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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Adriana Altaras ist Regisseurin, Schauspielerin und Autorin. Sie ist Mutter zweier Kinder und Ehefrau eines deutschen Katholiken. Sie stammt aus einem Land, das es so nicht mehr gibt: Jugoslawien. Die Tochter jüdischer Partisanen, die für Tito kämpften und die im Nachkriegsdeutschland ein neues Leben begannen, erzählt in "Titos Brille" von ihrer "strapaziösen Familie". So ungewöhnlich Adrianas Familienleben auf den ersten Blick auch sein mag, so beispielhaft ist es für einen Großteil der Generation der Nachkriegskinder - trotz eines prallen Lebens sind die Wunden aus der Vergangenheit ihrer Eltern bis heute zu spüren und die Suche nach den eigenen Wurzeln ein steter Begleiter.

Kritik

»Jede Familie hat gleich viele Legenden wie Geheimnisse«, weiß die Autorin, Schauspielerin und Regisseurin Adriana Altaras. »Die Legenden werden immer wieder erzählt, damit die Geheimnisse im Dunkeln bleiben.«

Legenden und Geheimnisse: In Altaras’ eigener Familie gibt es davon mehr als genug. Geboren 1960 in Zagreb — heute Kroatien, damals Titos Jugoslawien — ist sie Tochter zweier Partisanenhelden, die jedoch aus politischen Gründen bald nach Deutschland flüchten mussten, wobei die kleine Adriana von ihrer Tante auf dem Rücksitz eines Fiats zunächst nach Italien geschmuggelt wurde. Das sind Elemente, die das Herz jedes Geschichtenerzählers höher schlagen lassen, und nicht umsonst hat Adriana Altaras die Geschichte ihrer »strapaziösen Familie« zunächst als Buch veröffentlicht. Der gleichnamige Dokumentarfilm »Titos Brille« begleitet sie nun auf ihrer persönlichen Spurensuche. Denn das Erbe jener strapaziösen Familie lässt Adriana Altaras nicht los. Vater, Mutter und sogar Marschall Tito suchen sie als »Dibbuks« heim — Dibbuks, erklärt sie, sind nach jüdischem Volksglauben die Geister der Verstorbenen, die den Lebenden Unfrieden bereiten. Mit der Reise auf den Spuren ihrer Familie will Adriana Altaras mit sich und ihrem Erbe ins Reine kommen. Die Kamera begleitet sie dabei.

Die Reise führt von Berlin über Gießen, die slowenische Villa Bled und den italienischen Gardasee bis nach Split, Zagreb und auf die Insel Rab, untermalt von Balkanmusik und den beschwingten Klängen des Partisanenklassikers »Bella Ciao«. Geschickt verwebt der Film dabei die verschiedenen Schicksale und Stationen von Adrianas Familie: Da ist der Vater Jakob Altaras, »Partisanenheld, Frauenheld«, fasst Adriana zusammen. Als Partisane unter Tito gelangte er zu Ruhm, in Deutschland wurde er ein anerkannter Radiologe. Hartnäckig hält sich in der Familie die Anekdote, wie »Jakica« Altaras vor einer entscheidenden Schlacht Titos Brille reparierte und die Partisanen so zum Sieg führte. Allerdings hat der Marschall in Wirklichkeit wohl gar keine Brille getragen … Dann gibt es die Mutter Thea Altaras, Architektin, überzeugte Kommunistin und höchst engagiert in der jüdischen Gemeinde Gießens, stumm leidend unter den Abenteuern ihres Mannes. Und natürlich weitere Familie wie den Großvater Sigismund »Žiga« Fuhrmann oder die schöne Tante Jele. Und ihrer aller Geschicke sind verknüpft mit den politischen Entwicklungen ihrer Zeit. Indem Adriana Altaras ihrer eigenen Familiengeschichte nachspürt, folgt sie auch zu einem Großteil jener des Balkans, insbesondere eben dem kommunistischen Partisanenwiderstand des 2. Weltkriegs, der Befreiung eines Konzentrationslagers, aber auch Glanz und Schatten im späteren Jugoslawien unter Tito. Nicht immer chronologisch, doch insgesamt fällt es leicht, den Überblick zu behalten.

Was »Titos Brille« klar auszeichnet, sind die erzählerische Stärke und Leichtigkeit, das sichere Gespür für eine gute Geschichte, oder besser: für viele gute Geschichten.

Etwas schwieriger gestaltet sich bisweilen die Inszenierung von Adriana Altaras selbst — die zunächst durchaus legitim ist, da es ja auch um ihre eigene Geschichte geht. Doch ob es für den Film unbedingt von Belang gewesen wäre, wie sie über das »Hitlerbärtchen« des Nachbarn philosophiert, ihren ältesten Sohn einen »Arsch« nennt und manche Interviewpartner mit deutlichem Augenrollen vorführt, bleibt die Frage. So aber stellt sich Altaras zuweilen mit wenig Fingerspitzengefühl in den Mittelpunkt, wo weniger gerade mehr gewesen wäre und wo der Film für eine tiefere Wirkung keinen Holzhammer benötigt hätte. Ihre Geschichte, das klingt immer wieder mit durch, ist auch die einer Tochter, die sich von Kindheit an oft alleingelassen fühlte, sei es räumlich — im deutschen Waldorf-Internat — oder rein kommunikativ — was den Umgang mit der Familiengeschichte betrifft. Ein wenig Trotz und Hilflosigkeit schwingt darum in der ganzen Suche jederzeit mit, ist verständlich, nachvollziehbar berührend und wirkt doch manchmal seltsam fehl am Platz, so als sei Altaras sehr bemüht gewesen, sich an manchen Stellen möglichst stark einzubringen. Das wirkt nicht immer gelungen, nicht immer authentisch, und auch die Pointen sitzen keineswegs immer, auch nicht bei den mit einem Augenzwinkern erzählten jüdischen Witzen oder den selbstironischen Einlagen.

Unterhaltsam bleibt »Titos Brille« aber trotz dieser Schönheitsfehler. Insbesondere die Spurensuche auf heute kroatischem Boden und die Rückblicke in die bewegte jugoslawische Geschichte faszinieren und bilden damit den spannendsten und charmantesten Teil des Films, in der Adriana Altaras’ persönliche Geschichte auch am geschicktesten mit dem Rest verwoben wird — etwa, wenn sie mit ihren Söhnen den alten Partisanenfilm »Nikoletina Bursac« ansieht, in dem sie als kleines Mädchen mitspielen durfte, oder aber wenn sie mit den Jungen die Synagoge von Zagreb besucht. Das sind emotionale Momente, in denen es auch Adriana Altaras gelingt, präsent zu sein, ohne sich vorzudrängen — und dem Film tut das gut.

Fazit

»Titos Brille« ist ein weitgehend charmantes und spannendes Dokumentar-Roadmovie, das streckenweise an der Rampenlichtfreude seiner Hauptdarstellerin krankt, aber den Zuschauer dennoch auf eine faszinierende Spurensuche quer durch Europa zu entführen weiß.

Kritik: Sabrina Železný

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