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Imperious

Kritik von Imperious

"I transferred my passion for anatomy into the culinary arts. ” Fünf Filme, vier Vorlagen, drei Darsteller, zwei Flops und nun ...eine Serie?! Nachdem Sir Anthony Hopkins 2001 in "Hannibal" ein letztes Mal zum Hauptgang mit Siliziumbeilage bat, und sich für das Remake "Red Dragon" doch noch zu einem Dessert überreden ließ, sagte der renommierte Charakterdarsteller seiner Paraderolle Lebewohl. Selbst wenn er dann und wann beispielsweise wie in "Fracture - Das perfekte Verbrechen" noch nicht so recht die Finger von der lecter-artigen Süffisanz und Cleverness lassen konnte, musste das italienische Hollywood-Urgestein Dino De Laurentiis in potenziellen Sequels auf einen anderen Darsteller umsatteln. Der nicht gerade überproduktive Thomas Harris lässt aber mit seinem abschließenden Kannibalen-Crescendo bis heute auf sich warten und frabrizierte nach Jahren der brodelnden Gerüchteküche stattdessen das Prequel "Hannibal Rising", was 2007 dann fast zeitgleich von Arthouse-Regisseur Peter Webber ("Girl With the Pearl Earring") verfilmt wurde. Doch die Vorgeschichte um die Erlebnisse des jungen Hannibal im Europa der Wirren während und nach dem Zweiten Weltkrieg wollte weder der heisshungrigen Fanbase, noch dem internationalen Publikum, geschweige denn der Kritik so richtig schmecken. Erstmals schlüpfte mit Gaspard Ulliel nicht nur ein deutlich jüngerer Schauspieler in die Rolle, sondern auch noch ein Franzose (war Brian Cox aus "Manhunter" doch gebürtiger Schotte und stammte Hopkins doch aus Wales). Der unbekannte Ulliel (manchen vielleicht aus der episodischen Liebeserklärung "Paris, je t'aime“ bekannt) hatte also nicht nur die undankbare Aufgabe, etwas Eigenständiges abzuliefern, sondern auch Hopkins, der schließlich fest verankert in den Köpfen der Zuschauer steckte, alle Ehre zu machen. Aber obwohl der Jungstar seine Sache nicht unbedingt schlecht machte, so blieb es nahezu unmöglich, die gigantischen Fußstapfen, die "Silence Of The Lambs" auf seinem Weg quer durch das Genre und die Filmgeschichte hinterlassen hatte, würdevoll auszufüllen. Nach diesem Kassenflop wurde es also lange ruhig um das Franchise. Und um Dino De Laurentiis im November 2010 nach stolzen 91 Lenzen buchstäblich totenstill. Dann, vor fast 2 Jahren, die Meldung. Dr. Lecter darf zwar noch morden, wurde aber seinerseits umgelegt und sollte sich von nun an durch die TV-Quoten schnabulieren. Wie viele andere stand ich als eingeschworener Fan dieser Sache mehr als skeptisch gegenüber. Billige Ausschlachte einer altbewährten Marke, das am besten noch zur Hauptsendezeit und mit PG-13 Krimi-Inszenierung? Und vor allem: Schon wieder ein neuer Lecter? Doch je mehr bekannt wurde, desto vielversprechender klang diese zunächst absolut blödeste aller Ideen. Den überaus talentierten, aber ewig vom Pech verfolgten Bryan Fuller als Showrunner am Ruder, Dinogattin Martha als Produzentin, „Roter Drache“ als Handlungsbasis, mehr oder weniger das OK von Schöpfer Thomas Harris. Und interessanterweise auch eine Lebensphase Hannibals, die weder in den Büchern, noch den Filmen thematisiert wurde und der an für sich sehr interessante Charakter Will Graham, dessen übernatürliche Empathiefähigkeiten als Eidetiker im 2002er "Red Dragon" durch Edward Norton doch sehr ins Hintertreffen gerieten, während William L. Petersens "Manhunter" zumindest versuchte, dies angemessen umzusetzen. Manche News stießen dann aber doch wieder auf Ablehnung bei mir: „Morpheus“ Laurence Fishburne als (schwarzer) Jack Crawford in allen Ehren, aber: FredERICA Lounds? AlanA Bloom?! Wollte Bryan Fuller etwa ums Verrecken nicht durch den berüchtigten „Bechdel-Test“ rasseln? Einzig die Besetzung von Mads Mikkelsen (den ich bis dato fast nur aus „Casino Royale“ kannte) als neuer Hannibal Lecter machte dann ja irgendwo doch wieder neugierig. Dessen Präsenz und Ausstrahlung als kühl berechnendes Pokerface Le Chiffre war mir noch sehr gut in Erinnerung. Hoffen ließ, dass David Slade, der zum Einen den immerhin noch zweitbesten Twilight-Film „Eclipse“ verbrochen hatte, zum Anderen aber mit seinem hundsgemeinen Filmdebüt „Hard Candy“ unkonventionellen, schwer verdaulichen Tobak abgeliefert hatte, den Pilot inszenieren würde. Eben jene erste Folge, "Aperitif", bringt es fertig, einen direkt ins kalte Wasser und mitten ins Geschehen zu stoßen. Bereits in den ersten Minuten ist man zunächst verwirrt und dann einigermaßen fasziniert, wie Bryan Fuller tatsächlich das Bild des schwenkenden Pendels aus dem ersten Roman übernimmt und daraus leicht surrealistische Szenen bastelt, wie man sie vielleicht noch aus der Anfangssequenz von "Memento" kennt. „Hannibal“ bringt es tatsächlich fertig, in diesen Momenten völlig mit Will Graham in dessen Wahrnehmung abzutauchen und die Tatvorgänge visuell eindrucksvoll zu rekonstruieren. Da flutschen (digitale) Blutspritzer von der Alarmanlage zurück in sämtliche Körperöffnungen, in späteren Episoden regeneriert sich ein verdorbenes, von Maden befallenes Festmahl zum reinsten Augen-, bzw. Gaumenschmaus. Diese grandiose Umsetzung wird komplettiert durch das wirkungsvolle Sounddesign von Brian Reitzell, der ebenfalls den nicht minder unheilschwangeren Score beisteuern darf. Obwohl die Serie deutlich besser verkäuflich mit "Hannibal" betitelt ist, steht im Zentrum der Handlung eindeutig Special Agent Graham, der schon vor seiner ersten Begegnung mit Dr. Lecter als labil eingestuft und deshalb nicht zum Studium zugelassen wurde. Jack Crawford, hier genau wie in den Filmen Leiter der Abteilung für Verhaltensforschung, bestellt ihn ausschließlich aufgrund seiner außergewöhnlichen Denkweise als Sonderermittler. Sich lose am Roman orientierend, lässt Fuller Graham direkt in eine Mordserie schlittern, an deren Ende der Name Garrett Jacob Hobbs steht, der im Buch und auch im Remake mit Edward Norton höchstens eine Randnotiz ist. Ähnliches gilt für die Tochter, Abigail Hobbs. Ab der ersten Folge wird um ihre Figur konsequent ein großer Subplot aufgebaut, der immer wieder aufs Neue an Bedeutung gewinnt. Die Befürchtung, dass die Inszenierung der alles andere als Primetime-tauglichen Verbrechen zu harmlos ausfallen würde, dürfte sich bereits während der ersten beiden Folgen in Nichts auflösen. Denn was NBC, Fuller und De Laurentiis hier dem Zuschauer zumuten, setzt nicht nur neue Maßstäbe, sondern lässt auch vergleichsweise die Filmreihe handzahm erscheinen. Schonungslos und fast schon goreartig präsentiert die Serie mitunter bizarrste Tatorte. Beispiele gefällig? In Folge 2 dienen menschliche, künstlich am Leben erhaltene Körper als Pilzdünger, ein anderer Mörder transfomiert seine Opfer in "Engel" (wobei er die hochgeklappte Rückenpartie als Flügel dekoriert), später wird mithilfe des menschlichen Darms und der Stimmbänder ein vollkommen neue Klangwelt kreiert Dabei ist das Ganze aber keineswegs nur billigste Zurschaustellung wie etwa in „Saw“, sondern jedes Verbrechen ist für sich genauestens durchdacht, konzipiert und kunstvoll schrecklich-schön in Szene gesetzt. Handwerklich bewegt sich „Hannibal“ für TV-Verhältnisse auf recht hohem Niveau, Kamera und Lichtsetzung erschaffen dämonische, eiskalte Bilder, die mehr als unter die (Kopf-)haut gehen und an den Nerven zerren. Kaum bemerkt man auch die dezenten, dafür aber umso exzellenteren visuellen Effekte, die sich absolut stimmig einfügen. Dieses ganze schicke Drumherum würde jedoch jämmerlich in sich zusammenfallen, wenn das Wichtigste von allem nicht funktionieren würde. Schließlich ist Dreh-und Angelpunkt der Serie das Verhältnis zwischen Ermittler Graham und natürlich: Hannibal Lecter. Denn der eigentliche Coup ist die Besetzung beider Rollen. Hugh Dancy deckt als Will Graham über die erste Staffel verteilt die komplette darstellerische Bandbreite ab und überzeugt absolut als ausgezehrter, psychisch angeknackster Profiler, den seine Arbeit langsam aber sicher in den Wahnsinn abdriften lässt. Übertroffen wird er dabei nur noch von Mads Mikkelsen. Der dänische Charaktermime verkörpert Dr. Lecter schlicht kongenial. Obwohl anfangs noch eher zurückhaltend und scheinbar größtenteils emotionslos, bezieht er kleinste mimische Nuancen in sein Spiel mit ein und zieht spätestens in der Staffel-Halbzeit vollkommen in seinen Bann. Dabei bewältigt er einen gewagten Balanceakt: Zum einen ist er Wills vertrauenswürdiger Seelenklempner, der sich im Verlauf fast zum Freund entwickelt und ihm scheinbar um jeden Preis helfen will. Auf der anderen Seite führt er die Polizei als „Copycat-Killer“ durch Nachahmungstaten geschickt in die Irre, übt auf alle anderen Beteiligten wie sogar Jack Crawford,seine Kollegin Dr. Bloom und besonders Abigail Hobbs großen Einfluss aus und macht sie zu seinen Spielbällen, die er auch ohne mit der Wimper zu zucken über die Klinge springen lässt. Am perfidesten aber in sein Spiel mit Graham, welchen er hinterhältig als seine Laborratte manipuliert, immer weiter an dessen seelische Abgründe führt und bereit scheint, diesen eher hineinzustoßen als davor zu bewahren. Mit faszinierender, diabolischer Präzision spinnt und zieht er seine Fäden und ist scheinbar allen stets einen Schritt voraus. Dabei verklärt Fuller ihn aber auch nicht zum unantastbaren Halbgott, da es mehr als einmal auch verdammt brenzlig für Hannibal wird, seine wahren Absichten zu verschleiern. Besonders, wenn er auf einen nahezu ebenbürtigen Rivalen trifft und sich behaupten muss. Ebenfalls arbeitet Mikkelsen neben der gesellschaftlichen Akzeptanz als hoch angesehener, kultivierter der Baltimorer Society die eigentliche bittere Einsamkeit seiner Figur stark heraus. Er spielt somit eine grundlegend andere Rolle, als Anthony Hopkins sie jemals innehatte bzw. innehaben konnte. Hannibal tritt als praktizierender Psychiater auf, dem es auch hier schon diebische Freude bereitet, seinen Gästen bei ausgiebigen Dinnerpartys menschliche Innereien vorzusetzen. Mitunter strapaziert die Serie dies allerdings über, denn in nahezu jeder Folge spielt man mit der Erwartung des Zuschauers, das hier etwas nicht so ganz koscher sein könnte. Was dabei aber prächtig funktioniert, ist der schwarze Humor, den Bryan Fuller hier an den Tag legt. Etwa damit, dass jede Episode nach französischen Speisen benannt ist („Savoureux“, „Potage“, „Fromage“, „Buffet Froid“). Allerdings kann es für zartbesaitete Zuschauer, denen schon beim Gedanken an das Ende von „Hannibal“ der Magen rotiert, dann schon recht abstoßend werden, wenn gezeigt wird, wie mit seelenruhiger Hingabe Mägen, Lungen oder sogar eine Milz präpariert und und zu ansehnlichen Speisen weiterverarbeitet werden. Eine große Stärke des Formats ist, dass weder Hugh Dancy, noch irgendeine der anderen Nebenrollen von Mikkelsen an die Wand gespielt wird oder merklich abfällt. Laurence Fishburne besetzt als Crawford einen weiteren Schwerpunkt. Seine Figur wird hier deutlich ambivalenter und fast schon rücksichtslos gezeichnet, da ihm jedes Mittel recht ist, den ominösen „Chesapeake“-Ripper zu fassen. Er bekommt einiges mehr an Profil und Raum zugestanden, was ihn als Person deutlich interessanter und fast schon skrupellos macht. Hin und wieder übertreibt Fuller es aber, wenn etwa für eine Handvoll Folgen Gina Torres als seine (auch im realen Leben) krebskranke Frau eingeführt wird. Dieser Subplot verliert sich aber bis zum Ende hin vollständig und ist dann doch etwas Zuviel des Guten. Ansonsten können Fans sich über Auftritte von z.B. Anstaltsleiter Frederick Chilton freuen, der auch hier schon so unausstehlich wie damals ist. Die Geschlechtsumwandlung tut Lara Jean Chorostecki als sensationsgeile Tattler-Paparazzi keinen Abbruch und selbst Caroline Dhavernas' Dr. Bloom weiß zu gefallen, auch wenn man sich mit der hin und her schwankenden Liason mit Graham einige Freiheiten gegenüber Harris' Vorlage rausnimmt (schließlich ist es dort Dr. Alan Bloom). Trotzdem machen beide Darstellerinen aus der Zweiten Reihe einen grundsoliden Job. Etwas hochkarätiger geht es bei den diversen Gastrollen zu. So darf Eddie Izzard einen ebenfalls ehemaligen Chirurgen geben, der sich scheinbar selbst für den Ripper hält und sogar Lance Hendriksen (Android „Bishop“ aus der Alien Quadrilogy) hat einen Kurzauftritt. Eine weitere grobe Abweichung vom Material und selbst für eingefleischte Fans (was für ein Zusammenhang) überraschend dürfte der Part von Hannibals persönlicher Psychiaterin Dr. Du Maurier sein, der zwar ursprünglich mit jemandem wie Angela Lansbury im Hinterkopf geschrieben, dann aber doch mit der deutlichen jüngeren Gillian Anderson besetzt wurde. Die „Ex-X Files“ Darstellerin versprüht genug Charisma, um Mikkelsens Lecter die Stirn bieten zu können. Zudem sind die wenigen Zusammentreffen zwischen Beiden, bei denen man nie weiß, wieviel Gefühl er gerade zulässt oder sie erahnt, hervorragend gespielt und bieten die stärksten Dialoge überhaupt. Unerwähnt sollte zuletzt auch nicht das wirklich gute Spiel von Jungstar Kacey Rohl bleiben. Als undurchsichtige Abigail Hobbs könnte ihr der Durchbruch für weitere Produktionen gelingen. Doch bei allem Lob: „Hannibal“ ist bei weitem nicht perfekt. Denn abseits der starken Charaktere gibt es auch, besonders in den ersten Folgen, einen klaren Hang dazu, in die typischen Muster altbekannter Profiler-Serien abzugleiten. So abstrus die Ritualmorde aus sein mögen, sie bleiben hin und wieder wie bei vielen anderen Vertretern das „Weekly Crime“, inklusive dem makaber kalauernden Pathologie-Trio um Hettienne Park, Scott Thompson und Aaron Abrams, wobei Parks Beverly Katz noch die wichtigste Rolle zufällt. Die eigentlichen Fälle fügen sich nicht immer stimmig mit der Rahmenhandlung zusammen und rücken teilweise zu sehr in den Hintergrund, wirken hastig abgehakt und teils unspektakulär aufgelöst. Ebenfalls dem Konzept geschuldet ist die Tatsache, dass sich in Baltimore und den umliegenden FBI-Zuständigkeitsbereichen scheinbar ein ansehnlicher Teil der Einwohnerquote aus Serienmördern speist. Dramaturgisch stolpert die Serie aber über einen wichtigen Aspekt der Lecter-Figur. Auch wenn in lediglich einer Episode Hannibals Kindheit und Jugend schwach angedeutet wird, so ist diese während oder nach 1945 in Litauen bzw. Frankreich schlicht unlogisch, da die Serie hochmodern in die Jetztzeit und nicht wie im Roman „Red Dragon“ in den 80er Jahren verortet ist. Spannend wir es sein, wie Bryan Fuller damit umgehen wird, sollte er versuchen, Hannibal in dieser Hinsicht in den kommenden Staffeln mehr Tiefe verleihen zu wollen. Sei es der stufenweise Realitätsverlust von Graham, der manchmal leise an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt, Hannibals undurchdringliches Dickicht aus Intrigen oder die kompromisslose Inszenierung von u.a. David Slade oder „Pan's Labyrinth“ DP Guillermo Navarro, bei der die Grenzen zwischen Realität und Vorstellungskraft immer mehr verschwimmen: Langweilig ist „Hannibal“ nie wirklich. Leider aber auch insgesamt keine sonderlich leichte Serienkost, die man mal eben zwischendurch „genießen“ kann. Dennoch geht das Konzept trotz der am Anfang etwas gewöhnungsbedürtigen Mischung größtenteils auf und endet in Folge 13 mit einem furiosen Finale, das nicht nur für Staffel 2 die Karten völlig neu auslegt, sondern auch die Messlatte nochmal höher ansetzt, sofern bei den nur schwer verdaulichen Abartigkeiten überhaupt noch Steigerungspotenzial sein wird. So bleibt zu hoffen, dass „Hannibal“ trotz der holprigen Zuschauer-Resonanz in den USA und leider auch hierzulande trotzdem auch auf dem Bildschirm seinem Hobby weiter nachgehen darf. Denn entgegen allen Voraussetzungen ist zumindest diese Debüt-Staffel trotz kleiner Anlaufschwierigkeiten recht unkonventiolle, dafür aber umso eleganter umgesetzte, obendrein intelligente, höllisch gute Unterhaltung, die buchstäblich Appetit anregend ist. 7,5/10 Aber Vorsicht: "Before we begin, I must warn you... nothing here is vegetarian."

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