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Quelle: themoviedb.org

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Ein russischer Lehrer dokumentiert heimlich die Umwandlung seiner Kleinstadtschule in ein Rekrutierungszentrum für Kriegsanwärter während der Invasion in der Ukraine und enthüllt die ethischen Dilemmata, mit denen Pädagogen angesichts von Propaganda und Militarisierung konfrontiert sind.

"Mr. Nobody Against Putin" gehört zum Programm des 40. DOK.fest München (siehe Info)

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Während einige sogar noch im Jahre 2022 Putin für einen „lupenreinen Demokraten“ hielten, als in Europa schon längst der Krieg tobte, gibt es heutzutage kaum noch Menschen, die Putins Worten Glauben schenken. Denjenigen, die es immer noch nicht kapiert haben, kann man die Dokumentation Mr. Nobody against Putin wärmstens empfehlen. Diese Doku entstand direkt an der „Quelle des Bösen“ in der kleinen russischen Stadt Karabasch am Ural. Es ist ein wichtiges Zeitzeugnis, das von einem Grundschullehrer Pavel Talankin aufgenommen wurde und das, obwohl er eigentlich für Propagandavideos zuständig war. Seine Aufgabe bestand darin, Videos zu drehen, die als Beweis für Patriotismus an russischen Schulen dienen sollten. Diese Videos schickte er regelmäßig an das Ministerium. Schon während seiner Arbeit an der Schule hielt Talankin die Propaganda für totalen Schwachsinn und Putin für den größten Idioten, doch er spielte eine ganze Weile mit, um genug Material zu sammeln, bis er im Sommer 2024 aus Russland geflohen ist, um der Welt Putins wahres Gesicht zu zeigen.

Mr. Nobody against Putin ist Enthüllungsjournalismus auf höchsten Niveau, trotzdem beginnt die Doku recht harmlos und humorvoll, mit fröhlicher Musik, während Talankin seine Heimatstadt vorstellt, die ihre Bekanntheit als die schmutzigste Stadt der Welt erlangte. Dabei zeigt er nicht nur die Bilder seiner Stadt, sondern kommentiert aus dem Off mit seiner sehr angenehmen Synchronsprecher-ähnlichen Stimme, die von ihrer Tonart unfassbar an die Stimme des berühmten russischen Schauspielers Andrei Wassiljewitsch Mjagkow erinnert, der in dem UdSSR-Klassiker Ironie des Schicksals in gleicher Manier über seine Heimatstadt Moskau spricht. Viele Generationen sind in der UdSSR mit diesem Film aufgewachsen und es gibt sogar eine Tradition, nach der sich die Russen diesen Film jedes Jahr zu Silvester ansehen. Kein Wunder, dass Talankin gerade am Anfang seiner Doku sich von der humorvollen Art und Erzählweise aus Ironie des Schicksals inspirieren lässt und seine Doku so beginnt, als wäre sie eine Komödie.

Dabei muss er das Material nicht einmal mit witzigen Sprüchen kommentieren, denn das, was beispielsweise ein Geschichtslehrer an einer Grundschule von sich gibt, ist derart absurd, dass man darüber lacht, auch wenn einem ein paar Augenblicke später schon wieder nach Weinen zu Mute ist. Das ist nur ein Auszug aus seiner Geschichtslektion: „Die Menschen in Europa können sich bald kein Benzin mehr leisten und dann reiten sie alle auf den Pferden wie die Musketiere. Sie haben auch bald kein Essen mehr. Na ja, die Franzosen sind ja sowieso daran gewöhnt Frösche zu essen …“

Während der Geschichtslehrer den Grundschulkindern diese „wertvolle Lektion“ erteilt, sitzen sie völlig verschüchtert da und lassen die Gehirnwäsche über sich ergehen. Doch das ist immer noch nicht alles, denn längst gehört marschieren, voller Stolz russische Flagge aufstellen und singen patriotischer Lieder zum Lehrplan. Wer glaubt, dass das schon das Krasseste ist, was an einer russischen Schule vor sich geht, wird schnell eines Besseren belehrt, denn die Granaten-Weitwurf-Olympiade und Schießtraining gehören mittlerweile zum Alltag von Kindern. 8-Jährigen Kindern wird  beigebracht, wie sie richtig mit Schusswaffen umgehen sollen. In Sachen marschieren im Takt, salutieren und schießen macht den Kleinen so schnell keiner was vor.

Sie sind perfekte Marionetten in Putins Händen und werden als zukünftige Soldaten instrumentalisiert und ihrer Kindheit beraubt und für alle, die jetzt immer noch glauben, dass Putin nur eine spezielle Militärübung in der Ukraine durchführt, ist dieser Film ein Weckruf. Würde ein Mann, der an Friedensverhandlungen interessiert ist, 8-jährige Kinder zu Soldaten ausbilden lassen, wenn er nicht daran glauben würde, dass dieser Krieg noch jahrelang andauert? Mr. Nobody against Putin lässt einen völlig sprachlos zurück, weil man gar nicht glauben kann, was man in dieser Doku alles sieht. Die Zeit in der russischen Kleinstadt scheint stehen geblieben zu sein, als wäre man mit der Zeitmaschine in die UdSSR der 80er Jahre zurückgereist. Man sieht die gleichen alten Häuser, die gleichen alten Schulen, sieht Uniformierte, die patriotische Lieder singen und marschieren. Sogar die Kleidung, die die Kinder tragen, scheint, noch aus den Sowjetzeiten zu stammen. In einer Szene bekommt ein junger Mann von seinen Freunden ein Marken-Shirt von McDonalds geschenkt und freut sich darüber so sehr, als wäre es etwas Außergewöhnliches, so wie man sich vor 45 Jahren über Klamotten aus dem Westen gefreut hätte. Es ist beinahe schon rührend, wie die jungen Männer sich über Kleinigkeiten freuen, doch das Traurige daran ist, dass die Zeitspanne, in der sie sich freuen können, sehr gering ist, weil sie keine Zukunft mehr haben. Sie werden in Kürze alle als Kanonenfutter in den Krieg geschickt und, dass sie sterben werden, sagt man ihnen sogar direkt ins Gesicht: „Ihr werdet alle sterben, aber Russland, vergisst euch nicht!“ Was für ein Trost!

Junge Männer, die gerade mal mit der Schule fertig sind, werden für die Machtspiele eines Tyrannen geopfert und der einzige Trost, den sie erhalten ist die Tatsache, dass die nächste Generation, sie als zweifelhafte Helden feiern wird. Sie sind dem Tode geweiht und das spürt man in jedem Moment dieser Doku. Sie wirken wie die jungen Männer aus "Im Westen nichts Neues", die keine Ahnung haben, was auf sie zukommt, sonst würden sie nicht so ausgelassen feiern angesichts ihres bevorstehenden Todes. Sie haben keine Ahnung, worauf sie sich einlassen und sind noch fröhlich, doch ihr Lehrer Talankin weiß ganz genau, was mit ihnen geschieht und er kann nichts daran ändern, das zeigt der allwissende traurige Unterton, von dem die ganze Doku begleitet wird und auch in fröhlichen Momenten weiß man, dass die jungen Männer früher oder später im sinnlosen Krieg sterben. Talankin und sein Co-Regisseur David Borenstein haben ein gutes Gespür für die richtige Atmosphäre und die fröhlichen, traurigen und bizarren Momente wechseln sich immer wieder ab, bis man am Ende aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr rauskommt. Man denkt: „Wie ist so etwas nur möglich?“

Ein Geschichtslehrer redet in der Schule offen darüber, dass er am liebsten Stalins Handlanger kennengelernt hätte, die für die Ermordung von Millionen von Menschen in der UdSSR verantwortlich waren und genau dieser Lehrer wird „überraschenderweise“ zum Lieblingslehrer der Schüler „gewählt“ und bekommt dafür eine große Eigentumswohnung geschenkt. Trotz der bizarren und unwirklichen Welt, die Talankin umgibt, wirkt er aufgeklärt, weltoffen und ganz anders als so manche Menschen, die er filmt. Manche machen aus Angst vor den Repressalien mit, doch manche glauben offenbar den Schwachsinn, den sie von sich geben. Wenn das keine Doku wäre, dann würde man denken, dass echte Menschen sich unmöglich so verhalten und solche Dinge sagen können, doch leider tun sie es tatsächlich und trotz allem liebt Talankin seine Heimat mit ihrer klirrenden Kälte, frischer Luft und alten Häusern. Er liebt einfach alles an seiner kleinen verschlafenen Stadt und er muss trotzdem seine Heimat verlassen, weil es zu gefährlich für ihn wird und er bereits von der Polizei beobachtet wird. Talankin hat nicht irgendeine Nullachtfünfzehn-Doku über Hinz und Kunz gedreht, sondern eine wertvolle Dokumentation, die ihn sein Leben hätte kosten können.

Eigentlich gleicht es einem Wunder, dass man ihn so lange filmen ließ, obwohl er immer wieder mit seinen Aktionen wie das Spielen der amerikanischen Hymne in der Schule oder Ersetzen des Z-Symbols an Fenstern der Schule durch ein X (Symbol der Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge) eigentlich immer wieder durchblicken ließ, dass er gegen die Regierung ist. Er spricht in der Doku davon, dass sein Leben in Karabasch sich so anfühlt, als würde man keine Luft mehr bekommen, als würden die Wände immer näher kommen. Trotzdem filmt er Tag für Tag weiter und dafür hat er den größten Respekt verdient. Mit seiner Doku offenbart er die Abgründe, die sich an den russischen Schulen momentan auftun und zeigt, wie die Kinder von klein auf zu perfekten Soldaten erzogen werden, die eh als Kanonenfutter enden. Doch, was viel wichtiger ist, er zeigt, dass der Krieg längst in Russland angekommen ist und mittlerweile so gut wie jeder jemanden kennt, der im Krieg gefallen ist: der Bruder, der Sohn, der Freund und jeden Tag sterben immer mehr Menschen in diesem sinnlosen Krieg, bei dem es keine Gewinner geben kann. Mr. Nobody against Putin ist ein Stück echter Geschichte, das für immer als trauriger Beweis dafür dienen wird, dass ein einzelner Mensch, die Leben von Millionen von Menschen zerstören kann.

Die Journalisten haben oft eine große Verantwortung den Menschen gegenüber, weil sie nicht selten an der kollektiven Meinungsbildung beteiligt sind, doch das Gute an Mr. Nobody against Putin ist, dass Talankin nicht einmal in die Meinungsbildung eingreifen muss, denn jeder Mensch, der bei klarem Verstand ist, würde angesichts der Granaten-Weitwurf-Olympiade an einer Grundschule Gänsehaut bekommen und sich über das Privileg freuen, dass er seine Kinder in einem Land aufwachsen sieht, in dem Marschieren und Schießen nicht auf dem Stundenplan steht. Die Doku zeigt alptraumhafte Zustände, aus denen die Kinder und ihre Eltern nicht einfach aufwachen können und die meisten spielen das grausame Spiel einfach mit, weil sie Angst vor dem Tod oder dem Gefängnis haben. Mr. Nobody against Putin ist der erste Schritt in die richtige Richtung und man kann nur hoffen, dass die Menschen endlich erkennen, was Putin nicht nur seinem eigenen Land, sondern Europa antut. Hoffentlich finden genug Menschen in Russland den Zugang zu diesem Film, damit sie sehen, wie ihre Kinder wie Lemminge in den Tod springen für einen Mann, der sich einen Dreck um sie schert. Wenn sie sich zusammentun und sich trauen gemeinsam Widerstand zu leisten, dann wird der Tag des Friedens endlich kommen und es wird ein guter Tag sein, nicht nur für die Ukraine und Russland, sondern für die ganze Welt!

Fazit

„Mr. Nobody against Putin“ ist eine Enthüllungsdoku über die alptraumhaften Zustände an einer russischen Grundschule, an der Granaten-Weitwurf, Marschieren und Schießen zum Alltag der Kinder gehören. In dieser Doku wechseln sich glückliche, traurige und bizarre Momente ab, die von einem Leben erzählen, das stark an den UdSSR-Alltag der 80er Jahre erinnert. Talankin und Borenstein haben ein hervorragendes Gespür für die richtige Atmosphäre und erschaffen ein wichtiges und bedeutsames Zeitzeugnis, das zu den dunkelsten Kapiteln von Russlands Geschichte gehört. Herzzerreißend und emotional berichtet diese Doku über Kinder ohne Zukunft, die von einem Tyrannen in den Krieg geschickt werden.  

Kritik: Yuliya Mieland

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