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Gertschi

Kritik von Gertschi

Fifty Shades of Stalin

Was macht die höchstbezahlteste Schauspielerin der Welt, wenn das Franchise, das sie an die Spitze gebracht hat, endet? Sie sucht nach ihr entsprechenden Filmrollen, was in letzter Zeit wohl gar nicht so einfach für sie war. 20 Millionen Dollar hat Jennifer Lawrence verdient in einer ungewollt gruseligen Science-Fiction-Romanze ("Passengers"), der allegorische Arthouse-Horror ihres Freundes Darren Aronofsky ("Mother!") hat ihr eine unverdiente Razzie-Nominierung eingebracht und jetzt spielt sie eine russische Attentäterin in einem düster-sexuellen Spionagethriller. Sicher kann man die Qualität ihrer "Post-Hunger-Games"-Projekte in Frage stellen, aber es ist schwer, den Ehrgeiz hinter dem Entscheidungsprozess von ihr zu bemängeln.

Basierend auf einem Bestseller-Roman des ehemaligen CIA-Agenten Jason Matthews sieht "Red Sparrow" die Diva als eine Ballerina, Dominika Egorova, die am Bolschoi tanzt und ihre Position nutzt, um sich um ihre kranke Mutter zu kümmern. Aber als sie ein Unfall am Bein schwer verletzt, findet sie ihre Welt in Unordnung, unfähig zu tanzen und nicht in der Lage für ihre Mutter finanzielle Unterstützung zu leisten. Ihr Onkel Vanya (Matthias Schoenaerts, könnte in dieser Rolle glatt als Putin-Double durchgehen) hat eine Lösung: Wenn sie ihm mit einem kleinen Job aushilft, kann er ihr helfen. Doch die Dinge laufen nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt hat, und sie wird Zeugin eines brutalen Mordes.

Anstatt sie töten zu lassen, schickt Wanja sie in eine Schule für Spatzen ("Sparrows"), junge, normalerweise ehemalige Militärschülerinnen, die ihre Verführungskünste anwenden, um das zu bekommen, was sie vom Feind erwarten. Sozusagen Huren und Femmes Fatales im Dienste des Staates ("You must inure yourself to what you find repellent"). Dominika Egorova und die anderen Agentinnen in spe müssen sich zu Lehrzwecken entblößen, vor versammeltem Team einen Blowjob vollziehen oder sich sogar vergewaltigen lassen – Hauptsache, die Gelüste des Zielobjekts werden befriedigt. Wenn Dominika wiederum splitterfasernackt und mit weit gespreizten Beinen auf einem Tisch sitzt und ihr Gegenüber auffordert, sich an ihr zu vergehen, übernimmt sie fast unmerklich die Kontrolle und das Machtgefüge verschiebt sich - bezeichnenderweise bekommt der Mann keinen hoch, als sein Opfer sich ihm bereitwillig vor die Füße wirft. All das wird fürs US-Kino ungewöhnlich explizit gezeigt und ausgebreitet.

Nachdem sie während der zweifelhaften Ausbildung einen ungewöhnlichen Trotz gezeigt hat, wird sie extrahiert und auf ihre erste Mission geschickt, den CIA-Agenten Nate Nash (Joel Edgerton) zu umgarnen und ihm den Namen eines russischen Maulwurfs zu entlocken. Aber kann man ihr vertrauen?

Red Sparrow“ geriet schon während der Dreharbeiten in die Klatschspalten diverser Medien und machte Schlagzeilen als „der Film, in dem Jennifer Lawrence blankzieht“. Doch solche sensationsheischenden Überschriften werden dem auf dem Roman „Operation: Red Sparrow“ von Jason Matthews basierenden Noir-Thriller in keiner Weise gerecht. Während man "Passengers" als seltsame, unrettbare Lovestory im All einstufen konnte und "Mother !" ein verblüffender Fehlschlag war, braucht Lawrence nun dringend einen "Home Run", den sie sich durch "Red Sparrow" erhofft. Im Unterschied zu "Hunger Games" ist die Welt dieser neuen Franchise der unsrigen erschreckend ähnlich. Und im Unterschied zu James-Bond-Filmen und ihren Epigonen lebt dieser Film mehr von Thrill und Intrige als von aufwendig inszenierter Action oder touristisch ins Bild gesetzten spektakulären Schauplätzen.

Eine merkwürdige Perversität durchzieht diesen Film, die sich in einer erschreckend dreckigen Duschszene zu Beginn des Films abzeichnet, und überall herrscht eine schockierende Bereitschaft, bis an die Grenze des Akzeptablen in einer zeitgenössischen Hollywoodproduktion zu gehen. Es gibt eine total frontale Nacktheit, gewalttätige Vergewaltigung, implizierter Inzest, grafische Folter und eine dunkel sexuelle Atmosphäre, die zu einer Reihe von unangenehmen Momenten führt.

Aber so oft Regisseur Francis Lawrence (der Schauspielerin Jennifer Lawrence durch drei der vier "Hunger Games"-Kapitel führte) bereit zu sein scheint, die Grenzen zu überschreiten, ist er doch im Grunde zurückhaltend. Während einige sexuelle Inhalte mit erstaunlicher Offenheit dargestellt werden, sind andere Szenen kastriert. Es entsteht eine unangenehme Dissonanz, die zu einem sich verändernden, unsicheren Ton führt, und man fragt sich, welcher Film aus einer ruhigeren, aber wilderen Hand hätte entstehen können (Brian De Palma hätte endlos Spaß damit gehabt). Die Richtung fühlt sich manchmal flach und leidenschaftslos an, und während es einige eindrucksvolle Panoramaausblicke gibt, wirken andere Szenen extrem künstlich und unbeholfen beleuchtet.

Obwohl wenn es zunächst schon irritierend genug erscheint, dass Jennifer Lawrence mit dichtem Dunkelpony und eigens antrainiertem Akzent (welcher in der deutschen Synchronfassung durch Maria Koschny noch gewöhnungsbedürtiger ist) eine Russin mimt, hat man zu allem Überfluss auch sämtliche Nebenrollen mit Darstellern besetzt, die ebenfalls so wenig osteuropäisch sind wie dieser US-Film, in dem kaum mehr als ein paar Brocken Russisch gesprochen werden. Aber trotz einiger Mängel treibt ein unerschütterlicher Erzählantrieb den Film an und hält das Interesse für die 139-minütige Laufzeit aufrecht. Lawrences Filmstar-Magnetismus hält uns auf ihrer Seite, neugierig darauf, was ihr moralisch widersprüchlicher Charakter als nächstes tun wird.

Fazit: Solider Spionagethriller, der von seinen charismatischen Hauptdarstellern lebt. Jennifer Lawrence als verführerische russische Spionin und Joel Edgerton als CIA-Agent liefern sich zwischen Budapest und London ein Katz-und-Maus-Spiel, garniert mit sadistischer Brutalität und zynischen Sexeinlagen. Nicht zu vergessen der grandiose Soundtrack von Mastermind James Newton Howard.

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