Zwischen Mythos und Slasher-Realität. Eine Analyse von Arthur Malediction (Barthélémy Grossmann, 2022)
Einleitung
Mit Arthur Malediction (Regie: Barthélémy Grossmann, 2022) entstand ein Film, der ein bemerkenswertes Crossover wagt: Er verknüpft das Universum von Luc Bessons Arthur und die Minimoys mit dem Horrorgenre. Eine Gruppe junger Fans reist zum vermeintlich verlassenen Drehort der „Arthur“-Filme, wo sie eine tödliche Bedrohung erwartet.
Die Erzählung baut über weite Strecken eine mystische, fantastische Atmosphäre auf, die ein Übernatürliches erwarten lässt. In der Auflösung jedoch schlägt der Film einen anderen Weg ein: Statt eines mythischen Horrors steht am Ende ein klassisches Backwood-/Slasher-Szenario.
Diese Diskrepanz macht den Film besonders interessant, da er exemplarisch zeigt, wie das Verhältnis von Erwartungsaufbau (Mythos) und narrativer Auflösung (Genrekonvention) funktionieren – oder scheitern – kann.
Thesen:
Die erste Hälfte des Films entwickelt durch Mythisierung und Anklänge an das Fantastische eine Atmosphäre, die das Potenzial einer originellen Horrorgeschichte in sich trägt.
Die Auflösung als Backwood-/Slasher-Geschichte erdet die Handlung, ist in sich schlüssig, aber weniger innovativ als der Aufbau.
Der Film verdeutlicht die Spannung zwischen Genreversprechen und Genretreue: Er kündigt eine fantastische Erzählung an, liefert aber ein konventionelles Horror-Setup.
1. Aufbau des Mythos
1.1 Popkultur als Ausgangspunkt
Die Protagonisten sind eingefleischte Fans der „Arthur“-Filme. Das Motiv der Fan-Kultur bildet den Ausgangspunkt und erlaubt eine selbstreflexive Erzählweise, bei der Kino selbst zum Gegenstand des Horrors wird (vgl. Hills 2002).
1.2 Inszenierung des Fantastischen
Das ikonische Haus wird zur Projektionsfläche: verwildert, geheimnisvoll, fast märchenhaft-bedrohlich. Akustische Verzerrungen, Schatten und Andeutungen lassen das Publikum an ein Übernatürliches glauben. Damit bedient der Film zunächst die Konventionen des „fantastischen Horrors“ (Todorov 1970).
2. Die Wendung zum Slasher
2.1 Auflösung
Der vermeintliche Fluch um Arthur entpuppt sich als Täuschung: Eine Gruppe maskierter Killer lockt Fans an, um sie zu jagen. Die Narration kippt in ein klassisches Slasher-Schema (Texas Chainsaw Massacre, Wrong Turn).
2.2 Wirkung
Diese Auflösung funktioniert als rationalisierende Erklärung und verankert den Horror in der Realität. Zugleich enttäuscht sie, da sie die zuvor aufgebaute Erwartung eines fantastischen Mythos nicht erfüllt.
3. Chancen und Probleme der Genreentscheidung
3.1 Verpasste Möglichkeiten
Ein Festhalten am mythisch-fantastischen Horror hätte eine originelle Genrekreuzung hervorgebracht: ein Fluch, der Popkultur ins Leben holt. Dies wäre innovativ und im europäischen Genrekino einzigartig gewesen.
3.2 Stärke der realistischen Erklärung
Die Slasher-Auflösung ist jedoch nicht trivial: Sie eröffnet eine Meta-Ebene, nach der nicht mythische Mächte, sondern menschliche Obsession (Fanatismus, Gewaltlust) die Quelle des Horrors sind.
3.3 Tonale Diskrepanz
Das Problem liegt weniger in der Logik, sondern in der Tonlage: Die zuvor suggerierte fantastische Dimension passt nur bedingt zur nüchternen Slasher-Erklärung. Dadurch wirkt der Film zweigeteilt.
4. Filmische Mittel
Kamera: nutzt lange Fahrten, subjektive Perspektiven und Schatten, um das Fantastische anzudeuten.
Ton: verzerrte Geräusche und Stimmen verstärken die Suggestion des Übernatürlichen.
Setting: das ikonische Haus verbindet Popkultur-Referenz mit unheimlicher Atmosphäre.
Stilwechsel: Mit der Enthüllung wechseln Bildsprache und Montage abrupt in die Ästhetik des Slashers (schnelle Schnitte, Handkamera, unmittelbare Gewalt).
5. Genre-Einordnung
5.1 Vergleich mit Meta-Horror
Der Aufbau erinnert an The Cabin in the Woods (2012), das ebenfalls mit Genre-Erwartungen spielt. Der Unterschied: Während Drew Goddards Film die Meta-Ebene konsequent reflektiert, liefert Arthur Malediction eine konventionelle Lösung.
5.2 Nähe zu Slasher-Klassikern
Mit der Auflösung orientiert sich der Film an der Tradition des Backwood-Slashers, bei dem eine isolierte Gruppe auf brutale Killer trifft (Friday the 13th, Wrong Turn).
Schluss
Arthur Malediction ist ein ambivalentes Werk: Seine Stärke liegt im Aufbau einer mythischen Erwartungshaltung, die aus dem Material der „Arthur“-Filme eine fantastische Horrorgeschichte hätte entwickeln können.
Die tatsächliche Auflösung als Slasher ist rational nachvollziehbar und interpretativ produktiv, da sie menschliche Obsession statt mythischer Mächte ins Zentrum stellt. Doch tonal bleibt ein Bruch bestehen, da das fantastische Versprechen der ersten Hälfte nicht eingelöst wird.
Der Film zeigt exemplarisch, wie die Spannung zwischen Erwartungsaufbau und Genreerfüllung im Horrorkino produktiv, aber auch problematisch sein kann.