Eine Buchreihe, die sich mehr als 2,5 Millionen mal verkauft und in 22 Sprachen übersetzt wurde, ist mehr als prädestiniert für eine Filmadaption. So verwundert es nicht, dass Katja Brandis mittlerweile 14 Bücher umfassende Reihe über den Gestaltenwandler Carag und seine Freunde tatsächlich auf die Kinoleinwand geschafft hat, zumal die Kinder- und Jugendbuchreihe absolut den Zeitgeist widerspiegelt und im Kern neben den typischen Jugendthemen um Freundschaft, Schule und das Anderssein, sich stark mit Umweltthemen auseinandersetzt. Aus dieser literarischen Vorlage könnte man sicherlich viel machen, aber leider kann die filmische Interpretation dem nicht gerecht werden. Dieses Urteil darf man durchaus fällen, selbst wenn man die Bücher bisher nicht gelesen hat. Viel zu oft bleibt der Film oberflächlich, vor allem bei der Charakterzeichnung der Hauptfiguren und das ist tatsächlich das Hauptproblem von Woodwalkers.
Der junge Carag (Emile Chérif, Mein Traum - Meine Geschichte), ein Gestaltenwandler, der sich in einen Puma verwandeln kann, bekommt nach Problemen an seiner alten Schule und mit seiner Pflegefamilie die Gelegenheit, an einer neuen Schule angenommen zu werden und sich endlich besser in die Menschenwelt zu integrieren. Carag lebte nicht immer unter den Menschen und kann seine Fähigkeiten noch nicht immer kontrollieren. Nur gut, dass die neue Schule nur für Woodwalker, wie ihn ist und er dort seine Gabe trainieren kann. Glücklicherweise findet er in Holly (Lilli Falk, The Zone of Interest), einem frechen, neunmalklugen Rothörnchen-Mädchen und Brandon (Johan von Ehrlich), einem etwas unbeholfenen Bison-Jungen, der sich nachts schon mal aus Versehen im Schlaf verwandelt, bald Freunde. Wie es für derartige Geschichten typisch ist, gibt es die Antagonisten, hier in Form einer draufgängerischen und streitsuchenden Gruppe junger Wolfs-Wandler und eines Oberschurken, zu dem aber nicht mehr verraten werden soll. Klingt irgendwie bekannt? Die Parallelen zu Harry Potter sind unverkennbar, auch wenn die Autorin dies gern abstreitet.
Deshalb ist es legitim, die Verfilmungen bis zu einem gewissen Grad zu vergleichen, auch weil Harry Potter Maßstäbe gesetzt hat, an die bisher keine andere Verfilmung mit einer ähnlichen Thematik wirklich herangekommen ist. Klar hatte man für Woodwalkers nicht dasselbe Budget und muss deshalb Abstriche machen und vielleicht die ein oder andere aufwendige Szene als News einblenden oder durch Erzählungen einbringen, wie etwa die unerklärlichen Angriffe einiger Tiere auf die Menschen. Die Effekte, die man zeigt, sind dennoch ganz ordentlich und die Protagonisten geben sich auch alle Mühe, die Actionszenen glaubhaft rüberzubringen. Das Problem ist vielmehr die eigentliche Handlung. Es fängt schon damit an, dass man eigentlich über Carag kaum etwas erfährt. Sein früheres Leben als Puma wird nur kurz angedeutet, genauso wie seine Probleme in seiner Pflegefamilie und seiner früheren Schule. Zu sehen bekommt man davon nichts. Man erinnere sich dagegen an Harry Potter, den man zuerst in seiner (Pflege-)Familie kennenlernt und das problematische Umfeld und die schlechten Bedingungen, unter denen er dort leben muss, gleich dazu. Carag scheint es indes recht gut in seiner Familie zu gehen und deshalb verwundert es zunächst schon, warum er die Schule wechseln und auf ein Internat gehen muss. Die Spannungen mit dem Sohn der Familie werden auch nicht weiter beleuchtet, obwohl sie wohl ein Grund sein sollen.
Für das Verständnis der Figur Carag wäre es definitiv von Vorteil gewesen, bei der Vorgeschichte auszuholen, um seine Motive für sein späteres Verhalten nachvollziehen zu können. Genauso wenig geht man näher darauf ein, warum er seine Puma-Familie verlassen hat. Auch hier fällt die Antwort irgendwann im Laufe des Films kurz und knapp aus. Über die anderen Figuren weiß man ebenso wenig, denn sie bekommen kaum oder gar keinen Background. Das kann sich natürlich in weiteren Verfilmungen ändern, fällt aber in der Gesamtbetrachtung erstmal eher negativ auf. Ein weiteres Problem ist jedoch, dass man nie wirklich in die magisch-mystische Welt eintauchen kann. Dafür bleibt vieles im Verborgenen und selbst der Schulalltag beschränkt sich offenbar auf die Mittagspause und die Unterrichtseinheiten im Verwandeln und Kämpfen. Wenn man bedenkt, welchen fantasievollen Unterrichtsfächer man in Hogwarts begegnet oder was eigentlich selbst in Woodwalkers möglich wäre, dann kann es nur enttäuschen. Dafür, dass sich die Woodwalker als Hüter der Natur sehen, scheinen sie hierüber wenig zu lernen.
Irgendwann kommt man dann zum großen Finale und muss erkennen, dass man auch dieses schnell abhandeln wollte, wobei man hier sicherlich dem Budget die Schuld geben kann. Woodwalkers wirkt oft viel zu eindimensional und wimmelt nur so von Andeutungen, ohne sich die Zeit zu nehmen, wirklich seine Figuren oder die Welt zu ergründen. Die Szenen wirken oft zu gehetzt, um dann wieder in einfachen, teils nichtssagenden Dialogen zu enden. Die Protagonisten sind sichtlich bemüht und schauspielerisch können die jungen Darsteller, die teilweise überhaupt keine Vorerfahrungen hatten, durchaus überzeugen. Das hilft aber nicht, wenn zu den Problemen der Handlung noch so einige Logiklöcher beziehungsweise Widersprüche kommen. Gemeint ist insbesondere Rätsel um die Kleidung, die jedes Mal zerstört wird, wenn sich jemand in ein größeres Tier verwandelt und bei der Rückumwandlung teils neue Kleidung gebraucht wird und teils nicht.
Es ist aber nun bei weitem nicht alles so schlecht, wie es klingen mag. Die eigentliche Zielgruppe wird vieles sicherlich anders sehen und ohne die Vergleiche zu Harry Potter ist der Film einigermaßen okay. Das liegt neben dem guten Cast in erster Linie an den gelungenen Landschaftaufnahmen und dem Umstand, dass man für den Dreh echte Tiere einsetzte und deshalb nur wenige CGI-Tiere zu sehen sind. Pluspunkte sammelt der Film oder eher die Buchreihe zusätzlich dadurch, dass man sich dem Thema Naturschutz auf originelle Weise annimmt und dieses zum Kern des Geschehens macht, inklusive der Frage, wie weit darf man für den Naturschutz gehen und ist man wirklich ein besserer Mensch (oder Gestaltenwandler), weil man sich für das Wohl von Flora und Fauna einsetzt?