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Tomofan

Kritik von Tomofan

Gesehen: Januar, 2018

Lasst uns unsere alte, vom Rost zerfressene Taschenuhr nehmen und die Zeit zurückdrehen, nicht wenige Stunden oder ein paar Wochen, sondern 150 Jahre, so lange bis wir im Staub der endlosen Prärie landen, über uns nichts als kreisende Geier.  Wir stolpern durch die vegetationslose Steppe bis ins nächste Dorf und beobachten mit klammheimlicher Begeisterung die grinsenden Gesichter auf den vergilbten Steckbriefen. Wie spüren die knisternde Atmosphäre, wenn unsere Revolverhelden in aller Seelenruhe den Kopf heben und einen kurzen Blick unter den Rand ihres Hutes werfen. 

Und nun drehen wir die Zeit wieder vor. Lasst uns die vom Kautabak braungefärbte Spucke wieder aufsaugen und die zerbrochenen Gläser in dem schmierigen Salon ,samt verstimmten Klavier, wieder zu einem Ganzen zusammenfügen. Wir lassen den kalten, schweren Colt wieder in unsere Tasche gleiten und die vom Staub verdreckten Leichen wieder auferstehen.

So kennen, lieben, romantisieren und idealisieren wir den Western und seine Protagonisten. Ein derart magisches Genre, welches ab Kinderbeinen an eine unermessliche Faszination auslöst und dessen raue Bilder unsere Augen funkeln lassen.

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford. Einhundertsechsundfünfzig Minuten folgen wir Jesse James und Robert Ford auf dem Pfad der Selbstzerstörung und Obsession. Andrew Dominik entarnt mit seinem Film den westernartigen Heldenmythos als menschliches Konstrukt der Selbstbestimmung, als eine eingerostete Marionette der Nostalgie. Anders als vielleicht zu erwarten, ziert Andrew Dominik den Weg, welchen er mit diesem Film beschreitet nicht mit zahllosen Leichen und brachialer Gewalt, sondern mit einer ruhigen, hypnotisierenden, detaillierten Bildsprache und einer bis zum letzten Gaul perfekten Schauspieldarbietung. Die Ermordung des Jesse James besinnt sich auf die Stärken des Westerns und greift den sozialkritischen Diskurs über amoralisches Handeln auf beiden Seiten des Gesetzes wieder auf und bettet dieses Grundkonstrukt in eine Debatte über die fälschliche Heroisierung  bzw. Verunglimpfung seiner Protagonisten ein. 

Während Jesse James in den ersten Minuten noch als geheimnsivoller, mysteriöser Schatten durch den Nebel geistert, offenbart sich Stück für Stück das menschliche Wrack hinter der Fassade der unergründlichen Gangsterikone. Seine Verletzungen, Wunden und körperlichen Defizite, einst eventuell ein Relikt, ein Symbol für die wilde Anarchie und Ungebundenheit, geben nun Aufschluss auf seiner physischen, wie psychischen Schmerzen. Blickt man in die Augen des Jesse James, dann erkennt man seinen sukzessiven Zerfall, man blickt in die leeren, ausgelaugten, geröteten Augen eines fahlen Gesichtes. Noch im gleichen Atemzug lernen wir den 19-Jährigen Robert Ford kennen, welcher, derart besessen von der Mystifizierung seines Idols, beschließt sich der James-Bande anzuschließen. Als seiner obsessive Begeisterung  nicht auf Gegenliebe bzw. Akzeptanz stößt, lodert der Hass in ihm auf. Die Idealisierung seines einstigen Heldens verwandelt sich in fanatische Besessenheit und Rachsucht. Ein einziger Blick von Robert Ford auf Jesse James demonstriert den Hass, die Erbitterung und den Neid, welcher sich in Robert aufstaut.

Mit Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford inszeniert Andrew Dominik ein dichtes Psychogramm, eine intensive Charakterstudie, welche sich auf die zwischenmenschlichen Beziehungen wie moralische Zerissenheit und Instanz seiner zwei Hauptcharaktere fokussiert, deren Schicksal nicht etwa in ihrer Kühnheit , sondern in der fast schon perfiden Wahrnehmung der  von Sensationsgier gelüsteten Gesellschaft liegt.

Aus geographischer Nähe wird soziale Diskrepanz und aus Mord wird Suizid. Die Ermordung des Jesse James ist ein letzter, kritischer Abgesang auf den Westernepos. Die Ermordung des Jesse James, das sind die finalen Töne des Liedes vom Tod.

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