Nur wenige Stunden vor der Entstehung dieser Kritik wurde Late-Night-Talker Jimmy Kimmel „vorerst abgesetzt“. Der Grund: Er äußerte sich kritisch darüber, dass der Mörder des rechten Influencers Charlie Kirk nicht in das von der MAGA-Bewegung erhoffte Feindbild passt. Anja Osterhaus von „Reporter ohne Grenzen“ sprach in der Tagesschau von einer „klaren Eskalation gegenüber Medienschaffenden“. Dieses Ereignis ist jedoch lediglich ein Symptom für eine Entwicklung, die weit über die USA hinausweist. Die Welt wirkt zunehmend wie ein Irrenhaus, gelenkt von Machthungrigen ohne Skrupel oder Empathie. In dieser Atmosphäre der Zerrüttung und Verunsicherung entfaltet Paul Thomas Anderson (There Will Be Blood) mit seinem neuesten Film One Battle After Another ein Werk, das nicht nur auf die Gegenwart reagiert, sondern sie auf faszinierende Weise reflektiert. Was zunächst nach schwerfälligem Politkino klingt, entpuppt sich als energiegeladenes, bildgewaltiges Meisterstück, das den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute in seinen Bann zieht.

Anderson, dessen Werk schon immer zwischen menschlichen Abgründen und gesellschaftlichen Dynamiken oszillierte, präsentiert hier einen Film, der sich wie ein Koloss auf die Leinwand legt und doch in jeder Einstellung eine fast spielerische Eleganz bewahrt. One Battle After Another nimmt sich Zeit, um seine Welt zu etablieren, doch keine Sekunde ist verschenkt. Jede Szene ist präzise komponiert, jede Bewegung treibt die Handlung voran. Zwar begegnen wir vertrauten Versatzstücken – Einbrüchen, konspirativen Treffen, finsteren Verstecken –, doch durch Andersons Inszenierung wirken sie zugleich entrückt und unheimlich vertraut. Die Figuren, die er in dieses Szenario stellt, sind keine überhöhten Ikonen, sondern widersprüchliche, zutiefst menschliche Wesen, die den Zuschauer immer wieder überraschen.

Schon der Beginn verdeutlicht, dass Anderson die Revolution nicht als bloße Geste des Widerstands zeigt, sondern als vielschichtigen, zutiefst ambivalenten Prozess. Mitunter verknüpft er sie mit erotischen Untertönen, inszeniert die Auflehnung gegen ein System als „Erotik des Widerstands“, die sowohl humorvoll als auch verstörend wirkt. Schnell wird klar: Auch die Revolutionäre sind nicht frei von Machtgelüsten. Selbst diejenigen, die vorgeben, das System zu stürzen, verfallen der Versuchung, ihre neu gewonnene Autorität auf verdrehte Weise auszunutzen. Der Film erzählt also nicht nur von politischen Kämpfen, sondern von der Unvollkommenheit des Menschen – und gerade darin liegt seine Stärke.

Im Zentrum steht Bob, gespielt von Leonardo DiCaprio in einer seiner faszinierendsten Rollen der letzten Jahre. Einst selbst Teil der Bewegung, hat er sich nach Jahren des Exzesses und der Ernüchterung zurückgezogen und versucht, ein bescheidenes Leben als alleinerziehender Vater zu führen. Als er mit einem Schlag in die Vergangenheit gezerrt wird, ist sein Ziel nicht der Umsturz, sondern die Suche nach seiner Tochter – und nach einem klaren Kopf. DiCaprio verleiht diesem Mann zwischen Lethargie, Verwirrung und Entschlossenheit eine Tiefe, die an Inherent Vice - Natürliche Mängel erinnert, ist kein Zufall: Anderson ließ sich stark von Thomas Pynchons Roman Vineland inspirieren – jenem Autor, der auch die Vorlage für Inherent Vice lieferte

Doch wo Inherent Vice manchmal im Rausch seiner eigenen Exzentrik verlorenging, gelingt es Anderson diesmal, das Absurde und das Ernste in ein perfektes Gleichgewicht zu bringen. Wenn DiCaprio im Morgenmantel und mit Sonnenbrille am Telefon rätselhafte Codes zu entschlüsseln versucht, ist das urkomisch – zugleich spiegelt die Szene die Absurdität einer Bewegung wider, die auch im Widerstand an bürokratische Strukturen gebunden bleibt. Anderson lacht seine Figuren niemals aus; er nimmt sie ernst, gerade wenn sie scheitern. Deshalb wird Bobs Mission, seine Tochter zu retten, nie zur reinen Farce, sondern bleibt emotional verankert.

Eindrucksvoll ist auch die Gegenseite besetzt: Sean Penn (Licorice Pizza) liefert als Antagonist Steve Lockjaw eine seiner intensivsten Leistungen ab. Mit kühler Präsenz, gedrillter Körperlichkeit und einem Blick, der zwischen Überheblichkeit und Verzweiflung schwankt, verkörpert er einen Mann, der zwar Macht ausübt, aber nie Teil der wirklichen Elite sein wird. Diese Zerrissenheit macht die Figur bedrohlich und tragisch zugleich. Anderson entlarvt damit die Mechanismen einer Welt, in der nicht politische Parteien, sondern wohlhabende und ideologisch verhärtete Männer die Fäden ziehen. One Battle After Another wirkt dadurch nicht wie eine ferne Dystopie, sondern wie ein Kommentar zur Gegenwart – erschreckend aktuell und von brennender Relevanz.

Formal zeigt sich Anderson in Höchstform: Die Bilder sind atemberaubend komponiert, die Actionsequenzen wuchtig und zugleich klassisch inszeniert, während der Score von Radiohead-Mastermind Jonny Greenwood die Handlung antreibt, die Spannung steigert und dem Film eine beinahe hypnotische Qualität verleiht. Zugleich blitzt immer wieder Andersons Gespür für das Skurrile auf, das er nie ins Lächerliche zieht, sondern als Spiegel unserer Wirklichkeit nutzt. Paradebeispiel dafür ist Benicio del Toro (Sicario) als geheimnisvoller Sensei, der auf den ersten Blick wie eine schräge Nebenfigur wirkt und mit komischen Momenten für Auflockerung sorgt. Doch hinter der Exzentrik verbirgt sich eine bittere Wahrheit: Durch ihn eröffnet uns Anderson die Welt jener Menschen, die in ständiger Angst vor der US-Behörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) leben, die sie wie Streuner von den Straßen aufliest und verschwinden lässt. Der Sensei mag für Lacher sorgen, doch er schärft zugleich den Blick auf die Unmenschlichkeit eines Systems, das mit bürokratischer Kälte Existenzen zerstört – ein Balanceakt zwischen Humor und bitterer Realität, den Anderson meisterhaft beherrscht.

One Battle After Another ist ein Film, der sich schwer in wenige Sätze fassen lässt. Er bietet unendlich viel – für manche vielleicht zu viel –, doch gerade diese Fülle macht ihn so einzigartig. Er wirft einen ungeschönten Blick auf unsere Welt, zeigt ihre Absurditäten, ihre Widersprüche und ihre düstere Komik. Dabei verliert er nie seine emotionale Mitte: Bob, dessen Ziel so einfach wie universell ist – Sicherheit für sein Kind. Während seine Frau einst im Widerstand den Sinn des Lebens suchte, begnügt er sich mit der Verantwortung für seine Tochter. Ob er damit ein Held, ein Feigling oder schlicht ein gewöhnlicher Mensch ist, muss das Publikum selbst entscheiden.

Am Ende bleibt das Bild einer Generation, die zwischen Zynismus und Hoffnung schwankt. Bobs Tochter Willa (Chase Infiniti, Aus Mangel an Beweisen) trägt das Erbe ihrer Eltern weiter, und vielleicht liegt in ihr die leise Aussicht auf eine bessere Zukunft. Anderson zeigt uns damit, dass es trotz allem einen Funken Hoffnung gibt – nicht im großen Umsturz, sondern im kleinen menschlichen Zusammenhalt. So schlägt One Battle After Another eine Brücke zurück zu der Welt, in der wir leben: einer Welt, die zunehmend aus den Fugen gerät, die sich manchmal wie ein Irrenhaus anfühlt, die aber immer noch Momente der Menschlichkeit hervorbringt. Andersons Film ist damit mehr als eine Perle des modernen des Kinos – es ist ein kraftvoller Kommentar zur Gegenwart, gleichzeitig erschütternd und tröstlich.