7.2

MB-Kritik

Juror #2 2024

Mystery, Drama, Crime, Thriller

7.2

Nicholas Hoult
Zoey Deutch
Megan Mieduch
Toni Collette
Melanie Harrison
Adrienne C. Moore
Drew Scheid
Leslie Bibb
Hedy Nasser
Phil Biedron
Cedric Yarbrough
Bria Brimmer
J.K. Simmons
Chris Messina
Amy Aquino
Gabriel Basso

Inhalt

Juror #2“ folgt dem Familienvater Justin Kemp (Hoult), der als Geschworener in einem aufsehenerregenden Mordprozess mit einem ernsten moralischen Dilemma zu kämpfen hat ... einemDilemma, das er nutzen könnte, um das Urteil der Geschworenen zu beeinflussen und den angeklagten Mörder möglicherweise zu verurteilen – oder freizulassen.

Kritik

Das Bedeutsame oder vielmehr das Bedauerliche an Juror #2 ist nicht vorrangig die Tatsache, dass dieser Film wohl das finale Werk von sein dürfte. Schmerzhafter wiegt das Ende einer jahrzehntelangen Partnerschaft, die fast als Naturgesetz galt: Warner Bros. und der mittlerweile 94-jährige Eastwood waren untrennbar miteinander verbunden. Zwar erzielte nicht jede seiner Arbeiten finanzielle Triumphe, doch brachten viele Projekte dem Studio Reputation und künstlerische Anerkennung.

Selbst wenn Eastwood in späteren Jahren gelegentlich zweifelhafte Filme ablieferte (The 15:17 to Paris), überwiegt in der Summe seines Schaffens die Vielzahl gelungener und nachdrücklicher Werke (The Mule). Doch die strategische Neuausrichtung von Warner Bros. lässt wenig Raum für ein Kino, das sich so altmodisch wie Eastwoods Handschrift gibt. Das ist bedauerlich, denn auch wenn Juror #2 keine Preise für künstlerische Innovation oder visionäre Ambition gewinnen wird, ist der Film ein Drama klassischer Prägung, das seine Stärke weniger in der Plotspannung als in der moralischen Reflexion entfaltet.

Eastwood und Drehbuchautor Jonathan Abrams orientieren sich an vertrauten erzählerischen Standards, wie sie in Klassikern wie Die zwölf Geschworenen (1957) etabliert wurden. Die Handlung spielt im Mikrokosmos eines der zentralen Organe des US-amerikanischen Rechtssystems, ohne das Spektakel zu suchen. Wenn der titelgebende zweite Geschworene, gespielt von Nicholas Hoult, realisiert, dass er womöglich selbst schuld am Tod eines Menschen ist, wird dies von Eastwood bewusst unspektakulär inszeniert. Momente der Anspannung gibt es, doch der Fokus liegt darauf, wie Hoult als moralisch ringende Figur das Richtige tun will, ohne sich selbst in den Abgrund zu reißen.

Ergänzt wird dies durch die Figur der ehrgeizigen Staatsanwältin, souverän und nuanciert verkörpert von Toni Collette. Trotz ihrer karrieristischen und egozentrischen Motivation fällt sie niemals zur bloßen Antagonistin herab. Vielmehr verkörpert sie jene Seite des Justizsystems, die weniger von Gerechtigkeit als von pragmatischem Geschäftssinn geprägt ist. Das Wiedersehen von Collette und Hoult, mehr als zwanzig Jahre nach About a Boy oder: Der Tag der Toten Ente, bleibt ein charmantes Detail am Rande.

Während Eastwood die Hauptfiguren behutsam ausarbeitet, erweist er sich bei zwei Nebencharakteren als weniger gründlich. Kiefer Sutherland als Anwalt und J.K. Simmons als Ex-Cop nehmen zwar spannende Positionen in der Geschichte ein, wirken jedoch unterentwickelt. Vor allem Sutherlands Figur, die als Mentor für Hoults Charakter dient, hätte mehr erzählerisches Gewicht verdient. Beide rangeln mit ihrer Alkoholkrankheit, haben sie anerkannt und bekämpft, ringen jedoch ständig mit der Angst vor dem Rückfall und der gesellschaftlichen Stigmatisierung. Diese Komplexität wäre im Kontext des zentralen moralischen Dilemmas des Films ein enorm ergiebiges Thema gewesen, wird hier jedoch lediglich funktional abgehandelt.

Dennoch zeigt Eastwood mit Juror #2, dass er das Handwerk des klassischen Erzählens nach wie vor beherrscht. Der Film verfolgt keinen Anspruch, zu überwältigen oder zu beeindrucken. Stattdessen strebt er nach Schlichtheit und Beständigkeit und liefert dabei ein Drama, das seine Zeit wert ist.

Fazit

Clint Eastwood präsentiert solides Gerichtskino und eine gelungene Charakterstudie, die vor allem durch moralische Fragestellungen und feine Erzählkunst überzeugt. Sollte dies tatsächlich sein letzter Film sein, wäre es ein würdevoller und stiller Abschiedsgruß – eine beeindruckende Demonstration zeitloser und souveräner filmischer Dichtung.

Autor: Sebastian Groß
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