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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Auf dem Weg zur Arbeit hat Ania eine seltsame Begegnung. Mitten im Park steht sie einem Wolf gegenüber. Sie sehen sich direkt in die Augen - und es kommt ihr so vor, als wäre ihr bisheriges Leben ein Witz. Der Moment lässt sie nicht mehr los, genau wie der Gedanke den Wolf wieder zu finden und nie mehr gehen zu lassen. Ania wird zur Jägerin, legt Fährten und schafft es das wilde Tier zu fangen. Sie sperrt es in ihrer Hochhauswohnung ein - und sprengt sämtliche Fesseln ihres bisherigen bürgerlichen Lebens. Erstaunlicherweise finden die Menschen um sie herum daran Gefallen, besonders ihr Chef Boris, der ihre Nähe sucht wie nie zuvor. Fast scheint es, als teilten sie alle eine ähnliche, geheime wilde Sehnsucht.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Die dritte Spielfilm-Regiearbeit der Schauspielerin Nicolette Krebitz („Das Herz ist ein dunkler Wald“) lief in der offiziellen Auswahl des diesjährigen Sundance Filmfestival und wurde dort durchaus positiv aufgenommen. Amerikanische Medien waren sich beinahe einig, dass das Kino der Berliner Schule - und dazu gehören Krebitz und ihr neues Werk „Wild“ - als Vorbild für Hollywoods Schauspieler gelten sollte und dass man einen Film wie diesen noch nicht zu sehen bekommen habe. Ein überaus großes Lob für die Hauptdarstellerin des Films, jedoch auch eines, das leider zwangsweise verpuffen wird; Hollywood verwechselt Schauspieler viel zu oft mit Models. Der Berliner Schule würde so was niemals passieren.

Aus vielen Texten, die sich mit dem Film beschäftigen, scheint man jedoch neben aller Zufriedenheit auch stets eine gewisse Unsicherheit herauszulesen. Eine Unsicherheit, die verständlich ist, spielt Krebitz in ihrem Film doch nicht nur entschieden mit jeglichen Erwartungen des Zuschauers, indem sie jene unterläuft. Stattdessen findet sie auch Momente, in denen sie in aller Provokation fordert und konfrontiert. Grob zeigt der Film einen Ausschnitt des Lebens von Ania (Lilith Stangenberg, „Der Staat gegen Fritz Bauer“), die anscheinend von irgendwie und irgendwo noch russische Gene hat und eigentlich ganz hübsch sein könnte, wenn sie sich ein wenig anstrengen würde - das sagt zumindest ihr Boss auf der Arbeit. Ania arbeitet in einer profillosen Stadt in einem engen Büro, das aussieht, als würde es in einem Kellergeschoss liegen. Ein Kontrast, ist Anias Wohnung doch ziemlich weit oben in einem Hochhaus irgendwo am Stadtrand, an einen Park grenzend.

Sie lebt an der Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis, Gefängnis und Weitläufigkeit, zwischen dem Kampf mit anderen und dem Kampf für sich selbst. In ihrem Büro fühlt Ania sich einfach nicht wohl - sie ist zwar eine geschätzte Mitarbeiterin, wird aber nicht als solche behandelt. Wenn ihr Chef einen Kaffee haben will oder ihre Dienste anderweitig benötigt, donnert er lediglich einen Knetball an die Glasscheibe ihres Platzes. Ihre Kollegen machen Scherze über sie und ergötzen sich an ihrer Schadenfreude, wenn es so aussieht, als würde sie mal wieder Ärger bekommen. In einer Szene fällt Ania die Milch bei der Kaffeemaschine herunter, sie kniet sich hin und wischt die Sauerei auf. Hier macht Krebitz etwas schlaues, sie lässt Tom (Pit Bukowski, „Der Bunker“) auftauchen, der sich neben Ania stellt - man sieht ihn nur bis zur Hüfte. Tom würde gerne seine männliche Vormachtsposition ausspielen, er würde gerne über Ania stehen, sodass sie sich fügen muss. Ania jedoch macht da nicht mit.

Auf ihrem Weg von ihrem Zuhause zur Arbeit und von der Arbeit zurück heim durchquert Ania einen Park. Unvermittelt sieht sie dort einen Wolf stehen. Ein Wolf in der Wildnis, etwas verloren steht er da, ist aber ruhig und verschwindet schließlich im Gehölz. Ania ist fasziniert und beginnt mit den Vorbereitungen; sie möchte den Wolf einfangen und mit ihm in ihrer Wohnung leben. Dabei entfaltet sich mit der Zeit ein Verhältnis zwischen Tier und Mensch, das mal Züge von verbotener Liebe trägt, dann wieder rein freundschaftlich wirkt und schließlich in einer Transformation mündet, die den Mensch zurück zu seinem Ursprung führt. Ohne dass beidseitige Kommunikation möglich ist, unterhält Ania sich mit dem Wolf, versucht, ihm Begriffe beizubringen und macht ihm Frühstück. Je näher sie dem Tier kommt, desto autarker scheint sie von ihren Mitmenschen (sprich, den Personen im Büro) zu werden. Sie folgt nicht blind den Befehlen ihres Chefs, sie folgt einem eigenen Plan. Sie ermutigt eine Kollegin zur Zerschlagung der Fesseln der Knigge. Sie wartet nicht auf den Mann, sie befriedigt sich selbst.

Als die Reise einer Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen wurde der Inhalt von „Wild“ beschrieben. Es mag seine Zeit dauern, bis die Reichweite dessen bewusst wird. Das Werk von Kredits ist kein Film, den man einfach so nebenbei sieht, nach dem man das Kino verlässt und mit seinen Gedanken schon ganz woanders ist. Kein Film, der hier rein, da raus die Schaltzentrale des Zuschauers nur kurz tangiert, sondern einer, der Rätsel aufgibt und nicht daran denkt, dem Publikum auch nur einen einzigen Gefallen zu tun. Besonders deutlich wird das in den Momenten, in denen Krebitz explizit die Provokation sucht, Ejakulat und Exkrement in den Momenten der Offenbarung deutlich zeigt und dem Zuschauer vorher noch Sekundenbruchteile der Vorbereitung lässt. Macht sie das jetzt wirklich? Ja, sie macht es wirklich - und der Zuschauer wird Augenzeuge. Er ist nämlich das fehlende Glied in der Gleichung des Films, die die Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen darstellt. Ania befreit sich; nicht nur von ihren Mitmenschen, sondern auch vom Publikum, von dem sie die ganze Zeit begafft wird.

Fazit

Nicolette Krebitz’ neuer Film „Wild“ ist ein Werk, mit dem der Zuschauer es nicht leicht haben wird. Die Reise von Ania wird ruhig aber explizit gezeigt, entfaltet sich langsam aber sicher und mündet schließlich dort, wo kein Raum für Zweifel ist, kein Raum für die erdrückende Hand der gesellschaftlichen Normen und Zwänge. Ania befreit sich dank des Wolfs, dem loyalen, von Instinken getriebenen Tier. Und dennoch war es selten, dass das Verfassen eines Fazits schwieriger ist, als der eigentliche Text. Bei „Wild“ ist das der Fall. Denn die Voraussetzung eines Fazits ist, dass man eine abschließende Meinung mit Bestimmtheit preisgeben kann. Bei aller Zufriedenheit kommt da dieses bestimmte Maß an Unsicherheit ins Spiel.

Kritik: Levin Günther

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