidequest, aber gerade deshalb, weil sie sich Zeit nimmt und nicht gleich in das nächste Apokalypsen-Event crasht, so unglaublich gut. Die Showrunner lassen die Charaktere atmen und erschaffen dadurch die bis dato beste Castlevania-Staffel, was man anhand der Abwesenheit Draculas—der bisher treibenden und nuanciertesten Figur—wirklich nicht erwartet hätte. Der Humor strahlt mit einem selbstreflexiven Sarkasmus, die Welt (eher Horror, als Fantasy) mit einem vernichtend-nihilistischen Okkultismus und ausnahmslos alle Charaktere mit mehr Tiefgang, als man es ihnen zugetraut hätte. Das Finale besticht mit einem Bombast, der die bisherigen Staffeln alt aussehen lässt und—aus welchem grandiosen Grund auch immer— mittendrin sich zum Brainchild eines Neon Genesis Evangelion und Fullmetal Alchemist: Brotherhood verwandelt. ... So f***ing cool.

Wird geladen...