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Gertschi

Kritik von Gertschi

Abscheu als aufwühlendes Erlebnis

Süßer Tagtraum, entsetzlicher Alptraum: zwei Seiten derselben Münze, mit welcher US-Kultregisseur David Lynch seinem Publikum heimzahlt, daß es nach ihm, seinen Wahnsinnsfilmen süchtig ist. Sehnsucht auf heile Welt, Gier nach Liebe und Glück, Wollust am abgründigen Bösen, Vergnügen am Sex und Verbrechen; alles Seiten menschlicher Ambivalenz, die Lynch hier zu einer unglaublichen Story zerknüllt.

Mordlüsterne Killer auf den Fersen eines jungen Liebespaars, ferngelenkt von einem Scheusal von Mutter: Derlei simple Handlung entlädt sich bei Lynch zum infernalischen Gewitter aus makabren Szenen, perversen Episoden, phantasmagorischen Greueltaten sadistischer Monstren. Jede Pointe platzt wie ein eitriger Abszeß in diesem grausamen Märchen, obszön-bösartigen Psycho, dieser grotesk schwarzhumorigen, dekadenten Liebesgeschichte zwischen Ironie und Horror. 

Pures Grauen verbreitet etwa die fahle Domina, welche eine Hinrichtung als sexuellen Akt erlebt, einen Kopfschußorgasmus vorführt; blankes Entsetzen auch das sterbende Mädchen, welches sich verzweifelt die blutende, haarverklebte Kopfwunde frisieren möchte. Und irritierendes Gelächter, wenn ein Bankkassier den Boden nach seiner beim Überfall abgeschossenen Hand absucht, während diese in der Schnauze eines Hundes um die Ecke abbiegt.

Aber auch die liebenden Helden selbst sind bizarr genug. Sailor singt wie Elvis, prügelt wie 'n Weltmeister im Schwergewicht, begattet wie ein Rammler. Seine wie er kettenrauchende, kleine Peanut wechselt vom Powerplay ihrer aufreizenden Details augenblicklich zu bedrängter Unschuld, wenn sie in einer der erregend-anstoßendsten Momente wie das Kaninchen vor der Schlange eines vergewaltigungslüsternen Ekels zittert.

"Sag: Fick mich, dann laß ich dich!" Hypnotisch wiederholt der Schweinehund diesen Satz, bis sie gehorcht - da läßt er sie wirklich...

Lynchs Unberechenbarkeit enttäuscht nie, sein wildes Bilderstakkato prügelt das Auge wie mit Peitschenhieben. Schon in "Blue Velvet" jagte der Bürgerschreck 1987 eine Überdosis seiner Spannungsdroge durch das in den Adern erstarrte Blut der Zuschauer. Wer dies damals genoß, wird "Wild at Heart" fast als Fortsetzung ansehen.

Denn wieder gerät einem Abscheu zum aufwühlenden Erlebnis, wenn kranke Leidenschaften und abartige Exzesse das romantische Glück zweier Liebenden auf ihrer Flucht von  krimineller Vergangenheit in idyllischer Zukunft bedrohen. Vielleicht ist es deshalb, weil Lynch mit Ingrid Bergmans Tochter Isabella Rosselini damals liiert war, daß beide Hauptdarsteller Nachkommen prominenter Stars sind: Nikolas Cage als Coppolas Enkel, Laura Dern als Tochter von Diane Ladd - welche auch im Film die Mutterrolle spielt - und Bruce Dern.

Fazit: Die Chemie zwischen Nicolas Cage und Laura Dern stimmt, was das wilde Paar doch irgendwie sympathisch macht, obwohl die auch nicht alle Tassen im Schrank haben (genau wie jeder andere hier). Ein Highlight ist aber Willem Dafoe als Bobby Peru, mal wieder genial! Die Musik ist außerdem sehr gut. Die rock 'n rollende Filmsinfonie polarisiert schon sehr zwischen Sex, Gewalt und Romantik und es ist schon ein Wunder, dass das Ergebnis am Ende doch so stimmig und zufriedenstellend ist, trotz der etwas überbordenden Laufzeit.

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